Lohn, Markt, Moral (von Menschen und ihren Mäusen)

20. Januar 2008

Nicht mehr Kommunismus aber immerhin mehr Leistungsgerechtigkeit fordert Prof. Dr. Werner Müller, (nicht mit dem gleichnamigen ehemaligen Bundeswirtschaftsminister identisch). Er lehrt seit 1997 am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Mainz und war vor seiner Berufung Financial Manager in der deutschen Gruppe eines dänischen Konzerns, sowie von 2002 bis 2006 Aufsichtsratsvorsitzender einer Unternehmensberatungs-AG.

Das ND veröffentlichte am 19.01. 08 einen offenen Brief Prof. Müllers an Bundespräsident Köhler mit einer Replik auf H. Köhlers Behauptung, Mindestlöhne würden Arbeitsplätze vernichten. Der Brief enthält einige Wahrheiten, die sich vom neo liberalen Mainstream recht angenehm absetzen.

Zum Beispiel, dass Löhne am Markt „umgekehrt elastisch“ reagierten:

„Sinkt der Gebrauchtwagenpreis, so werden weniger Fahrzeuge angeboten. Sinkt der Arbeitslohn, so wird auf dem Arbeitsmarkt mehr Arbeitskraft angeboten, denn Arbeitnehmer müssen dann Überstunden machen oder Nebentätigkeiten aufnehmen, um ihren Lebensstandard zu halten oder nur die Existenz zu sichern.“

Zwar führten niedrigere Löhne unstrittig zu mehr Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich, aber um den Preis einer Lohnabwärtsspirale. Deren Stopp durch die Gewerkschaftsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts hätte die wirtschaftliche Entwicklung allerdings nicht gestoppt sondern – durch Anreize zur Rationalisierung – eher beflügelt. Der durch das Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen entstandene Wohlstandsverlust wurde durch die erreichten Produktivitätsgewinne lange überkompensiert.

Sollte sich die Gesellschaft nun aber trotz des Unterlaufens dieser historischen Dumpingbremse durch gebietsfremde Anbieter von Arbeitskraft gegen Mindestlöhne entscheiden, so solle sie doch konsequenterweise gleich eine andere Errungenschaft des 19. Jahrhunderts über Bord werfen:

„… und zwar die Abschaffung der Sklaverei! (…) Diese hat die Arbeitsplätze der Sklaven vernichtet. Und es gäbe auch heute sicher noch viele Sklaverei-Arbeitsplätze, wenn man sie zulassen würde. (…) Die Entscheidung für die Abschaffung der Sklaverei war aber primär eine moralische und keine ökonomische Frage. (…)
„Ebenso war der Kampf gegen Hungerlöhne für die Arbeiterbewegung eine moralische Frage. Die flächendeckende Einführung von Mindeststandards hat die wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen beherrschbar gemacht, weil sich kein Konkurrent den daraus folgenden höheren Kosten entziehen und daraus Wettbewerbsvorteile organisieren konnte. Es ist auch heute eine moralische Frage, ob auch in einer globalisierten Wirtschaft die Löhne aus einer Vollzeitbeschäftigung existenzsichernd sein müssen und ob deshalb die Vernichtung von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich in Kauf genommen werden muss, wie die Gesellschaft auch die Vernichtung von Sklavenarbeitsplätzen im Null-Lohnbereich und sogar den Hungertod vieler potenzieller Sklaven in Kauf genommen hat. Nur mit gesetzlichen Mindestlöhnen kann diese moralische Entscheidung für existenzsichernde Löhne in der globalisierten Wirtschaft verteidigt werden. Wer sie ablehnt, müsste mit den gleichen Argumenten die Wiedereinführung der Sklaverei fordern …“

Ebenso provokant fordert Prof. Müller ein Ende der intransparenten Besetzung von Vorstandsposten mittels sozialer Seilschaften. Die Aktiengesellschaften sollten gesetzlich verpflichtet werden, ihre Vorstandsposten öffentlich auszuschreiben. Was nicht nur die Qualifikation der Vorstandsarbeit erhöhen, sondern auch die Vorstandsgehälter auf ein moralisch vertretbares Maß reduzieren würde.

Der gesamte ND Beitrag:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/122581.html