1. November 2008

Viel Hoffnung grünt derzeit um einen Trend hin zur Ökologie als Privatprofit-Motiv. Im Sinne ökosozialistischer Persektiven ist das auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen. Aber man sollte nicht vergessen, dass nur eine ökologische Gesamtrechnung Auskunft über den sozialen Gewinn machen könnte. Das (sogar mit einigem Vergnügen) zu bedenken hilft der folgenden Marx-Schatz zu den Stichworten Gebrauchswert, Produktionszweck, Entfremdung, Arbeitsteilung & gesellschaftlicher Reichtum. Er wurde vom Projekt Gutenberg des Spiegels aus den Tiefen der „Marx? Kernstevergessen!“ See gehoben.

Karl Marx

Abschweifung über produktive Arbeit

Ein Philosoph produziert Ideen, ein Poet Gedichte, ein Pastor Predigten, ein Professor Kompendien usw. Ein Verbrecher produziert Verbrechen. Betrachtet man näher den Zusammenhang dieses letztren Produktionszweigs mit dem Ganzen der Gesellschaft, so wird man von vielen Vorurteilen zurückkommen. Der Verbrecher produziert nicht nur Verbrechen, sondern auch das Kriminalrecht und damit auch den Professor, der Vorlesungen über das Kriminalrecht hält, und zudem das unvermeidliche Kompendium, worin dieser selbe Professor seine Vorträge als ,,Ware“ auf den allgemeinen Markt wirft. Damit tritt Vermehrung des Nationalreichtums ein.

Weiter im Text geht’s beim Projekt Gutenberg


Natur-Ideologie und das Gespenst des weißen Mannes

5. Oktober 2008

Wie wird in Linksparteikeisen über die Bedeutung von Ökologie für gesellschaftliche Entwicklungs-Perspektiven diskutiert.

In einem auf der Website der Rosa Luxemburg Stiftung in der “Reihe Manuskripte” veröffentlichten “fiktiven Briefwechsel” mit Hanna Behrend (NACHHALTIGKEIT ALS POLITISCHE ÖKOLOGIE) schreibt Peter Döge

Die Gleichsetzung von Natur, Frau und im weiteren Kolonie als ausbeutbare Ressourcen bildet – so MARIA MIES in Patriarchat und Kapital – die Basis der kapitalistischen Ökonomie. Die „‘Naturalisierung’ der afrikanischen Frauen“ wird dabei begleitet von der Hausfrauisierung der weißen Frau in den kapitalistischen Staaten, die „… gleichbedeutend ist mit Externalisierung oder Ex-Territorialisierung der Kosten, die sonst von den Kapitalisten gedeckt werden müssen. Das heisst, dass Frauenarbeit als Naturressource betrachtet wird, die wie Luft und Wasser frei verfügbar ist“. Dieser ausbeuterische Gesamtzusammenhang schließt Gewalt gegen Frauen zwangsläufig mit ein.

Döge untermauert sein Statement mit einem Zitat von Maria Mies

„Was Natur, Frauen und ‘Dritte Welt’ verbindet, ist die Tatsache, dass diese Bereiche der Wirklichkeit seit der Renaissance die wichtigsten Kolonien des weißen Mannes sind. Auf ihrer gewaltsamen Unterwerfung und Ausbeutung beruht sein Menschenbild, seine Zivilisation, sein Begriff von Wissenschaft, Technik und Fortschritt, sein Modell von immerwährendem ökonomischen Wachstum, sein Begriff von Freiheit und Emanzipation, seine Gesellschaft und sein Staat. Diese drei Kolonien wurden zur ‘Natur’ erklärt, das heisst zu Quellen möglichst kostenloser, ausbeutbarer Ressourcen (Rohstoffe, Arbeitskräfte, Leben).“

MARIA MIES, 1992: Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung, Zürich: Rotpunkt

Begriffe sind Griffe die wir der Wirklichkeit anheften, um sie (die Wirklichkeit!) handhabbar zu machen. Sie können mehr oder minder passen. Partikularen Interessen (zum Beispiel Ausbeutung zu legitimieren) können sie förderlich oder abträglich sein. Begriffe haben also eine soziale Qualität, ermöglichen mehr oder minder herrschaftsfreien Diskurs und damit Wissenschaftlichkeit.

Döge und Mies zeigen hier, wie ungeeignete Begriffe (hier biologische Begriffe wie „weiße Frauen“, „Frauenarbeit“, „Hausfrauisierung“, „weißer Mann“) die kritische Absicht ins Gegenteil verkehren können. Statt den historischen Wirkungsbereich der kritisierten Zuordnungen zur ausbeutbaren Naturressource (mitsamt ihrer Grenzen) genauer zu beschreiben und die Bedingungen ihrer sozialen (Re-)Produkion oder auch  deren Überwidung näher zu ergründen, verpauschalisieren sie die historisch bedingte (und auch nur begrenzte) Zuschreibung von „Natur“ auf bestimmte Geschlechter oder Regionen.

Indem sie die biologistischen Begriffe beibehalten und nur (zugunsten der zur Passivität verdammten „Opfer“) kritisch wenden möchten, reproduzieren und verstetigen sie die der Ausbeutung dienlichen ideologischen Konstrukte.

Dabei beschreiben sie Akteure der kritisierten Verhältnisse nicht in ihren jeweiligen Rechtfertigungsbedingungen – und nehmen die Lebensbedingungen nicht selbst ins Vesir. Die menschlichen Akteure geraten stattdessen zur Kategorie, die wahlweise idealisiert bzw. dämonisiert wird – etwa wenn Döge behauptet, dass „die Kapitalisten“ unbezahlte Hausarbeit deshalb als „Natur = Frauenarbeit“ sehen würden, weil sie den ökonomischen Wert eines nicht als Ware produzierten Leistung sonst „decken“ müssten. (Was im übrigen falsch ist, da nicht „die Kapitalisten“ sondern deren Kunden weniger für sich hätten, wenn Hausarbeit nicht mehr nur für Kost, Logie und Unterhaltsversicherung zu haben wäre.

Döge sucht nicht nach der materiellen Basis ideologischer Konstrukte in der ökonomischen Struktur der Produktionsverhältnisse. Er behauptet, dass die ideologischen Konstrukte umgekehrt die Basis der materiellen Verhältnisse seien: „Die Gleichsetzung von Natur, Frau und im weiteren Kolonie als ausbeutbare Ressourcen bildet (…) die Basis der kapitalistischen Ökonomie“.

Die materiellen (hier kapitalistischen) Verhältnisse, also die von den Menschen individuell nicht ohne weiteres zu ändernden Behauptungsbedingungen der menschlichen Individuen und ihrer Institutionen (wie die Voraussetzungen des Besitzes von Kapital oder die Anlagemöglichkeiten des eigenen Arbeitsvermögens, Konkurrenz, Bildungschancen usw.) sieht Döge nicht als Basis sondern als Ergebnis falscher (der Ausbeutung dienlicher) Naturbegriffe.

Die von Döge zitierte Maria Mies nun sieht im „weißen Mann“ die materielle Basis des Übels Ausbeutung, nämlich der Ausbeutung von „Frauen“, „Dritte Welt“ und „Kolonien“. Damit biologisiert sie aber historisch (!) vorherrschende Rollen, Kräfteverhältnisse und ökonomische Strukturen und bringt nebenbei die ganz normale Ausbeutung bezahlter Arbeitskraft auf wundersamer Weise zum „verschwinden“.

Das Ausbeutersein des biologistischen Konstrukts „weißer Mann“ bestimmt nach Mies dessen falsches Bewusstsein, nämlich seine falschen Vorstellungen von Wissenschaft, Technik, Fortschritt, Freiheit, Emanzipation und immerwährendem ökonomischen Wachstum. So ist die „Schuldfrage“ scheinbar geklärt – und nichts erklärt. Etwa auf welche Weise die Struktur der ökonomischen Verhältnisse (die Art und Praxis der Arbeitsteilung) zum ökologisch blindem Wirtschaftswachstum zwingt oder welche Grenzen Lohn- und Gehaltsabghängkeit und ökologisch blinde Konkurrenz dem Gedanken setzen, die Zunahme des Angebots an Gütern und Dienste von einer ganzen Reihe sozialer Kosten Nutzen Rechnungen abhängig zu machen.