Natur-Ideologie und das Gespenst des weißen Mannes

5. Oktober 2008

Wie wird in Linksparteikeisen über die Bedeutung von Ökologie für gesellschaftliche Entwicklungs-Perspektiven diskutiert.

In einem auf der Website der Rosa Luxemburg Stiftung in der “Reihe Manuskripte” veröffentlichten “fiktiven Briefwechsel” mit Hanna Behrend (NACHHALTIGKEIT ALS POLITISCHE ÖKOLOGIE) schreibt Peter Döge

Die Gleichsetzung von Natur, Frau und im weiteren Kolonie als ausbeutbare Ressourcen bildet – so MARIA MIES in Patriarchat und Kapital – die Basis der kapitalistischen Ökonomie. Die „‘Naturalisierung’ der afrikanischen Frauen“ wird dabei begleitet von der Hausfrauisierung der weißen Frau in den kapitalistischen Staaten, die „… gleichbedeutend ist mit Externalisierung oder Ex-Territorialisierung der Kosten, die sonst von den Kapitalisten gedeckt werden müssen. Das heisst, dass Frauenarbeit als Naturressource betrachtet wird, die wie Luft und Wasser frei verfügbar ist“. Dieser ausbeuterische Gesamtzusammenhang schließt Gewalt gegen Frauen zwangsläufig mit ein.

Döge untermauert sein Statement mit einem Zitat von Maria Mies

„Was Natur, Frauen und ‘Dritte Welt’ verbindet, ist die Tatsache, dass diese Bereiche der Wirklichkeit seit der Renaissance die wichtigsten Kolonien des weißen Mannes sind. Auf ihrer gewaltsamen Unterwerfung und Ausbeutung beruht sein Menschenbild, seine Zivilisation, sein Begriff von Wissenschaft, Technik und Fortschritt, sein Modell von immerwährendem ökonomischen Wachstum, sein Begriff von Freiheit und Emanzipation, seine Gesellschaft und sein Staat. Diese drei Kolonien wurden zur ‘Natur’ erklärt, das heisst zu Quellen möglichst kostenloser, ausbeutbarer Ressourcen (Rohstoffe, Arbeitskräfte, Leben).“

MARIA MIES, 1992: Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung, Zürich: Rotpunkt

Begriffe sind Griffe die wir der Wirklichkeit anheften, um sie (die Wirklichkeit!) handhabbar zu machen. Sie können mehr oder minder passen. Partikularen Interessen (zum Beispiel Ausbeutung zu legitimieren) können sie förderlich oder abträglich sein. Begriffe haben also eine soziale Qualität, ermöglichen mehr oder minder herrschaftsfreien Diskurs und damit Wissenschaftlichkeit.

Döge und Mies zeigen hier, wie ungeeignete Begriffe (hier biologische Begriffe wie „weiße Frauen“, „Frauenarbeit“, „Hausfrauisierung“, „weißer Mann“) die kritische Absicht ins Gegenteil verkehren können. Statt den historischen Wirkungsbereich der kritisierten Zuordnungen zur ausbeutbaren Naturressource (mitsamt ihrer Grenzen) genauer zu beschreiben und die Bedingungen ihrer sozialen (Re-)Produkion oder auch  deren Überwidung näher zu ergründen, verpauschalisieren sie die historisch bedingte (und auch nur begrenzte) Zuschreibung von „Natur“ auf bestimmte Geschlechter oder Regionen.

Indem sie die biologistischen Begriffe beibehalten und nur (zugunsten der zur Passivität verdammten „Opfer“) kritisch wenden möchten, reproduzieren und verstetigen sie die der Ausbeutung dienlichen ideologischen Konstrukte.

Dabei beschreiben sie Akteure der kritisierten Verhältnisse nicht in ihren jeweiligen Rechtfertigungsbedingungen – und nehmen die Lebensbedingungen nicht selbst ins Vesir. Die menschlichen Akteure geraten stattdessen zur Kategorie, die wahlweise idealisiert bzw. dämonisiert wird – etwa wenn Döge behauptet, dass „die Kapitalisten“ unbezahlte Hausarbeit deshalb als „Natur = Frauenarbeit“ sehen würden, weil sie den ökonomischen Wert eines nicht als Ware produzierten Leistung sonst „decken“ müssten. (Was im übrigen falsch ist, da nicht „die Kapitalisten“ sondern deren Kunden weniger für sich hätten, wenn Hausarbeit nicht mehr nur für Kost, Logie und Unterhaltsversicherung zu haben wäre.

Döge sucht nicht nach der materiellen Basis ideologischer Konstrukte in der ökonomischen Struktur der Produktionsverhältnisse. Er behauptet, dass die ideologischen Konstrukte umgekehrt die Basis der materiellen Verhältnisse seien: „Die Gleichsetzung von Natur, Frau und im weiteren Kolonie als ausbeutbare Ressourcen bildet (…) die Basis der kapitalistischen Ökonomie“.

Die materiellen (hier kapitalistischen) Verhältnisse, also die von den Menschen individuell nicht ohne weiteres zu ändernden Behauptungsbedingungen der menschlichen Individuen und ihrer Institutionen (wie die Voraussetzungen des Besitzes von Kapital oder die Anlagemöglichkeiten des eigenen Arbeitsvermögens, Konkurrenz, Bildungschancen usw.) sieht Döge nicht als Basis sondern als Ergebnis falscher (der Ausbeutung dienlicher) Naturbegriffe.

Die von Döge zitierte Maria Mies nun sieht im „weißen Mann“ die materielle Basis des Übels Ausbeutung, nämlich der Ausbeutung von „Frauen“, „Dritte Welt“ und „Kolonien“. Damit biologisiert sie aber historisch (!) vorherrschende Rollen, Kräfteverhältnisse und ökonomische Strukturen und bringt nebenbei die ganz normale Ausbeutung bezahlter Arbeitskraft auf wundersamer Weise zum „verschwinden“.

Das Ausbeutersein des biologistischen Konstrukts „weißer Mann“ bestimmt nach Mies dessen falsches Bewusstsein, nämlich seine falschen Vorstellungen von Wissenschaft, Technik, Fortschritt, Freiheit, Emanzipation und immerwährendem ökonomischen Wachstum. So ist die „Schuldfrage“ scheinbar geklärt – und nichts erklärt. Etwa auf welche Weise die Struktur der ökonomischen Verhältnisse (die Art und Praxis der Arbeitsteilung) zum ökologisch blindem Wirtschaftswachstum zwingt oder welche Grenzen Lohn- und Gehaltsabghängkeit und ökologisch blinde Konkurrenz dem Gedanken setzen, die Zunahme des Angebots an Gütern und Dienste von einer ganzen Reihe sozialer Kosten Nutzen Rechnungen abhängig zu machen.


wie soll links grünen?

3. Oktober 2008

Wie wird in den Reihe der Linkspartei über ökologische Perspektiven diskutiert?

In der Reihe Standpunkte– 7/2007 der Rosa Luxemburg Stiftung stellt Dr. Ulrich Schachtschneider die Frage, wie grün die Linke sein muss. Der Autor gibt zu bedenken, dass der verstärkte Einsatz umweltfreundlicher Technologie, der notwendig sei, zu Kostensteigerungen und daher – unter den derzeitigen ökonomischen und politischen Bedingungen – zu steigender Ungerechtigkeit und in Folge dessen auch zu geringer Akzeptanz führen müsste. Originäre Aufgabe der Linken sei es deshalb, hier gegenzusteuern. Dafür sollten die im Folgenden aufgestellten Fragen gestellt und möglichst auch beantwortet werden:

„Die hochgesteckten Ziele, etwa eine Reduktion von 80 Prozent des Energieverbrauchs, 100prozentige regenerative Erzeugung, eine Reduktion des Flächenverbrauchs etc. (…), die auch Einschränkungen im persönlichen Konsum bedeuten, werden im Rahmen einer fortschreitenden Ungleichheit der Einkommensverteilung nicht erreicht werden können. Wie sollten sie von abgehängten Massen akzeptiert werden können, während andere exklusiv weiter Ressourcen nutzen können?

Hier beginnt linke Umweltpolitik. Die Linke sollte die technologischen Forderungen, sollte die Appelle nach sparsamen Verhalten der anderen Parteien und Umweltpolitiker nicht zu toppen versuchen, sondern etwas über die Voraussetzungen ihres Gelingens sagen und auf dieser Basis Methoden und Instrumente der Umweltpolitik entwickeln.

Die Linke sollte dazu öffentlich fragen:

  • Wo liegen die grundsätzlichen gesellschaftsstrukturellen Hindernisse zur Umsetzung eines massenhaftensparsameren Umgangs mit natürlichen Ressourcen?
  • Wie stabil sind diese Hindernisse? Welche mit der Freiheit einer modernen Gesellschaft vereinbaren alternativen Pfade sind denkbar?
  • Gibt es eine akzeptable Form der ökonomischen Steuerung des Verbraucherverhaltens in Richtung eines schonenden Umgangs mit Ressourcen, die keine sozialen Ungleichheiten verschärft?
  • Mit welchen Methoden, mit welchen Steuerungssystemen kann der angestrebte technologische Wandelschon im Rahmen einer kapitaldominierten Gesellschaft begonnen werden?“

An die kurz- und mittelfristigen umweltpolitischen Vorschläge der Linken sollten folgende grundlegende Anforderungen gestellt werden:

  • Sie müssen einen wirklichen Wandel der Technologien und des Verhaltens bewirken, sie dürfen keine Alibifunktion haben.
  • Sie müssen im Hier und Jetzt realisierbar sein, das System also nicht vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen.
  • Sie müssen unser Ziel einer langfristigen Gesellschaftsveränderung in Richtung stärker egalitärer Gesellschaftsformationen verdeutlichen.
  • Sie müssen die Moderne mit ihren bisher noch unvollständig verwirklichten Qualitäten der Selbstbestimmung und Individualität symbolisieren und vorantreiben.

Auf der Grundlage schlägt Schachtschneider vor, das Aufkommen einer Öko-Steuer auf nicht erwünschte Substanzen und Verbräuche „gleichmäßig unter der Bevölkerung zu verteilen“.

„Jeder Bürger erhält ganz direkt am Jahresende einen Betrag zurück. Nur Menschen mit überdurchschnittlichem Verbrauch müssen also im Endeffekt draufzahlen. Ärmere Schichten werden diesen überdurchschnittlichen Verbrauch nicht aufweisen, sie werden gewinnen. Der verteilungspolitische Vorteil einer solchen Politik ist für breite Schichten durch die konkret erfahrbar gemachte Auszahlung nachvollziehbar.“

Der Sozialausgleich würde zudem ermöglichen, den Ökosteuersatz auf ein wirksames Maß zu erhöhen (die berühmten 5 Mark / Liter Benzin).

Für nachhaltige Energieerzeugungs- bzw. Produktionsverfahren soll der Staat außerdem „Zuschüsse zahlen, so dass sie konkurrenzfähig werden“.

„Im Unterschied zur heutigen Praxis nach dem EEG müssten die erhöhten Vergütungen jedoch vom Staat bezahlt werden. Dann werden die Mehrkosten aus dem zu erhöhenden allgemeinen Steueraufkommen bezahlt. Bei progressiven Steuertarifen zahlen die Einkommensstärkeren dann mehr. Die Ärmsten zahlen gar nichts, da sie keine Steuer zahlen.“

Allerdings gibt der Autor zu bedenken, dass die Erstellung einer Positivliste sehr viel komplizierter würde als das Öko-Bonus System als Ausgleich einet Besteuerung unerwünschter Verfahren und Produkte

Auch notwendige Verbote (FCKW, Atomkraft, Gentechnik, toxischen Chemikalien etc.) sollten nicht nur durch eine Umweltverträglichkeitsprüfung begründet sondern auch durch eine Sozialvertäglichkeitsprüfung (und eventuellem Sozialausgleich durch Subventionen) begleitet werden

„Wenn also etwa die Käfighaltung von Legehennen verboten wird, muss gleichzeitig die Freiland-Produktion so subventioniert werden, dass für ärmere Leute ein Ei nicht zum Luxus wird.“

So weit…