Kapitalismuskritik ohne (ökokommunistische) Transformationsperspektive?

Ein herrschaftsfreier Diskurs über die Notwendigkeit der Etablierung einer als solche tatsächlich handlungsfähigen Menschheit, die es den Globalisierten dieser Erde möglich machte, ihre Produktivkräfte auf öko-kommunistische Art zu entwickeln und anzuwenden, ist nicht ganz einfach. Schwierig macht das nicht nur das verbreitete Bedürfnis nach der Illusion eines richtigen Lebens im falschen, wie sie dem Antikommunismus zugrunde liegt, oder die bitteren Erfahrungen mit sieben Jahrzehnten realer Existenz einer weithin als  „Kommunismus“ missverstandenen Gespensterstunde.  Auch gängige Varianten des Anti-Kapitalismus machen die Sache nicht einfacher.

Ein häufig vorgebrachtes Antika-Dogma besagt, dass jegliche „positive Philosophie“ korrumpiert und die Reinheit der eigenen Perspektive nur erhalten werden kann, wenn man sich auf Kritik des Kapitalismus beschränkt. Es muss alles verdammt werden, was die Menschen dazu verführen könnte, „mitzumachen“ und sich, weil sie etwas ausrichten möchten, im Kapitalismus einrichten.

Eine solche, an mich gerichtete Kritik habe ich zum Anlass genommen, das mühselige (und wenig erquickliche) Durcharbeiten verschiedener Reflexionen der Kommunismusfrage (wie die drei Bände von „die Idee des Kommunismus“) einmal für eine Zeit zu unterbrechen, und ohne groß nach links oder rechts zu schauen, mein bisheriges Verständnis einer (öko-) kommunistischen Transformationsperspektive zusammenzutragen. Ich gehe im Folgen u.a. der Frage nach, wie an Marx ökohumanistischen Kommunismus  (bzw. ökokommunistischen Humanismus) anknüpfend kommunistische Philosophie möglich ist, die eben keine Ideologie ist im Sinne einer dogmatischen Setzung, die auf Wissenschaft verzichtet, und Analyse des Zusammenspiels von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen einbezieht. Die Sache endet mit 13 Thesen zur Notwendigkeit, Möglichkeit und möglichen Gestalt einer ökokommunistischen Transformationsperspektive.

Nur die Kritik ist wahr?

Ipinguinech wurde unlängst bezichtigt, positive Philosophie betreiben zu wollen statt mit anständiger Ideologiekritik der kapitalistischen Ökonomie zu Leibe zu rücken. Offenbar liegt dem die Ansicht zugrunde, dass die Verblendung, die den kapitalistisch vergesellschafteten Menschen – zumindest der Wohlstandszonen unseres Planeten – ihr alltägliches Elend als  „heller Warensinn“ erscheinen lasse, nur durch radikales Schwarzsehen zu überwinden sei. Nur unversöhnliche „Negation“ könne die Menschen befähigen, die strukturellen Hindernisse eines gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen Weltwirtschaftens niederzureißen.

Und damit „die Negation“ diese nicht ganz leichte Aufgabe eines guten Tages tatsächlich hinbekommt, müsse ihr eine tägliche Portionen Kritik der politischen Ökonomie verabreicht werden, ergänzt durch gelegentliche Zugaben eines aus Volkswut und Aufruhr angerührten Stärkungsmittelchens.

Ich bin natürlich nicht gegen Kritik

Um nicht missverstanden zu werden: Ich halte Marx Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus für ein unverzichtbares Mittel der Zukunftsbewältigung. Ich stelle auch nicht in Abrede, dass Aufruhr in Worten und Taten,  gerade wenn sie sich den gegebenen Rationalitätsbedingungen trotzig zu verweigern trachten, immer wieder auch emanzipationsperspektivisch sehr vernünftige (= zweckdienliche) Wirkungen hervorbringen. Allerdings ist auch das Gegenteil vielfach belegt.

Das emanzipationsperspektivisch in der Tat fatale Gottvertrauen in einen vom kapitalistischen Wettbewerb auf Ewig wohl geformten Geist, der, wenn er auch Böses will, stets Gutes schafft, lässt sich durch bloße Aufklärung über die Kehrseiten menschlicher Schaffenskraft, die durch die Konkurrenz kapitalistischer Aneignungsagenturen um die Befriedung privater Bedürfnisse voran gepeitscht wird, nicht erschüttern. Die wirkliche, praktische, das heißt, (welt-) gesellschaftliche „Negation“ der illusionären Vorstellung, dass die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts innerhalb (!) der heute gegebenen (kapitalistischen) Behauptungszwänge, -motive und -freiheiten bewältigt werden könnten, setzt unzählige Lernprozesse im Rahmen sozialer Auseinandersetzungen um kleinere Verbesserungen oder auch nur dem Erhalt des Status Quo voraus. Deren Erfolge und Misserfolge müssen emanzipationsproduktiv verarbeitet werden. Die Völker selber werden nur als Ergebnis unzähliger Prozesse praktischen Lernens dahin kommen können, zielbewusst neue Interaktionsbedingungen ansteuern.

Natürlich ist Utopismus nicht die Lösung

Da die (welt-) gesellschaftliche Realität dieser „Negation“ sich nur in  langwierigen, in sich widersprüchlichen historischen Entwicklungsprozessen herstellen kann, müssen deren Momente in vielerlei Hinsicht unvollkommen sein. Die sehr unterschiedlich positionierten Akteure der Transformation haben, wie soll es anders sein, notwendig unzureichende, oft gänzlich falsche Vorstellungen, Ziele, Bedürfnisse etc zu überwinden.

Selbst die explizit emanzipationswissenschaftlichen Bemühungen, diesem Mangel durch eine systematische Aufarbeitung dabei gewonnener (verallgemeinerter, geteilter, kritisierter, institutionalisierter usw.) Erfahrungen, Erkenntnisse bzw. Einstellungen beizukommen, durchlaufen Entwicklungsprozesse. Auch Wissenschaft ist immer wieder dazu genötigt, eigene Unzulänglichkeiten und Irrtümer zu korrigieren.

Das gilt insbesondere für Bemühungen um eine wissenschaftlich begründete Konstruktion sozio-ökologisch vernünftiger (= zweckdienlicher) Vorstellungen darüber, welche Inhalte und Formen des Zusammenspiels von Produktion und Konsum, Bildung, Wissenschaft, Regelsetzung und deren Kontrolle usw. einmal „das Ende der menschlichen Vorgeschichte“ (Marx) d.h. den Beginn einer tatsächlichen Menschheitsgeschichte markieren werden. Bemühen, Bedingungen für eine gesamtgesellschaftliche bzw. ökologische Rationalität (= Zweckgerechtigkeit) im Kopfe vorwegzunehmen, die erst noch herzustellen sind und von denen ein Praxistest also noch nicht möglich ist, müssen immer ein wenig schief liegen. Sich der Last des späteren Geraderückenmüssens der irgendwann notwendig zu Tage tretenden Irrtümer, Fehleinschätzungen, Verrücktheiten aller Art usw. zu entziehen, indem man sich einem Bilderverbot unterwirft, kann aber erst recht kein rationales (= zweckgerichtetes) Mittel der Zukunftsbewältigung sein.

Eine Kritik, die sich der Frage nach der Alternative verweigert, bleibt notwendigerweise steril, weil sie nicht einmal gedanklich einen Ausweg aus dem Bestehenden eröffnen kann.

Christian Sievers im Keimform Blog

Macht Logik Geschichte?

Ich stimme Cristian Sievers zu. Allerdings fokussieren die Keimform-Bloger ihren kritischen Blick entsprechend ihrer ideologischen Herkunft aus der so genannten Wertkritik sehr einseitig und  überhistorisch auf die dem Kapitalverhältnis inne wohnende „Logik“ des „Aus-Geld-mehr-Geld-Machens“. Sie möchten diese durch eine Gegenlogik ersetzt wissen, die aus einer ‚Jenseits von Markt und Staat‘ verorteten Praxis zu entwickeln sei.

Zentrales Merkmal dieser Praxis soll sein, dass sie im Wesentlichen bereits über den Geld vermittelten Verkehr hinaus  sei und nach dem Prinzip der Commons based Peer Production funktionieren. Mit der Zeit würde die über das Stadium der sozialen Experimente  hinaus kommen und sich schließlich zur neuen Basis des gesamten menschlichen Miteinanders entwickeln. In untergründig voranschleichenden Entwicklungsprozessen würden, so die Erwartung, Herstellung und Aneignung der gesellschaftlichen Existenz- und Bereicherungsmittel immer weniger einer dem Geld (der Lohn- und Gehaltsarbeit bzw. Produktion für den Verkauf von Waren) eigentümliche „Logik“ folgen.

Die soziale Anreizfunktion des privateigentümlich motivierten Profitstrebens würde Stück für Stück der individuellen Lust weichen, Bedürfnisse zu erkennen und diese zu erfüllen. Bereitstellung, Nutzung und Wiederherstellung der Ressourcen würden schließlich in gemeinsame Verantwortung geschehen.

Eine andere Erwartung ist, dass ein solcherart von der Basis des gesellschaftlichen Austausches aus organisierter „Logikwechsel“ ohne Eroberung der politischen Macht auskommen und dies also auch einen abermaliger Versuch überflüssig machen könnte, per Erziehungsdiktatur „kommunistische“ Interaktionsbedingungen zu verordnen.

Der Gedanke ist nicht uninteressant. Es ist immerhin der Versuch der Entwicklung einer die „materiellen“ Handlungsbedingungen reflektierenden und auf deren Veränderung zielenden Transformationsperspektive. Leider verbergen sich darin auch gewichtige Probleme.

Das Eingreifen in politische Verhältnisse für überflüssig zu erklären, ist natürlich auch ein Eingreifen in die politischen (Kräfte-) Verhältnisse. Ich sehe außerdem einen Hang zur ahistorischen Dämonisierung allen Wirtschaftens, das wann wo und wie auch immer durch Geld vermittelt (also auf die Produktion von Tauschobjekten ausgerichtet) ist, war und sein wird. Die Vorstellung, dass die Geschichte stets nur die Geschichte des Kampfes verschiedener Logiken sei und es darauf ankäme, der immer schon und ausschließlich im geldlosen Verkehr verorteten Emanzipationslogik eine ausreichende materielle Basis zu verschaffen, verführt dazu, die innerhalb des kapitalistischen Treibens angelegten Dispositive menschlicher Emanzipation zu übersehen oder sie sogar zu missachten und zu bekämpfen. Man spart sich die Mühe, herauszuarbeiten, welche der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Routinen, Möglichen usw., die der kapitalistischen Warensinn hervorbringt,  in einer welchen Weise unter welchen Umständen zu Entwicklungsbedingungen eines gesellschaftlichen Rahmens werden könnten, der dem menschlichen Tun und Lassen hinreichend gesamtgesellschaftliche bzw. ökologische Vernunft ( = Zweckgerichtetheit) erlaubt.

Aus dem Blick gerät auch, dass die Sphären der „commonistischen“ Vermittlung von Produktion und Konsum heute keineswegs so losgelöst von der kapitalistischen Normalität und so unbefleckt von deren Logik existieren, wie es vielen Enthusiasten einer „commonistschen “ Parallelwelt erscheinen mag. Die Verwobenheit des „anti-kapitalistischen“ Denken und Tuns in das kapitalistisch formierte Produzieren zu verkennen, bedeutet nicht, dass die nicht existiert.

Kritik der Arbeit statt Arbeit an der Möglichkeit, sie „(öko-) kommunistisch“ zu bestimmen?

Dass als Ware angebotene Kulturerzeugnisse oder Computerprogramme heute annähernd beliebig reproduziert werden können, ohne dass für den Zugewinn an Gebrauchswert in nennenswertem Umfang zusätzlich Arbeit oder andere Naturressourcen verausgabt, verbraucht bzw. belastet werden müssen, ist eine wesentliche Grundlage moderner Commonsinitiativen und -vorstellungen. Die unter „Kapitalismuskritikern“ seit jeher beliebte, nichts desto trotz zu kurz greifende Klage, dass „im Kapitalismus die Bedürfnisse der Menschen nichts gelten„, weil hier nun einmal der in Geld bzw. Warenwertgewinn ausdrückbare Unternehmens- oder Investorenprofit das treibende Produktionsmotiv seien, und erst die zur gesellschaftlichen Macht gekommene Logik der (von Unternehmens- bzw. Investorenprofit) „befreiten Gesellschaft“ diese Bedürfnisse endlich in den Vordergrund stellen würde, findet hier reichlich Nahrung.

Zu kurz greift diese Kritik, soweit sie übersieht, dass Bedürfnisse keine überhistorische Konstante sind und auch keine unhinterfragbaren Heiligtümer. Gerade der der notorischen Bedürfnisignoranz bezichtigte Kapitalismus hat eine wahre Explosion immer neuer Bedürfnisse hervorgerufen und immer geschicktere Wege zu deren Befriedigung gefunden.  Das (privat-) eigentümliche Plusmachen lebt nicht zuletzt von der Schaffung und Befriedigung immer neuer und stets mehr und durchaus auch anspruchsvollerer Bedürnisse.

Dass das kapitalistische Gewusel privater Interessensverfolgung längst durch die Decke ökologischer Vernunft schließt, sollte sich aber inzwischen auch unter Marxist*innen herumgesprochen haben. Die sich daraus notwendig ergebende Konsequenz wäre allerdings die Erkenntnis, dass es nicht wirklich darauf ankommt, endlich „die“ Bedürfnise zu ihrem Recht kommen zu lassen. In Frage gestellt werden sollte stattdessen die kapitalistische Art der privateigentümlich bornierten Bestimmung der individuellen bzw. institutionellen Bedürfnisse und die ebenso privateigentümlich bornierte Form in der diese Bedürfnisse mit den sozialen bzw. ökologischen Kosten ihrer Befriedigung zu vermitteln ist. Die Fokusierung auf „die“ nun endlich unbeschränkt erfüllbaren Bedürfnisse, deren Befriedigung weder Geldnot noch Geldgier mehr im Wege stehen muss,  erweckt dagegen den Eindruck einer Schlaraffenlandfantasie.

Schlaraffenland statt Sozialismus?

Zweifellos: Ohne hinreichendes Verständnis der inneren Wirkmechanismen bzw. – bedingungen, denen die Warenproduktion ihre Erfolgsgeschichte verdankt, kann weder  verstanden werden, warum ihr nun Einhalt geboten werden muss, noch warum, wie und mit welcher grundlegenden Perspektive das tatsächlich gehen könnte. Marx Analysen der wesentlichen Interaktions- bzw. Entwicklungsbedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung taugen allerdings zu mehr als zur entsprechend fundierten Gesellschaftskritik bzw. Vergewisserung der grundlegenden Probleme kapitalistischer Privateigentümlichkeit. Sie zeigen, warum die grundlegenden Strukturen kapitalistischer Vergesellschaftung die technologischen, organisatorischen, soziokulturellen usw. Möglichkeiten der menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung heute in ebenso Schwindel erregende Höhen treiben wie die Fähigkeit, all das nachhaltig zu zerstören. Sie zeigen auch, warum die kapitalistische Epoche außer die historische Notwendigkeit auch die historischen Möglichkeiten heranreifen lässt, das menschliche Für- und Voneinander endlich unter gemeinsamer, d.h. am Ende auch weltgemeinschaftlicher Kontrolle zu bringen.

Wir brauchen zweifellos eine stringente Kritik der irrigen Vorstellung, dass mit der heute vorherrschenden Vergesellschaftungsform, d.h. mit der privateigentümlichen Ausrichtung, Organisation, Begrenzung bzw. Ausbeutung menschlicher Kraftanstrengung bzw. von Ressourcen der Naturumwelt, das Ende der sozialen Evolutionsgeschichte erreicht sei. Nur steht die nächst höhere Etappe der menschlichen Entwicklungsgeschichte eben nicht im Supermarkt der historischen Möglichkeiten bereit und wartet auf Kundschaft und es käme jetzt nur noch darauf an, das Gewohnte zu kritisieren und die bereits ebenso griffbereit liegende Alternative kräftigst zu bewerben!

Die von Marx/Engels Erkenntnissen inspirierten Untersuchungen legen vielmehr nahe, dass sich die Bedürfnisse und die Fähigkeiten, die notwendig sind, um zu einem gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch rationalen (=zweckmäßigen) Tun und Lassen zu kommen, im Wesentlichen aus inneren Widersprüchen des bestehenden Warensinns heraus entwickelt werden müssen. Und dass es also darauf ankommt, diese Widersprüche erkennen und nutzen zu lernen. Die in dem Sinne emanzipationsproduktiven Fragen sind die nach den Bedingungen, Mitteln, Ansätzen, Chancen usw. einer hinreichenden Entwicklung und Verbreitung ökologischer Kompetenz und was die Etablierung (welt-) gemeinschaftlicher Formen der Vermittlung menschlicher (aber auch außermenschlicher) Bedürfnisse mit den – gemeinsam zu verantwortenden – Kosten ihrer Erfüllung ermöglicht.

Manche der in marxistischen Zusammenhängen oft wiederholten „Gewissheiten“ scheinen mir allerdings mehr zur Verrätselung als zur Aufklärung und letztlich Überwindung der beklagten Zustände beizutragen. So geht es mir etwa beim Vernehmen der für die Wertkritik typischen Klage über die Schändlichkeit „massenhaft verausgabter  abstrakter Arbeit“.

Ist „abstrakte Arbeit“ jenseits des Kapitalismus bedeutungslos?

Im Kapitalismus geschieht die Vermittlung von Produktionszwecke und -bedingungen typischerweise hinter den Rücken der Akteure durch private Aneignung von Kaufkraft (bzw. deren Verausgabung auf Seiten der Gebrauchswertbedürftigen). Die Vermittlungsinstanz Kaufkraft (das Veräußerungsvermögen), ausgedrückt im allgemeinen Warenaneignungsmittel Geld in der Form von Preisen bzw. Preisschwankungen, stellt sich entlang der Menge an Arbeitsaufwand her, der für den erfolgreichen Verkauf nachgefragter Warengebrauchswerte in gesellschaftlichen Durchschnitt zu verausgaben ist. Es ist eine einfach Wahrheit, dass diese (gesamt-) gesellschaftlich nicht beherrschbare  Vermittlung von Bedarf und  Aufwand nicht mehr zu den heutigen Möglichkeiten passen, Wohl oder auch Wehe zu produzieren.

Gelungener Raubbau spart Arbeitskraft. Unter den gegebenen Bedingungen bedeutet das einen Konkurrenzvorteil,  und der wrd zum Machtzuwachs für gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch irrationales (nicht nachhaltiges) Plusmachen. Was aber tragen Klagen über „die massenhafte Verausgabung abstrakter Arbeit“, (oft noch ergänzt durch die provokante Forderung nach „Abschaffung der Arbeit“) zur Aufklärung über die historische Unerträglichkeit dieser Mechanismen bei? Eine emanzipationsrationale Debatte über die historische Überholtheit der „unmenschlichen“ Vermittlungsinstanz Warenpreis als in Geldforderung geronnener abstrakter Arbeitsaufwand (bzw. Arbeitsersparnis) deren (gesamt-) gesellschaftlicher Nutzen oder Schaden  nicht zu interessieren braucht,  lässt sich durch das Inaussichtstellen einer „Befreiung von abstrakter Arbeit“ m.E. schwerlich entfachen.

Und verschwindet der Blick auf Arbeit im allgemein gesellschaftlichen Sinn ohne Ansehen seiner Besonderheiten, d.h. als pure Kraftanstrengung für nur irgendetwas, das Menschen in nur irgend einer Weise benötigen, begehrenswert und moralisch vertretbar finden, tatsächlich in einer Gesellschaftsordnung, die nicht mehr im Wesentlichen auf das privateigentümlich fragmentierte Herstellenlassen von verkäuflichen Gegenständen und Diensten basiert und in der für konkrete Ziele und nachvollziehbar dafür benötigte Zeit, Qualifikationen,  Motivationen usw. auf der Hand liegen und in (welt-) gesellschaftlich ergründeten bzw. bestimmten Übereinkommen entschieden werden?

Stellen wir uns (welt-) gesellschaftliche Interaktions- bzw. Behauptungsbedingungen vor, bei denen die Entwicklung und der Einsatz der menschlichen und von Menschen bewegten Produktivkräfte im Wesentlichen auf Grundlage eines (welt-) gemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements zu regeln wäre, und die Realisierung gemeinsam erarbeiteter Produktions- bzw. Nachhaltigkeitsziele im Vordergrund stünde. Obwohl es hier in der Hauptsache um sehr bestimmte soziale bzw. ökologische Ziele und Kosten ihrer Realisierung ginge, also immer auch um die Entwicklung und den Einsatz bestimmter, sehr konkreter Fertigkeiten, mag trotzdem von Interesse sein, wie viel Arbeitsvermögen insgesamt bewegt bzw. eingespart werden kann. Der Punkt ist, dass nicht länger allgemeiner Arbeitsaufwand und Ersparnis für private, also nicht mitmenschlich  vermittelte  Bedürfnisse und  Fertigkeiten  vollautomatisch über das Wohl und Wehe entscheiden.

Würde  die sukzessive Ausdehnung von arbeitsfreier Zeit oder des Umfangs freiwilligen Arbeitens als allgemeine Nachhaltigkeitsziele verabredet, müsste von Interesse sein, welchen Durchschnitt an Arbeitszeit bzw. welchen Zugewinn an Freiwilligkeit überhaupt möglich wäre. Ähnliches würde für den Fall gelten, dass etwa anknüpfend an der von Frigga Haug ausgearbeiteten Vier-in-Einem Perspektive Gleichstellungsziele bestimmt würden hinsichtlich dessen, wie Arbeitszeit für bestimmte Arbeitsbereiche idealerweise aufzuteilen wäre. Wie viel Kraftanstrengung sollten Männer und Frauen gleichermaßen im gesellschaftlichen Durchschnitt für Herstellung und Wiederherstellung der zum guten Leben benötigten Produktions- bzw. Konsumtionsmittel leisten? Wie viel für gesellschaftliche Entwicklungsarbeit? Wie viel für unmittelbare mitmenschliche Beziehungsarbeit (Hausarbeit, Kinder aufziehen, Freunde und Angehörige pflegen usw.)? Und wie viel für das eigen Wohlergehen und dem Aufbau eigener sozialer Kompetenz? Es ginge dann einerseits um einen Pool allgemein menschlicher Arbeit, andererseits um Besonderheiten hinsichtlich der vier genannten Bereiche – in beiden Fällen Abstraktionen von der konkret geleisteten Arbeit.

In welcher Hinsicht hier Arbeit auf welcher Abstraktheitsstufe betrachtet und auch tatsächlich eine Rolle spielen würde, wäre allerdings Element eines überwiegend nach gemeinsam bestimmten Regeln verlaufenen und nach gemeinsamen Zielen hin bewusst ausgerichteten Akt, der darauf angelegt wäre, die wesentlichen Implikationen des menschlichen Tätigseins hinsichtlich sozialer bzw- ökologischer Voraussetzungen und Wirkungen reflektieren und tatsächlich berücksichtigen zu können. Die Vergesellschaftung der Arbeit bzw. deren Voraussetzungen und Ergebnisse (einschließlich ihrer nicht intendierten Nebenwirkungen) vollzöge sich also nicht länger hinterrücks mittels Wettbewerb einander fremder Produktionsmittel- Kauf- oder Produktivkraftvermögen um die Möglichkeit, zwecks der eigenen Vermehrung private Bedürfnisse aller Art befriedigen zu können, ohne für die sozio-ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen interessieren zu müssen.

Arbeitsmittel und die Perspektive ihrer (welt-) gemeinschaftlichen Bestimmung

Im Übergang zu kommunistischen Interaktionsbedingungen (verstanden als Ermöglichung gemeinschaftlich abgestimmter und verantworeter Interaktionen) gewänne an Interesse, was an welche Art Reichtümer und Mitteln der Existenzsicherung welcher Arbeitsaufwand wie und wo und zu wessen Gunsten oder Nachteil  schaffen oder zerstören kann. Das hinge allerdings am wenigsten vom nackten Arbeitsvermögen derer ab, die die dafür notwendigen Arbeiten zu verrichten haben. Deren individuellen „Produktivkräfte“, d.h. deren individuellen Möglichkeiten zur Herstellung von Gegenständen oder Prozessen, die Menschen für sich nutzen wollen bzw. müssen, hängen vor allem von den außerhalb ihrer Körper vergegenständlichten Produktionsmitteln -techniken bzw. -bedingungen ab, ohne die das im eigenen Körper gebildete individuelle Arbeitsvermögen nichts ausrichten könnte.

Auch wenn das im Wissen und in den menschlichen Fertigkeiten, einem höheren Bildungsgrad usw. verkörperten „variablen Kapital“ immer wichtiger wird, ist die mit der Produktivkraftentwicklung vermehrte menschliche Schaffenskraft im Wesentlichen in verbesserten oder vermehrt eingesetzten Arbeitswerkzeugen, Maschinerie, Infrastruktur, Forschungs- und Bildungsinstitutionen usw. vergegenständlicht. Der Grad an gesamtgesellschaflicher bzw. ökologischer Vernunft (= Zweckbestimmungskompetenz), mit der die wachsende Möglichkeiten (Mittel der Existenzsicherung und Bereicherung zu produzieren, vor allem aber auch, Schaden anzurichten) angewandt und weiterentwickelt werden können, hängt außer vom Wachstum der technologischen bzw. geistigen Leistugsfähigkeit davon ab, wieweit es gelingt, die Interaktions- bzw. Behauptungsbedingungen den neuen Möglichkeiten menschlicher Kraftentfaltung anzupassen. Das hängt von sehr vielen Umständen ab, ist aber auch eine Sache der Kräfteverhältnissen zwischen denen, die die wachsenden Möglichkeiten für ihre private Zwecke nutzen und dabei gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch mehr oder auch weniger (un-) vernünftiges leisten, und etwa solchen, die vor allem neue Möglichkeiten der Realisierung sozialer bzw. ökologischer Zweckbestimmungskompetenz in Sinne haben – und dabei ebenfalls  mehr oder auch weniger Vernünftiges tun und lassen.

Marx:

In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen.

Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußtseinsformen entsprechen. (…)

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten.

Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.(…)

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.(…)

Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, antagonistisch nicht im Sinn von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab.

Marx: Zur Kritik der politischen Ökonomie, MEW Bd. 13, S. 8-9

Bleibt die Frage, wann die produktivitätsteigernde Wirkungsautomatik des privateigentümlich motivierten Wettbewerbs „die materiellen Existenzbedingungen“ soweit verbessert haben wird, dass die Menschheit tatsächlich beginnen kann, über gemeineigentümliche Formen des Austausches nachzudenken und die Etablierung entsprechend höher entwickelter (= in gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Hinsicht mitmenschlich bestimmter) Produktionsverhältnisse ins Auge zu fassen?

Das zu bestimmen scheint nicht so ganz einfach zu sein. Marx selbst hatte sich bereits mehrmals am unmittelbaren Vorabend einer Epoche sozialistischer Revolutionen gewähnt und dachte (aus heutiger Sicht unverständlich), dass es nicht mehr lange dauern könne, bis die bevorstehenden Umwälzungen Schluss mit den grundlegenden Gegensätze der privateigentümlichen Vergesellschaftung machen würden. Die sich auf Marx berufenden Einparteienregimes des 20. Jahrhunderts offenbarten dann die – im Wortsinne – schreckliche Wahrheit ihres eigenen diesbezüglichen Irrtums.

Ein historischer Schnellschuss mit fataler Langzeitwirkung

Anknüpfend an Krisen noch weitgehend feudalistisch strukturierter Großreiche, die aufgrund ihrer vormodernen, auf Großgrundbesitz aufbauenden Produktionsverhältnisse ins Hintertreffen geratenen waren und begünstigt durch die Erfahrung von Kriegen bisher ungeahnter  Zerstörungskraft, errichteten sie ein zum Teil außerordentlich mörderisches Modernisierungsregime. Ungeachtet ihrer „sozialistischen“ Ideale und daraus abgeleiteter Absichten und Bemühungen bzw. Phrasen steigerte der in ihren Händen konzentrierte Einsatz moderner Bereicherungsmittel (Wissenschaft, Technologie, Planung, Medien etc.) zuallererst die Produktivität des Unterdrückungsapparats, den die neuen Herren von den feudalistischen Vorgängerstaaten geerbt und nach Lenins eigenen Worten nur „ein wenig mit Sowjetöl gesalbt“ hatten. Selbst die Art der ideologischen Rationalisierung ihres Anspruchs auf Allmächtigkeit zeigte sich bei genauerer Betrachtung als die mit etwas Marx-und-Engels-Duft parfümierte Rechtfertigungsfigur feudaler Hochherrschaftlichkeit. Während die vormodernen Herren des Großgrundbesitzes darauf bestanden, dass ihnen ihr Allmächtigkeitsanspruch durch „Gottes Gnade“ gegeben sei, rechtfertigten die neuen Herren ihre totalitäre Verfügung über ihren „Großstaatsbesitz“ nun damit, dass ihre  „wissenschaftliche Weltanschauung“ ihnen das Privileg der Einsicht verliehen hat, dass ihre Herrschaft eine Notwendigkeit der Menschheitsgeschichte sei.

Die 70 Jahre währende „Omnipotenz“ der sich als sozialistische Arbeiter- und Bauernherrschaft darstellenden Sowjetmacht war allerdings strukturell außerstande, tatsächlich Prozesse des Übergangs zu „kommunistischen“ Interaktionsbedingungen in die Wege zu leiten. Das ganze Unternehmen bewies vor allem, dass die historischen Voraussetzungen für „das Ende der menschliche Vorgeschichte“ offensichtlich nicht gegeben sind, wo man ernsthaft glaubt, sie mittels geheimpolizeilich gesicherter Beglückungsdiktatur herstellen zu können. Zwar gelang die Monopolisierung der wesentlichen Existenzmittel in den Händen der „roten“ Partei, und tatsächlich existierte dieser Zustand eine halbe Ewigkeit. Dies gelang aber nur um den Preis einer Schreckensherrschaft und durch die Unterstellung sämtlicher für die  gesellschaftlichen Wissens- und Meinungsbildung wesentlichen Institutionen unter die Kontrolle parteieigentümlicher Propagandaküchen. Doch eben das zeigte auch, dass das kommunistische Versprechen einer sozialistischen Transformation ein historischer Fehlstart war.

Gerade weil die roten Zaren in der Lage waren, den realen Zynismus der Behauptung,  dass ihr gnadenlos rechthaberischer Herrschaftsapparat tatsächlich immer recht hat, als logische Widerspruchsfreiheit zu verkaufen und somit als Beweis der Richtigkeit ihres Tuns, war es ihnen strukturell unmöglich, Verhältnisse auf den Weg zu bringen, die es tatsächlich in der Tendenz allen gestattete, ihre höchstpersönlich eigenen Möglichkeiten, Ansprüche, Bedürfnisse, Ideen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten usw. in die Formulierung und Verfolgung tatsächlich miteinander (und in so fern „kommunistisch“) bestimmter Ziele einzubringen. Gerade weil sich die angeblich von keiner geringeren als der Geschichte des menschlichen Fortschritts höchstpersönlich in Amt und Würden gehievten Potentaten des Großstaatsbesitzes in der bequemen Lage sahen, bedingungslose, und noch dazu unbedingt fröhliche Unterwerfung unter ihre jeweils neusten Parteilaunen zu erzwingen, verdampften das kommunistische Versprechen zum Mittel der Beweihräucherung selbst gröbster Verbrechen und der Vertröstung auf ein kommunistisches Himmelreich. Die philosophische bzw. soziale Substanz des Versprechens wurde bald ein okkultes Gebräu aus Lügen, Zwangsmaßnahmen und Nötigungen. Wer die daraus gebauten Trugbildilder durchschaute, rief besser nicht laut aus, dass der Kaiser nackt und seine sozialistischen Mäntelchen nur eine Halluzination sei.

Dialektik des Anti-Kommunismus?

Der Antikommunismus spielte das gleiche Spiel, aber freiwillig und mit dem Kalül, dass das so gefestigte Unverständnis sozio-philosophischer Bestimmungsgrundlagen einer kommunistischen Transformationsperspektive jeden künftigen Versuch eines herrschaftsfreien Diskurses in der Sache auf ewig klingen lassen wird, als würde jemand den schlechten Scherz wagen, neue „kommunistische Verbrechen“ zu versprechen.

Es muss allerdings niemand wundern, dass der Antikommunismus das Entsetzen über den realen Schrecken ausbeutet, den  Marx‘ Zauberlehrlinge verbreitet hatten. Auch wenn Antikommunismus zuvorderst ein ideologischer Reflex zur Verdrängung innerer Widersprüche ist, der sich in einem zwanghaften Klammern an der Vorstellung eines „richtigen Leben im falschen“ äußert, wird man dem durch bloßen Anti-Antikommunismus bzw. mit bloßer Aufklärung über dessen problematische Funktion und Motivlage nicht gerecht und damit auch nicht Herr werden. Auch Antikommunismus ist nie ganz frei von Dialektik. Wie alle Ausbeutung enthält er stets auch ein mitmenschliches Potenzial, das echte Empathie und auch Sorgen um eine gedeihliche Zukunft aller kennt. Wem daran gelegen ist, dass am Ende alle gut leben können sollen, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört, täte vielleicht gut daran, nicht alle Energie für die Anklage falscher Absichten und Heucheleien des Antikommunismus aufzuwenden sondern auch nach vorhandenen oder entwickelbaren Gemeinsamkeiten im Bemühen um die Entwicklung und Verallgemeinerung ökologisch reflektierter Mitmenschlichkeit suchen.

Außdem sollten gerade Marxist*innen daran erinnern, welch hoher Preis abermillionen Menschen für den historischen Irrtum zu zahlen hatten, dass der Übergang zu kommunistischen Selbstbeherrschung menschlicher Fantasie und Schaffenskraft aus einem rückständigen Feudalreich heraus organisiert werden könnte, wenn nur „die Partei“ alles (aber auch wirklich alles) im Griff bekäme.

Demokratie, Staat, Freiheit und kommunistischer Individualismus

In kritischer Weise vergegenwärtigt gehören in diesem Zusammenhang auch die Deutungsgeschichte der von Marx / Engels vertretenen Ansicht, dass die verschiedenen Weisen der strukturellen Nötigung zur Arbeit für fremde Zwecke nur dann ein Ende finden können, wenn sich die Proletarier aller Länder zu einer „Diktatur des Proletariats“ formieren und als (global) vereinigte Staatsmacht über alle wesentlichen Produktionsmittel bestimmen können. Der Kern der These, die Lenin aufgriff und seinen aparten Vorstellungen und Möglichen anpasste, war, dass eine solche Machtbasis notwendig sein würde, damit sich ausreichend Menschen aus der Lohn- und Gehaltsabhängigkeit lösen und sich somit in die Lage versetzen können, das Projekt des sozialistischen Übergangs zu ihrer höchstpersönlich eigenen Sache zu machen, d.h. tatsächlich auf eine weltgesellschaftliche Produktionsordnung hinzuarbeiten, in der über die Entwicklung und den Einsatz der wesentlichen Produktionsmittel tatsächlich im Rahmen (welt-)  gemeinschaftlicher Abstimmungsprozesse entschieden werden kann.

Das Emanziationspotenzial dieser Perspektive zu ergründen, sollte m.E. heute in zwei Richtungen gehen. Einerseits müsste die Essenz der hier angedeuteten Vorstellungen Marx/Engels von der Notwendigkeit und Gestalt (politischen Verfasstheit, Klassencharakter) einer sozialistischen (oder wie auch immer benannten) Übergangsgesellschaft (zu kommunistischen Interaktionsbedingungen) herausgearbeitet und die Frage erörtert werden, was davon vor dem Hintergrund der heutigen Erfahrungen, Erkenntnisse und Herausforderungen zu „retten“ und was ausdrücklich zu verwerfen ist.

Zum anderen gehört Lenins Weg in die Katastrophe nachgezeichnet und ergründet, welche Rolle von vornherein schiefe Vorstellungen von einer Diktatur des Proletariats, die Verachtung bürgerlicher Freiheiten bzw. Rechtssicherheit usw.  dabei gespielt haben mag.

Das ist ein weites Feld. um es erfolgreich beackern zu können, reicht es nicht, zu erklären, warum die bisherigen Methoden, es zu beackern falsch sind. Auch wenn man mit Aussagen über zukünftig zu Tuendes immer – mehr oder auch weniger – schief liegen wird, Entwicklungsziele bzw. -erartungen stets hinterfragt und von vorn herein klar sein muss, dass sie immer wieder ein Stückweit gerade gerückt werden müssen, müssen doch auch Aussagen über Ziele anstehender bzw. für die Zukunft erwarteteter Transformationsprozesse gewagt werden.

Unter welchen Umständen, auf Grundlage welcher Errungenschaften, Hemmnisse, Erfahrungen usw. können sich die nötigen Emanzipationsbedürfnisse und -fertigkeiten entwickeln? Welche Standards sind unhintergehbar? Welches Zusammenspiel zwischen der Entwicklung sozialer Möglichkeiten und politischer Macht scheinen vertretbar oder vielmehr unvertretbar, zielführend oder nie und nimmer bzw. möglicherweise nicht zielführend? Dazu gehört die Suche nach Antworten auf die nicht unwesentliche Frage, wie sich die in jeder (!) politischen Richtung immer auch angelegten Dispositive totalitärer Menschenfeindlichkeit erkennen und bannen lassen.

Egal ob man den Übergang zur tatsächlichen, d.h.  zur weltgemeinschaftlichen Menschheitsgeschichte „Sozialismus“ nennen wird oder sonst wie: Ohne Frage wird eine besondere historische Phase des Übergangs notwendig sein, in der die Herstellung (öko-) kommunistischer Interaktionsbedingungen allmählich zum (welt-) gesellschaftlich vorherrschenden Entwicklungsprozess wird. Es muss darüber geforscht und gestritten werden, welche Rolle dabei – auf welche Weise – staatliches Eigentum an Produktionsmitteln spielen kann bzw. welche anderen Formen der gesellschaftlichen Bestimmung von Produktionszwecken, -mitteln oder -bedingungen den Weg zur gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Vernunft vielleicht besser ebnen bzw. beschützen könnten. (Allein, weil die Herausforderung international ist.)

Vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit Zwangsvereinigungen aller Art im vermeintlichen Auftrag eines metaphysischen Allgemeinwohls, Weltgeistes, Berufs, Fortschritts usw. ist vor allem eins zu sagen: wer zur Herstellung einer tatsächlich als eine solche handlungsfähigen Menschheit beitragen und zu diesem Zweck Marx/Engels ökohumanistischen Kommunismus ins Spiel bringen möchte, wird mit einem vormodernen Antiliberalismus brechen müssen, der die Errungenschaften der kapitalistischen Moderne verachtet, statt daran emanzipationsproduktiv anzuknüpfen.

Ziele können nicht wirklich gemeinsame Ziele sein bzw. werden, die nicht von den beteiligten Individuen, Gruppen, Einrichtungen usw. tatsächlich auch selbst hinterfragt, abgewogen, notfalls verändert  und am Ende für gut oder zumindest – um der Einigung Willen – für tragbar befunden wurden. Die kommunistische Vereinigung freier Menschen, ob über die Integration in weltgemeinschaftliche Zielsetzungen und Instanzen oder über Stigmergie-Prozesse einer interaktiven Vernetzung,  verlangt ein Höchstmaß an individueller Entscheidungsfreiheit, Kompetenz, Einsicht, Verantwortung, Willenskraft, Kreativität usw. Kommunismus ist nur als selbst mitverantwortete Vergemeinschaftungsprozesse moderner, d.h. freiheitlicher, selbstbewusster Individuen denkbar, deren Lebenselexir der herrschaftsfrei Diskurs ist bzw. dessen materielle, soziale, kulturelle usw. Voraussetzungen. Kommunistische Formen der Verfügung über die wesentlichen Mittel der menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung können nur als solche funktionieren, soweit sie Experimentierfreudigkeit und angstfreien öffentlichen Meinungsstreit förderlich sind. Diese Dinge zu ersticken und die „Entfremdung“ auf die Spitze zu treiben, kann deshalb nur ein Indikator der Nichtexistenz eines sozialistischen Übergangs sein.

Lenin hätte die folgenden Worte aus Marx/Engels Kritik der Deutschen Ideologie eine Warnung sein können:

Diese »Entfremdung«, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden.

Damit sie eine »unerträgliche« Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus »Eigentumslos« erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandenen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandene empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der »Eigentumslosen« Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat.

Marx/ Engels, die Deutsche Ideologie, MEW 3, S.

Diktatur des Proletariats oder Proletarisierungsdiktatur?

Der ohne „weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen“ gestartete Stalinismus hat „die ganze alte Scheiße“ nicht erneuert. Er sah sich vielmehr genötigt, sie erst herzustellen. Mehr noch als ein lehrreich verunfallter Teil der menschlichen Ideengeschichte war der Stalinismus ein historisches Phänomen, das auf seine sehr spezifische Weise strukturelle Voraussetzungen für die Industrialisierung des ehemaligen Zarenreichs schuf. Die stalinistischen Gewaltexzesse (und die sehr spezifische Art, diese als menschheitsgeschichtliche Großtat zu rationalisieren) erlaubte es den Machthabern, riesige Menschenmassen aus ihren vormodernen Existenzbedingungen zu lösen um auf diese Grundlage den Übergang zu einer Modernisierungsdiktatur zu erzwingen, deren „historische Mission“ nicht die Überwindung sonder die Erzwingung der „Lohnsklaverei“ war..

Die der Entwicklung moderner Produktionsverhältnisse vorausgesetzte „ursprüngliche“ Trennung individuellen Arbeitsvermögens von dessen Produktionsmitteln als Mittel der eigenen Existenzsicherung war und ist nirgends ein idyllischer Prozess. Die von Freund und Feind gleichermaßen (wenn auch aus unterschiedlichen Motiven) als „Kommunismus“ bzw. „Weg zum Kommunismus“ halluzinierte Variante dieser Trennung  ist vor allem deshalb eine Besonderheit, weil deren Macher sich als sie Wegbereiter der Emanzipation aus eben dieser Trennung verstanden, sich aber genötigt sahen, jedes Bemühen, über die kapitalistischen Interaktionsbedingungen hinaus zu denken, nachhaltig zu blockieren. Das bereits im Bürgerkrieg zur mitleidlosen Terrormaschinerie geformte Amalgam aus offen und Geheimen operierenden, Repressionsorganen, die die ganze Gesellschaft unter Einschluss der öffentlichen Meinungsbildung und der ökonomischen Existenzbedingungen umfasste, und einer an die Willkür der politischen Führung geketteten Staats- und Parteikaderhierarchie war im Zuge dieses Prozesses zu einem „automatischen Subjekt“ des Schreckens geworden, zu einer nicht zu stoppenden Maschinerie, angetrieben vom vorauseilenden Gehorsam gegenüber tatsächlichen oder auch nur vorgestellten Launen und Wahnvorstellungen eines als Heiligenfigur verehrten bzw. gefürchteten Führers.

Auch nach Ende des ganz großen Terrors der unmittelbaren Stalin-Ära blockierte der nach wie vor vormoderne Herrschaftscharakter des sowjetischen Imperiums alles, was auch nur im Entferntesten in Richtung „kommunistischer“ Interaktionsbedingungen gehen könnte. Die hätte die Entwicklung nicht nur umweltbewusster und zur Mitverantwortung bereiter und fähiger, sondern insbesondere auch selbstbewusster, freier Individuen erfordert. Kommunismus geht nicht ohne einen hohen Grad individueller Wahlfreiheiten. Es muss ohne Angst vor persönlichen Nachteilen eigene Meinungen vertreten, Vorschläge unterbreitet, Bedenken vorgebracht, eigene Experimente gewagt werden können. Das Staatseigentum an Produktionsmittel, das eigentlich die materiellen Voraussetzung für das angstfreie (von Existenzangst befreite) Mitgestalten schaffen sollte, war ganz besonders vom vormodernen, postfeudalistischen Geist (und einer entsprechenden Praxis) durchdrungen. Statt Instrument zu sein wurde zum Haupthindernis einer kommunistischen Transformation.

Zeigt das sowjetische Desaster nicht gerade den gefährlichen Unsinn jeder positiven Geschichtsphilosophie? Hinterher kommt es immer anders …

Sollte man sich also tatsächlich hüten, über die radikale Kritik des bereits Bekannten hinaus zu gehen? Tatsächlich ist Utopismus, also Wunschdenken bei Ignoranz der historischen Bedingungen der Wunscherfüllung bzw. der Veränderung dessen was für wünschenswert gehalten wird, kein vernünftiger Weg. Deshalb schrieb Marx:

“Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.”

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3, S. 35

Über eine Klärung der Frage hinaus, was genau an den gegenwärtigen Zuständen aufhebenswürdig ist, müsste aber doch nach Antworten auf die Fragen gesucht werden, wer dies wie, in welchen Zeiträumen unter welchen Umständen usw. bewerkstelligen könnte. Und wie sollen diese Antworten ohne Bemühungen um eine Klärung der Frage gefunden werden, anhand welcher Merkmale sich – nach heutigem Erkenntnisstand – die Realität einer kommunistischen (bzw. öko-kommunistischen) Aufhebung der jetzigen Zustände erkennen ließe. Ein selbst auferlegtes Verbot, nach Funktion und möglicher Gestalt kommunistischer Formen der (welt-) gesellschaftlichen Zukunftsbewältigung zu fragen, hieße, auf eine Theorie in der Sache gänzlich zu verzichten und damit auf eine wissenschaftliche Behandlung der K-Frage.

Was wäre Wissenschaft ohne Theorien?

Zwar haben Theorien in der Regel auch mehr oder weniger ausgeprägte ideologische Elemente. Sie sind, werden oder bleiben Ideologie, insofern sie als unüberprüfbare Wahrheiten behauptet werden (können), sei es infolge Androhung von Sanktionen und deren Verinnerlichung, sei es durch ein überstarkes Bedürfnis, an lieb gewordene Vorstellungen festzuhalten, wie sie aus dem alltäglichen Erlebten unwillkürlich hervorgehen, weil sie die Illusion eines „richtigen Lebens im falschen“ vermitteln, Wohlbefinden garantieren, bequem sind,  usw. wo vielleicht Aufmerksamkeit für notwendige Veränderungen angebracht wären.

In Fragen der richtigen Zukunftsgestaltung ist die Gefahr des Verhaftetbleibens in Behauptungen oder Schlüssen von zweifelhafter Plausibilität, Konsistenz oder ethischer Qualität, hohem Risiko usw. naturgemäß hoch. Das Herausarbeiten und die Erörterung  von Entwicklungsmechanismen, -bedingungen, -wahrscheinlichkeiten usw. können immer nur vom bereits Bekannten ausgehen. Experimentell lassen sich höchstens einzelne Elemente ergründen, und es bleiben am Ende nur Anhaltspunkte. Der eigentliche Praxistest lässt sich nicht vorwegnehmen.

Aber hätten je Menschen Flugzeuge gebaut, hätte man sich auf die Kritik des Automobils beschränkt? Schließlich konnte man tatsächlich erst hinterher mit Sicherheit wissen, ob die Dinger wirklich fliegen? Hätte sich das Flugwesen entwickeln können ohne  dass Theorien über die mögliche Gestalt von Flugzeugen aufgestellt und geprüft worden wären? Oder ohne  dass der Frage nachgegangen worden wäre, was die Fliegerei den  Menschen bringen soll, oder wie viel Sicherheit dabei erwarten werden muss? Ist es falsch, Sicherheitsbestimmungen zu entwickeln und zu implementieren, nur weil spätere Erkenntnisse wahrscheinlich deren Weiterentwicklung erzwingen werden?

Unterscheidet uns Menschen von den anderen Tieren nicht der hohe Grad der Entwicklung und beständiger Weiterentwicklung der Fähigkeit, den möglichen Nutzen einer Tätigkeit für sich und andere gedanklich vorwegzunehmen und aus Erfahrungen zu lernen?

Marx:

Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters (= Produzenten), also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formänderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss.

K. Marx, Kapital I, MEW 23, 193 (zitiert nach dem Marx Lexikon des Marx-Forums).

Und Engels:

Wenn die Tiere eine dauerhafte Einwirkung auf ihre Umgebung ausüben, so geschieht dies unabsichtlich und ist, für diese Tiere selbst, etwas Zufälliges. Je mehr die Menschen sich aber vom Tier entfernen, desto mehr nimmt ihre Einwirkung auf die Natur den Charakter vorbedachter, planmäßiger, auf bestimmte, vorher bekannte Ziele gerichteter Handlung an. Der Tier vernichtet die Vegetation eines Landstrichs, ohne zu wissen, was es tut. Der Mensch vernichtet sie, um in den freigewordenen Boden Feldfrüchte zu säen oder Bäume und Reben zu pflanzen, von denen er weiß, dass sie ihm ein Vielfaches der Aussaat einbringen werden.

F. Engels, Menschwerdung des Affen, MEW 20, 451 (Zitiert nach dem Marx-Lexikon, des Marx-Forums)

Zur Transformationsperspektive eines ökokommunistischen Humanismus

Wir wissen heute, oder sollten wissen, dass die Geschichte der menschlichen Emanzipation aus einem Zustand, in dem im Wesentlichen kaum beherrschbare Naturgewalten über Wohl und Wehe entscheiden, ausgesprochen widersprüchlich verläuft. Die menschliche Vernunft, d.h. das spezifisch menschliche Verlangen bzw. Vermögen, Dinge oder Fertigkeiten, die für sich und andere in irgend einer Weise nutzbar sind, gezielt, d.h. zweckgerichtet her- und bereitzustellen, entwickelt sich nicht gradlinig in einem Prozess steter Höherentwicklung aufgeklärter Mitmenschlichkeit. Schon gar nicht bedeutet die Geschichte menschlicher Einsichtsfähigkeit und der Fähigkeit zum planvollen Vorgehen eine stete Weiterentwicklung ökologischer Vernunft. Mit den Möglichkeiten zum rationalen (= zweckdienlichen) Handeln, Planen und Bedenken wuchsen nicht nur die Möglichkeiten unbeabsichtigter Nebenwirkungen sondern insbesondere auch die Möglichkeit, Verbrechen aller Art zu begehen und diese zu rationalisieren.

Wer also in der menschlichen Fähigkeit zur planvollen Gestaltung der Lebensbedingungen „das menschliche Wesen“ erkennt und dafür streitet, dass sich die Menschen aus Umständen befreien, die der weiteren Entfaltung ihrer Wesenskräfte im Wege stehen, dem stellt sich unwillkürlich der Aufgabe, Leistungen auf dem Gebiet einzuordnen, wie sie im Stalinismus bzw. Hilterismus auf die Spitze getrieben waren. Es ist nicht zu übersehen, dass sich die menschliche Fähigkeit, Zwecke zu setzen und entsprechend zweckmäßig zu handeln, in der bisherigen Geschichte entlang bornierter Partikularinteressen, -bedürfnisse und -vorstellungen voneinander isoliert handelnder Akteure entwickelt hat. Der  hinterrücks ermittelte Vernunftbeweis der Wettbewerbsfähigkeit wird heute weithin als der alles überstrahlende Erfolgs- bzw. Fortschrittsindikator vernünftigen Tun und Lassens gedeutet. Aber genau der kapitalistische Siegeszug partikularistischer Vernunft der Marktgängigkeit verunmöglicht unter den gegebenen Bedingungen jede gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch rationale Zweck- und Mittelbestimmung. Diese setzte die Möglichkeit zum gemeinschaftlichen, in einer globalisierten Welt auch zum weltgemeinschaftlichen Zwecksetzen voraus.

Eben diese Möglichkeit herzustellen scheint mir das Gebot (welt-) gesellschaftlicher Perspektivfindung in den Zeiten schmelzender Polkappen. Die fortgesetzte Menschwerdung (= Entwicklung menschlicher Zwecksetzungsfähigkeit) verlangt nach fortgesetzter Mitmenschwerdung. Und die ist in hinreichender Tiefe und Breite nur mittels fortgesetzter Menschheitswerdung zu haben. Um die Bewältigung der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nach Mitmenschenart anpacken zu können, müssten die Globalisierten dieser Erde Mechanismen entwickeln können, die es ihnen erlauben, ihre unterschiedliche Bedürfnisse und Fähigkeiten vorausschauend, die gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch betrachtet guten und faulen Früchte bedenkend, mit den (mitmenschlich zu ermittelten) Kosten der Bedürfnisbefriedigung ins Benehmen zu setzen.

Zu diesem Zweck müssten die Globalisierten dahin kommen, sich als eine Menschheit zu formieren, die tatsächlich als eine solche handlungsfähig wäre, d.h. zu einer weltgemeinschaftlichen Organisiertheit, mit deren Hilfe wir uns als deren selbstbewusste Elemente in die Lage versetzen, zur hinreichend umweltbewussten Selbstbeherrschung zu gelangen und uns tatsächlich in die Lage versetzt, die weltweit sehr unterschiedliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Umstände auf ökologisch reflektierte Mitmenschenart zu managen. Einem so bestimmten neuen Zeitalter des Anthropozäns bringen uns heute aber nicht nicht in erster Linie die Bemühungen derer näher, die sich als Individuen oder Institutionen sehen, die bereits bewusst auf eine (welt-) kommunistische (bzw. wie es in deren Jargon meist heißt, „emanzipatorische“) Transformation zielen, sich aber zum Erhalt der „Jungfeulichkeit“ ihrer Idee mit der Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus oder einer unkritischen Bewunderung  spontaner Demonstrationen von „Subversion“ begnügen.

Zum gleichermaßen selbst- wie umweltbewussten Element einer (welt-) kommunistischen Transformationsperspektive dürften sich die linken Kapitalismuskritiker aber nur insoweit entwickeln können, wie sie lernen, nach dem Transformationspotenzial zu schauen, das in den notwendig widersprüchlichen und unbefriedigenden Bemühungen steckt, innerhalb der bestehenden Verhältnisse zu mehr Mitmenschlichkeit und ökologischer Vernunft zu kommen. Die Scheidelinie einer kritischen Kooperation heute entlang der Forderung nach sofortiger Verabschiedung aus der geldvermittelten Vergesellschaftung privateigentümlich motivierter Plusmachereien zu setzen, hieße, im Utopismus zu verharren. Das ersehnte Ergebnis eines – zu beeinflussenden – historischen Prozesses würde an deren Beginn zu dirigieren versucht. Das aber bedeutet in der Regel, sich von denen zu isolieren, deren Streben den Willen (und die Fähigkeiten) zur Herbeiführung der ersehnten Veränderungen in der notwendigen Breite und Tiefe überhaupt erst entwickeln könnten. Die sich als „Avantgarde der befreiten Gesellschaft“ Sehenden haben so ein perfektes Mittel gefunden, mehr Teil des kapitalistischen Konservativismus als seiner Auflösung zu bleiben.

An Marx / Engels öko-kommunistischen Humanismus (bzw. öko-humanistischen Kommunismus) anknüpfen?

Es nach Mitmenschenart auf die Etablierung (öko-) kommunistischer Interaktionsbedingungen abzusehen, kann heute nur heißen, im Sinne eines revolutionären Reformismus an die mehr oder minder redlichen Bemühungen um ein richtiges Leben im falschen ankzunüpfen und zugleich aufzuzeigen und Debatten darüber zu führen, warum es notwendig ist, darüber hinaus zu einer grundlegenden Transformation der (welt-) gesellschaftlichen Interaktionsbedingungen zu kommen und wie die nächsten Schritte in diese Richtung aussehen können. Das setzt zwar die Einsicht voraus, dass die unmittelbare Einrichtung eines globalen Nochnichtorts unbegrenzter Möglichkeiten, in dem Geld keine Rolle mehr mehr spielt und allein die Bedürfnisse regieren, in vielerlei Hinsicht ein Ding der Unmöglichkeit ist. Geldvermittelte oder nicht mit Geld vermittelte Vergesellschaftung ist zumindest gesamtgesellschaftlich aktuell nicht die alles entscheidende Frage.

Einzusehen, dass das Projekt einer sich als Weltgemeinde formierenden Menschheit erst auf Grundlage der Errungenschaften (technologischer wie soziokulturell Natur) Gestalt annehmen kann, wie sie der kapitalistischen Epoche typischerweise erwachsen, heißt aber keineswegs, etwa den Kampf örtlicher Bauernorganisationen in Senegal um den Erhalt von Gemeindeland als Grundlage gemeinsamer Verantwortlichkeit für anachronistisch zu halten und diesen Kampf nicht mit aller Leidenschaft zu unterstützen.

Die marxsche Perspektive einer weltkommunistischen Negation der kapitalistischen Negation lokaler Kommunismen (althergebrachter, bzw. bewährter Commons), einseitig als quasi-religiösen Geschichtsdeterminismus, d.h. als Himmelreichphantasie und Rationalisierung eines eurozentristischem Fortschrittsoptimismus zu sehen, wie häufig geschieht, bedeutet zumindest eine sehr einseitige und statische Deutung des marx-engelsschen Denkens.  In seinem Brief an V. I. Sassulitsch hatte Marx dargelegt, dass seiner Ansicht nach tradiertes Geneineigentum als im dörflichen Rahmen noch vorherrschende Interaktionsbedingung, solange es nicht zerstört wurde, durchaus zu Keimzellen des (sozialistischen) Übergangs zu weltgemeinschaftlichen Interaktionsbedingungen werden kann, denen zwar die technologischen oder auch soziokulturellen Errungenschaften (individuelle Freiheiten, planetarische Perspektiven usw.)  der kapitalistischen Moderne  zur Verfügung ständen, aber um die gemeineigentümliche Basis bewahren helfen könnten statt sie zu zerstören.

Bei der Analyse der Entstehung der kapitalistischen Produktion sage ich:

»Dem kapitalistischen System liegt also die radikale Trennung des Produzenten von den Produktionsmitteln zugrunde… Die Grundlage dieser ganzen Entwicklung ist die Expropriation der Ackerbauern. Sie ist auf radikale Weise erst in England durchgeführt… Aber alle anderen Länder Westeuropas durchlaufen die gleiche Bewegung.« (»Le Capital«, édit. française, p. 315)

Die »historische Unvermeidlichkeit« dieser Bewegung ist also ausdrücklich auf die Länder Westeuropas beschränkt. Der Grund dieser Beschränkung wird in folgendem Passus des Kapitels XXXII angeführt:

»Das Privateigentum, das auf persönlicher Arbeit gegründet ist…, wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum, das auf der Ausbeutung der Arbeit andrer, auf Lohnarbeit gegründet ist.« (l.c. p. 341.)

Die im »Kapital« gegebene Analyse enthält also keinerlei Beweise – weder für noch gegen die Lebensfähigkeit der Dorfgemeinde, aber das Spezialstudium, das ich darüber getrieben und wofür ich mir Material aus Originalquellen beschafft habe, hat mich davon überzeugt, daß diese Dorfgemeinde der Stützpunkt der sozialen Wiedergeburt Rußlands ist; damit sie aber in diesem Sinne wirken kann, müßte man zuerst die zerstörenden Einflüsse, die von allen Seiten auf sie einstürmen, beseitigen, und ihr sodann die normalen Bedingungen einer natürlichen Entwicklung sichern.

Marx, Brief an V. I. Sassulitsch MEW, Berlin 1962, Band 19, S. 242-244.zitiert nach

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Marx,+Karl/Brief+an+V.+I.+Sassulitsch

Dass auch viele Akteure des bekennenden Anti-Kapitalismus (darunter nicht wenig Marx-Kundige) von solch einer „Geschichtsphilosophe“ nichts wissen wollen, und stattdessen verlangen, sich auf die Kritik bestehender Unmöglichkeiten zu beschränken, schützt sie vielleicht vor dem womöglich als peinlich oder bedrohlich empfundenen Vorwurf, Geschichtsdeterminismus zu vertreten oder gar gläubige Kommunist*innen zu sein, die als Wissenschaftler*innen nicht ernst genommen und von denen keine brauchbaren Theorien erwartet werden können. Schweigen, um dieses Risiko zu vermeiden, schützt aber auch vor der Notwendigkeit, sich mit den zweifellos falschen Konzepten bisheriger Himmelsstumversuche gebührend kritisch-analytisch und vor allem auch selbstkritisch auseinanderzusetzen. Die daraus resultierenden Defizite und Unsicherheiten wiederum dürften die Entwicklung der notwendigen Balance blockieren zwischen einerseits emanzipationsproduktiver Anschlussfähigkeit und Teilhabe an der Kunst des hier und heute Menschenmöglichen und andererseits der Aufgabe, den Willen und die Fähigkeit zu stärken, das noch Unmögliche zu schaffen, d.h. zu einer als solche tatsächlich handlungsfähigen Menschheit zu kommen. Kann diese Balance aber nicht erreicht und gehalten werden, gerät Anti-Kapitalismus zum altklugen Kritikastertum.

Ohne diskursive Suche nach einer für – idealerweise – alle nachvollzehbar gangbaren Transformationsperspektive von einer Art, die erwarten lässt, auch die in ihr selbst mit Sicherheit angelegten Dispositive totalitärer Menschenfeindlichkeit aufzuspüren und aktiv zu bekämpfen bzw. deren aktive Bekämpfung zuzulassen, ist Kapitalismuskritik in Gefahr, zur konservativen oder gar reaktionären Kraft zu mutieren. Die immer neue Skandalisierung immer neuer Beispiele für Betrug, Gefahr, Elend, Krise, Katastrophe und Verblendung wird zum Lebenselexir (um nicht zu sagen Kapital) des Anti-Kapitalismus. Schließlich müssen Anti-Kapitalist*innen nichts auf der Welt mehr fürchten, als dass diesseits dessen, was im anti-kapitalistischen Jargon „befreite Gesellschaft“ heiß, Fortschritte ökologisch reflektierter Mitmenschlichkeit erreicht werden. Deren Realität oder Möglichkeit müssen konsequenterweise ignoriert, schlecht geredet und am Ende sogar bekämpft werden. In der Folge stellt sich der bekennende Anti-Kapitalismus genau der gesellschaftlichen Substanz (genau den Produktivkräften) entgegen, deren – näher zu bestimmende – Weiterentwicklung allein die ersehnte Befreiung aus der privateigentümlich bzw. national oder sonst wie bornierten Vernunft bewerkstelligen könnte, die die ökonomischen Verhältnisse der Menschen den Charakter einer unbeherrschbaren Naturgewalt verleihen.  .

Was tun?!

Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun. Wie könnten sich linke Anti-Kapitalist*innen aus dem Elend ihrer selbstverschuldeten Perspektivlosigkeit befreien? Helfen könnte etwa, Althussers Verdikt der Unwissenschaftlichkeit jeglicher Bemühungen zu hinterfragen, einen sozialistischen (bzw. kommunistischen) Humanismus zu entwickeln, der an bestimmte Aussagen in Marx Frühschriften anknüpft. Nicht alle positive Bezugnahme auf die spezifisch menschliche Fähigkeit, ein gesellschaftlich nachgefragtes Nutzpotenzial gezielt herzustellen (und dabei vorherige Erfahrungen zu verarbeiten) ist idealisierender Essentialismus, der von einem per Wunschdenken konstruierten Menschenbild ausginge.

Wer mit Althusser glaubt, dass Theoriebildung zum Zwecke der Begründung einer gesellschaftlichen  Perspektive jenseits kapitalistischer Interaktionsbedingungen nur mit „den wissenschaftlichen Begriffen des reifen Marx“ wie Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse möglich sei und Begriffe wie Humanismus oder Entfremdung, weil nun einmal  „ideologische Begriffe“ des noch unreifen, vormarxistischen Marx, zur Theoriebildung gänzlich untauglich, der bringt sich um die Chance einer Theorie, die Notwendigkeit, Möglichkeiten und mögliche Gestalt eines transformationsproduktiven Zusammenspiels von Entfremdung bzw. Ent-Entfremdung, Humanismus, Produktivkraftentwicklung, Produktionsverhältnissen –  und Kommunismus ergründet.  Aussagen des frühen Marx liefern dazu durchaus wertvolle Anknüpfungspunkte.

„Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d. h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus Humanismus, als vollendeter Humanismus Naturalismus, er ist die „wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.“

Marx/Engels: Philosophisch-Ökonomische Manuskripte, MEW 40, Seite 536 (Zitiert nach Kulturkritik)

Das sieht zunächst tatsächlich aus, als sei hier „dem Menschen“ (bzw. dessen Weltvernunft) eine Art göttliche Natur und dieser ein Entwicklungskonzept unterstellt, nach dem sich das menschliche Wesen im wirklichen, irdischen Leben der Interesssensgegensätze geistiger und körperlicher Arbeit usw. notwendigerweise von der Reinheit des unterstellen Idealzustandes entfremdet, sich aber Kraft eben dieses Widerspruchs hinterlistig fortentwickelt und schließlich zur „an und für sich vernünftigen“ Lebenswirklichkeit des endlich tatsächlich menschlich gewordenen Menschen werden muss.

Deshalb sehen so viele auch der linken Kapitalismuskritiker*innen in der Marx/Engelsschen Vorstellung einer auf weltgemeinschaftliche Übereinkünfte gründenden „weltkommunistischen“ Negation der klassengesellschaftlichen (standesgesellschaftlich-feudalistischen, später nationalstaatlich-kapitalistischen) Negation „urkommunistischer“  Interaktionsbedingungen (die auf lokalem Gemeineigentum gründen) nur die Fortsetzung einer Vorstellung von Geschichte als Verwirklichungsgeschichte eines willkürlich (oder unwillkürlich, jedenfalls ideologisch und keinesfalls wissenschaftlich) bestimmten menschlichen Wesens. Und dass jede darauf Bezug nehmende Theorie des Humanismus (aber auch des Kommunismus) deshalb einer quasi religiösen Heilserwartung auf ein kommendes Himmelreich gleichkäme – möglicherweise brauchbar oder gar notwendig, aber fern aller Wissenschaftlichkeit!

Ententfremdung von Philosophie, Wissenschaft und sozialer Bewegung?

Dabei wird allerdings übersehen, dass sowohl Marx als auch Engels sich zeitlebens sehr intensiv um einen wissenschaftlichen Zugang zur Frage des spezifisch Menschlichen und dessen Entwicklungsperspektive bemüht waren und die in ihrer Zeit zur Verfügung stehenden Ergebnisse ethnologischer bzw. anthropologischer Untersuchungen,  ausgiebig studiert und ausgewertet hatten – einschließlich solcher, die die „Mensch-Natur-Verhältnisse“ behandeln.

Lassen wir fürs Erste denKommunismus als vollendeter Naturalismus Humanismus, als vollendeter Humanismus Naturalismus“ bzw. als „die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung“  beiseite. Über die verschiedenen Phänomene von „Entfremdung“ sei aber bereits gesagt, dass sie keineswegs als Abweichung von einem Zustand verstanden werden, der ideologisch (d.h. willkürlich oder unwillkürlich, in keinem Fall aber auf Basis wissenschaftlich erhobener Fakten und deren herrschaftsfreier Erörterung) als ein allzeit und einzig „dem menschlichen Wesen“ gerecht werdender Zustand bestimmt ist.

Was bedeutete also die  Frage nach Aufhebung von Entfremdung in einer Theorie der Notwendigkeit einer ökohumanistischen Kommunismus?

Es gilt zu erkennen, dass „Entfremdung“ mehr ist als ein ungutes Gefühl des Unheimlichen, Unwahren, Isoliertseins, usw. Aus in dieser oder jener Hinsicht individuell meist durchaus vernünftigen ( = zweckdienlichen) Gründen wird die Entfremdung von den Voraussetzungen und Wirkungen des eigenen Tun und Lassens immer wieder auch als äußerst befreiend empfunden. „Entfremdung, um den Philosophen verständlich zu bleiben“ (Marx) befreit von der Last, für alles und jedes gerade stehen zu müssen. Sie ermöglicht unbekümmertes Ausbeuten fremder Ressourcen. In ihrer Gestalt als freier (von geschäftsschädigender Mitmenschlichkeit befreitem) Wettbewerb privateigentümlich aufgestellter Plusmachereien verhilft „die Entfremdung“  (= Befreiung von Mitverantwortung für die Produktionsbedingungen und deren weitere Entwicklung) der Produktivkraftentwicklung zu stets neuen Rekorden. Das Entfremdungsphänomen Wachstumsautomatik sorgt für den Ausbau und die Diversifizierung der sozialen Möglichkeiten und die darauf aufbauende Entwicklung vielseitig ausgebildeter Persönlichkeiten, deren Genussfähigkeit bzw. -bedürftigkeit zur Basis wiederum neuer Geschäftszweige wird. All das gehört zum „ganzen Reichtum der bisherigen Entwicklung“. 

Wenn wir also mit Marx/Engels vom Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums“ reden (bzw. von der Notwendigkeit, Möglichkeiten und möglichen Gestalt einer kommunistischen Aufhebung der privateigentümlichen Borniertheit, mit der heute über die Entwicklung und den Einsatz der zur menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung notwendigen Mittel entschieden wird), sprechen wir tatsächlich besser nicht von „der Aufhebung menschlicher Selbstentfremdung“ und schweigen auch von einer „wirklicher Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen“. Reden wir stattdessen von den Menschen in Plural und fragen nach den heutigen Grenzen privateigentümlich bzw. nationalkapitalistisch beschränkter Vernunft ( = Zweckdienlichkeit) hinsichtlich weitergehender gesellschaftlicher Zwecke.

Nehmen wir das auf der Ebene anerkannter Zivilisierungsagenturen des Kapitalismus derzeit wohl – aus (öko-) kommunistischer Sicht – am Weitesten entwickelte Postulat einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsperspektive, geboren aus der Not, einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen für die Entwicklung und Anwendung der menschlichen bzw. von Menschen dirigierten Produktivkräfte zu schaffen, der in die Lage versetzt, das ins Ungeheuerliche gewachsene destruktive Potenzial des heute Menschenmöglichen im Zaum zu halten.

Ich meine das von den Vereinten Nationen ausgerufene Postulat der nachhaltigen Entwicklung. Es gäbe viel zu deren Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte zu sagen. Darunter auch, warum Bemühungen um Nachhaltigkeit unter den derzeitigen Interaktionsbedingungen eine strukturelle Überforderung bedeuten, die zu überwinden aber gerade auch linke Kapitalismusgegner als zentrale Herausforderung betrachten sollten. Das setzte allerdings die Einsicht voraus, dass die Deutung und Nutzung des im Postulat der nachhaltigen Entwicklung enthaltenen (welt-) gesellschaftlichen Entwicklungspotenzials (welt-) gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen unterliegen, von denen jeder Einzelne ein Teil ist, und dass dies insbesondere auch für Individuen oder Zusammenschüsse gilt, die erklären, bei dem „Spiel“ nicht mitmachen zu wollen. Zwar ist es wahr: Legitimationskrisen sind die Hochzeiten herer Absichtserklärungen und blendender Politlyrik. Doch die völkerrechtliche Unverbindlichkeit der jüngst verabschiedeten UN- Nachhaltigkeitsziele und die Mängel an realistischen Konzepten zur Finanzierung adäquater Maßnahmen sind eben auch Ausdruck der (welt-) gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und der ihnen zugrunde liegenden Abhängigkeits- und Rechtsfertigungsverhältnisse. Mit Hinweis auf die Lücke zwischen Absicht und Wirklichkeit beiseite zu stehen und Heuchler! zu rufen, schwächt ausgerechnet die gesellschaftlichen Kräfte, die  an der Verwirklichung und Ausweitung / Schärfung der globalen Ziele arbeiten bzw. interessiert sein könnten.

Es ist die erwähnte Tragik des Anti-Kapitalismus, dass sein strukturell unstillbares Bedürfnis, Entwicklungen die innerhalb der bestehenden Interaktionsbedingungen in Richtung einer positiven Veränderung gehen könnten, kategorisch abzuwerten, die Chance begräbt, daran zugunsten weitergehender Ziele positiv anzuknüpfen und sich so als gesellschaftliche Kraft zu etablieren, die die innerhalb der kaptalistischen Geschehens durchaus angelegte Transformationsperspektive stärkt. So wird „der Nachhaltigkeitsdiskurs“ gern als Trick der Herrschenden „entlarvt“. Es wird sich über Beliebigkeit der Interpretation und seiner Nutzung erregt und zielstrebig die schwächsten Bestimmungen von nachhaltiger Entwicklung hervorgeholt, auf die es sich am leichtesten einprügeln lässt.

Die weitergehenden Transformationsperspektiven ergeben sich aber nicht aus einer Selbstbeschränkung auf die Kritik einer in dieser Hinsicht schwachen Bestimmung. von nachhaltiger Entwicklung. Statt Deutungen zu verbreiten, die auf den Beweis der Harmlosigkeit allen Strebens „nachhaltiger Entwicklung“ und der Naivität oder der Heuchelei derer hinauslaufen soll, die von „Nachhaltgkeit“ reden, sollten linke Kapitalismuskritiker*innen lieber für eine starke Bestimmung streiten, die auf eine Verallgemeinerung radikaler Mitmenschlichkeit und ökologischer Kompezenz orientiert, die etwa die folgende Bestimmung:

Nachhaltige Entwicklung heißt, Verhältnisse zu etablieren, die es weltweit allen erlauben, gut zu leben, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört.

Zwar sagen wir nicht, dass sich durch den so erweiterten Referenzrahmen die menschliche Natur verwirklicht, die Idee des menschlichen Menschen zu sich selber kommt usw. Es lässt sich aber festhalten, dass sich die der menschlichen Natur eigentümlichen Fähigkeiten (z.B. zum vorher bedachten Herstellen eines in der Gesellschaft begehrten Zustandes, Dings, Sets an Ein- oder Aussichten der zur Übernahme persönlicher Mitverantwortung) einen erweiterten Bezugsrahmen schafft, der die Enge privateigentümlicher bzw. nationalkapitalistischer Zwecksetzungskompetenz bzw. -verantwortung hinter sich lässt und dazu veranlasst, auf die Herstellung gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch bestimmter Vernunft (= Zweckdienlichkeit) zu zielen.

In dem Postulat des frühen Marx, dass „Kommunismus“ die innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d. h. menschlichen Menschen“ sei, steckt allerdings mehr als idealistisch gesetzter Essentialismus. In ihr angelegt ist die erst später formulierte Perspektive einer Aufhebung des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen (und auf seine soziale Wirkung hin vorausschauenden) Charakter menschlicher Arbeit bei (weltweit gegenseitiger Abhängigkeit) und der privateigentümlich bornierten (und nur leidlich nationalstaatlich zivilisierten) Form ihrer Aneignung bzw. Zweckbestimmung. Subjekt der Etablierung gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftiger Formen der Aneignung, Zweck- und Mittelbestimmung ist Marx gemäß aber nicht ein kommunistischer Weltgeist, der sich zum Zwecke der Selbstfindung durch das Schattenreich der kapitalistischen Entgeisterung kämpft um schließlich als real existierende Mitmenschlichkeit zu erstrahlen.

Als Motor des Fortschritts erkennt Marx in der Tat die Entwicklung der Produktivkräfte, das heißt, die Entwicklung der historischen Möglichkeiten, Ressourcen in Dinge, Zustände oder Erwartungen umzuformen, die die menschen Individuen und andere Institutionen der Gesellschaft begehren. Angetrieben im Wesentlichen von eben den Zwängen und Grenzen der Mitmenschlichkeit, denen die kapitalistischen Geldvermehrungsagenturen ihren Drive verdanken.

  1. die kapitalistischen Unternehmen sind bei Strafe ihres Untergangs genötigt, bei ihren „Fischzügen“ stets begehrens- und preiswürdigere „Köder“ auszuwerfen als die Konkurrenz es vermag.
  2. Ein Großteil der Menschen ist existenziell darauf angewiesen, das eigene Arbeitsvermögen an die kapitalistischen Geldvermehrungsagenturen zu vermieten und die eigene Mitgestaltungskompetenz somit fremden (dafür aber zur Effizienz anstachelnden) Bedürfnissen Fähigkeiten zu unterwerfen.
  3. Für die sozio-ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des Ganzen brauchen die (längst globalisierten, d.h. weltweit voneinander abhänguigen) Akteure vorenander keine Rechenschaft abzulegen.
  4. Die Nationalstaaten, deren Regeln bzw. Gewaltmonopol das privateigentümliche Geschehen zur Vernunft (= Zweckgerechtigkeit) zu bringen hat (indem sie für zivilisierte Formen der Konkurrenz- und Klassenkämpfe sorgen) sind selbst vom Geschäftserfolg „ihrer“ Unternehmen abhängig (Steuern, Arbeitssplätze, gegebenenfalls Wählerstimmen).

Die spezifisch menschlichen Talente liegen dabei keineswegs brach. Sie werden auch nicht erst wahrhaft menschlich, nachdem sich die kapitalistisch Globalisierten zur Vereinigten Menschheit formiert und begonnen haben, ihr Für- und Voneinander „sozialistisch“ entlang gemeinsamer Ziele auszurichten. Was die menschliche Natur im Wesentlichen ausmachen mag, also der Antrieb und das Vermögen, etwas von den Mitmenschen Begehrtes zielgerichtet her- und bereitzustellen, Spielräume auszubauen und zu gestalten, für Ergebnisse der eigenen Arbeit gerade zu stehen, aus Fehlern zu lernen, gegebenenfalls füreinander zu sorgen usw. ist die ganze Zeit aktiv und entwickelt sich unentwegt weiter. Solange die Globalisierten ihr Zusammenleben bzw. -wirken aber nicht auf Grundlage eines tatsächlich weltgemeinschaftlichen Ressourcen- bzw. Nachhaltigkeitmanagement gestalten können,  wird den Menschen die Gesamtheit ihrer eigenen Verhältnisse allerdings als eine Naturgewalt gegenübertreten, die notgedrungen hingenommen oder sogar als einzig göttliche bzw. natürliche  Ordnung verehrt wird.

Gesamtgesellschaftliche bzw. ökologische Vernunft herstellen zu wollen, erscheint in dieser Perspektive als widernatürlich bzw. als vom Wunschdenken geprägter Mangel an Realitätssinn. Nicht zuletzt der als „kommunistisches Planwirtschaften“ missverstandene Staatspaternalismus des Sowjetsystems schien zu bestätigen.dass jeder Versuch, Kapitalismus durch eine höhere Ordnung ablösen zu wollen, ein Verstoß gegen die göttliche Ordnung bzw. die Natur sei und nur noch größere Imnhumanität bzw. Entfremdung hervorzubringen vermag.

Probleme, die sich aus fehlenden Möglichkeiten der Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Mitverantwortlichkeit ergeben, unintendierte Gefährdungen und Verbrechen aller Art, das Leid, das die bisherige Geschichte menschlicher Kraftentfaltung stets im Gepäck hatte, von der kolonialen Ausbeutung und Ausmerzung vorindustrialler Kulturen bis zur Industriealisierung des Mordens im deutschen Nazifaschismus, all das Schreckliche, schien deshalb – bisher – immer nur eine temporäre Abnormalität bzw. Rückständigkeit. Auch ganz ohne einen planetarischen Plan und allem Partikularismus zum Trotze (oder sogar wegen dem), hätte der Schrecken stets auch zu sozialen Innovationen anstachelt, neue Geschäftszweige entstehen lassen und am Ende doch das Gute vorangebracht.

Doch etwas ist anders in diesen Tagen.

Der ungeheuren Steigerung des Menschenmöglichen, wie sie in der sich ständig beschleunigenden Technisierung und Globalisierung und deren immer kürzer werdenden Innovationszyklen zum Ausdruck kommen, steht die offensichtliche Unmöglichkeit gegenüber, dem damit einher gehenden Möglichkeit, nachhaltigen Schaden anzurichten, angemessen entgegen zu treten, Wir erleben die Gleichzeitigkeit und das Inneinanderverschwungensein eines ständigen Zugewinns an Wohlstand, Bildung, Kommunikation, Mobilität und Weltoffenheit auf der einen und von Hunger, Gewalt, Aberglauben, Gefühlen der Perspektivlosigkeit und regionalistische Verbortheit auf der anderer Seite. Die sich rasend entwickelnde High-Tech Welt, und die mit der Auflösung ländlicher Subsistenzstrukturen einher gehenden Entwicklungs- bzw. Industrealisierungsprozesse sind Erscheinungen ein und der gleichen Gegenwart. Zwischen Nachrichten, Unterhaltung und Warenwerbung erlauben rund um die Welt verteilte Bildschirme auch Einblicke in den Überlebenskampf der letzten noch „lokalkommunistisch“ zusammenwirkende Gemeinschaften. Theorien über die Möglichkeit gerade dieser weithin als „vorgeschichtlich“ bzw. „vormodern“ angesehenen Relikte einer längst verschwunden geglaubten Welt, sich zu zentralen Akteuren der Etablierung eines modernen Für- und Voneinanders zu entwickeln, das auf Grundlage eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagements funktionierte, könnten sich unter Umständen sehr rasch verbreiten, verlieren aber anscheinend noch schneller an der menschlichen Substanz ihrer möglichen Verifizierung.

Die heute wirksamen Destruktivkräfte sind weitgehend erkannt und deren Wirkungen bekannt, Überfischung und Versauerung der MeereBodendegradation, Entwaldung, ein bedrohlicher Verlust an Biodiversität, Verelendung, die mit der unkontrollierten Urbanisierung wachsenden Megastädte mit ihren Elendquartieren, kriegerische Konflikte, und nicht zuletzt die dies alles zugleich verstärkende und übertrupfende globale Erwärmung.

Engels Beschreibung der Symptome einer sich schleichend anbahnenden Systemkrise erscheinen hochaktuell:

Die erwachende Einsicht, daß die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein Anzeichen davon, daß in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Veränderungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische Bedingungen zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt.

Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19, S. 210

Zugespitzt:

In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte (Maschinerie, Geld)…

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3,  S. 69

Und dann? Zur Erinnerung:

 Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten.

Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.

In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomische Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten.

Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären.

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.

Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind.

Marx/ Engels: die Deutsche ideologie, MEW 3, S.

Eine daran anknüpfende Theorie, die helfen könnte,  begründet und nachvollziehbar über Notwendigkeit, Möglichkeit und mögliche Gestalt der Etablierung öko-kommunistischer Interaktionsbedingungen nachzudenken, müsste einerseits nach dem technologischen Potenzial fragen, das die Herbeiführung (welt-) gemeinschaftlicher Mechanismen einer gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftige Zweck- und Mittelbestimmung des menschlichen Produzierens, (Genießens, Sorgens, Planens usw.) notwendig und prinzipiell möglich machen könnte. Andererseits stellt sich die Frage, nach „den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten.“  Also im Wesentlichen,  mit welchen Vorstellungen über Gestalt und Garantie eines guten Lebens bzw. Zusammenlebens, Recht und Unrecht usw. die neuen Interaktionsbedingungen erstritten werden.

Nach den weiter oben zitierten Vorstellungen des frühen Marx soll der sich als „Lösung des Rätsels der Geschichte“  wissende Kommunismus die „ideologische“ Form sein, in der sich die Etablierung (welt-) gemeinschaftlich mitbestimmter Interaktionsbedingungen vollziehen müsste. Dass der so charakterisierte Geist des Kommunismus in dem zitierten Absatz noch in der idealistischen Vorstellung esteckt, sich als „Lösung des Rätsels der Geschichte“ zu wissen, heißt nicht, dass der Geist der in dem Absatz festgehaltenen Aussagen, in neuer, moderner Umgebung und Gestalt nicht zu einem brauchbaren Orientierungsmittel des menschlichen Strebens nach einer Vernunft (= Zweckgerechtgkeit) werden könnte, die nicht erneut eine aufgeklärte Bestie hervorbrächte.

Dass die Idee vom Kommunismus als die eines selbstbewussten Menschheitsprojekts heute gänzlich verschwunden scheint und die Entwicklung „kommunistisch“ (miteinander) gestalteter Ziele, Standards, Vorstellungen usw. eher als unbewusst laufender Prozess.wahrnehmbar ist, sollte nach den Jahrzehnten der realen Existenz als Schreckgespenst des Kommunismus nicht verwundern. Später stellt Marx heraus, dass sich für ihn Kommunismus als ein untergründiger d.h. zunächst keineswegs bewusst als solcher erscheinender historischer Prozess formiert.

“Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.”

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie. MEW Bd. 3, S. 35

So fährt der auf diese Weise aus der Endzeitpoesieflasche befreite Geist des Kommunismus in die bereits weiter oben gestellte Frage, was genau an den gegenwärtigen Zuständen aufhebenswürdig ist, wer das unter welchen Umständen wie bewältigen könnte, und woran sich die Realität einer kommunistischen (bzw. öko-kommunistischen) Aufhebung der gegenwärtigen Zustände erkennen ließe, wenn sie denn kein Ideal sein soll, nach dem die Zukunft sich zu richten haben würde.

Eine positive Bestimmung scheint also notwendig, um den Charakter der Negation verstehen und deren Realität überprüfen bzw. deren Misserfolg erkennen zu können. Das kommunistische Wesen der Negation ist aber, so scheint es, tatsächlich nicht (natur-) wissenschaftlich sondern lediglich philosophisch als eine freiwillig gesetzte Willensäußerung bestimmbar, und somit Ausdruck menschlicher Freiheit und Fehlbarkeit. Allerdings sind zur Ergründung und Nachvollziehbarkeit der Notwendigkeit, Möglichkeit und mögliche Gestalt der philososch als  „Kommunimus“ bestimmten Aufhebung nachvollziehbare, d.h. am Ende auch überprüfbare Aussagen zu treffen. Wissenschaft kommt ins Spiel, wo es Dinge zu ergründen und zu erörtern gilt, die die in dieser oder jener Hinsicht geltende Plausibilität, Notwendigkeit, Nachvollziehbarkeit, Brauchbarkeit, mögliche Gefährlichkeit, vielleicht auch die Nähe oder Ferne zu Marx K-Verständnis  oder dem Verständnis dieser und jener Marxisten, Antikommunisten oder sonstiger Akteure zum Gegenstand haben, die eine beachtliche Meinung in der Frage vertreten, evt. entgegengehalten werden könnte.

Was am jetztigen Zustand aufhebenswert ist, habe ich weiter oben angedeutet. Das wird in einem späteren Aubau des hier nur szizzenhaft Dargelegten näher, d.h. anhand der zur Verfügung stehenden Fakten, ausgeführt werden. Zusammenfassend könnte man sagen, dass der heutige Stand der Produktivkraftenwicklung es tatsächlich notwendig erscheinen lässt, diejenigen Behauptungs- bzw. Interaktionsbedingungen aufzuheben, die zu einem unkontrollierbaren, in seinen gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Implikationen irrationalen (= unzweckmäßigen) Wachstum von Wohl und Wehe und deren Verteilung nötigen.

Eine tatsächliche, das heißt soziale „Negation“ des Mangels an Möglichkeiten zu einem gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen (= zweckgerechten) Tun und Lassen zu kommen, setzt wie erwähnt, langwierige Entwicklungsprozesse voraus, die darauf hinauslaufen, das menschliche Vermögen zur gezielten Herstellung begehrter Gegenstäde, Zustände, Fertigkeiten usw sowie zur Übernahme sozialer Mitverantwortung auf die Gesamtheit der menschlichen Interaktionsbedingungen anwenden zu können, sprich, die Sorge um die Voraussetzungen und Wirkungen des menschlichen Für- und Voneinendera in seiner Gesamtheit gemeinsam,  d.h. am Ende auch weltgemeinschaftlich zu teilen.

Was die Frage nach modernen (!) Vergemeinschaftungsformen aufwirft, die auf die Errungenschaften der kapitalistischen Äre aufbauen und ein Höchstmaß an individuellen Wahlfreiheiten, Genussfähigkeit und Bildung erlauben, zugleich aber in die Lage versetzen, hinreichend individuelle Mitverantwortung für eine gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftige (= zweckdienliche) Entwicklung wahrzunehmen.

Aufhebung des kapitalistischen Naturalismus in (öko-) kommunistischem Kulturalismus / Humanismus?

Noch einmal zurück zu Marx Flaschengeist:

„Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus Humanismus, als vollendeter Humanismus Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung.

Natürlich vollendet Kommunismus auch nicht wirklich die im Humanismus projektierte Weiterentwicklung der menschlichen Anlagen zur sozialen Produktion und diese ist auch nicht die Vollendung DES Naturalismus, obwohl er die urwüchsig-kapitalistischen Art, die Produktivkraftentwickung voran zu peitschen, zur Voraussetzung hat.

Tatsache ist allerdings: Abgesehen von gelegentlichen Katastrophen mit mehr oder minder evolutionsproduktivem Ausgang, bewegt sich die Natur außerhalb der Menschenwelt gewöhnlich in fließenden Gleichgewichten zwischen aufeinander wirkenden Kräften z.B. innerhalb und zwischen den Gattungen, zwischen Räuber und Beutetieren usw. Das gerät durch die ungeheuren Produktivkräfte außer Rand und Band, wie sie die zur menschliche Natur gewordenen Elementen „der“ Natur – und zwar unter den historischen Bedingungen der Naturgewalt Kapitalismus – hervorbringen.

Und diese nachhaltige Störung der fließenden Kräftegleichgewichte entwickelt sich unwillkürlich weiter, …

… solange die Menschen sich in der naturwüchsigen Gesellschaft befinden, solange also die Spaltung zwischen dem besondern und gemeinsamen Interesse existiert, solange die Tätigkeit also nicht freiwillig, sondern naturwüchsig geteilt ist, die eigne Tat des Menschen ihm zu einer fremden, gegenüberstehenden Macht wird, die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 33

Stellen wir uns die Natur aus Gründen der Veranschaulichung als einen vielarmigen Jongleur des Lebens vor, dessen Geschick sich beständig entwickelt. Stellen wir uns weiter vor, dass diese mit ihren Elementen jonglierende Natur in der Lage wäre, ihre kunstvollen Würfe meist über längere Zeiträume in einem mehr oder minder fließenden Gleichgewicht zu halten.

Denn in der Natur geschieht nichts vereinzelt. Jedes wirkt aufs andre und umgekehrt, und es ist meist das Vergessen dieser allseitigen Bewegung und Wechselwirkung, das unsre Naturforscher verhindert, in den einfachsten Dingen klarzusehn.

Engels: Dialektik der Natur,  MEW Bd. 20, S. 451

Doch mit dem Fortschritt ihrer partiellen Menschwerdung drohen der Natur nun die Dinge aus den Händen zu gleiten. Einzelne ihrer mit menschlicher Raffinesse entwickelten und getanen Würfe entwickeln eine solche Produktivkraft, dass das Ganze als nicht mehr händelbar erscheint.

100 Jahre vor Entdeckung des anthropologenen Treibhauseffektes hatte bereicts Engels auf das Problem aufmerksam gemacht:

Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgenwieder aufheben.

Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, daß sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten, indem sie ihnen mit den Wäldern die Ansammlungszentren und Behälter der Feuchtigkeit entzogen.

Die Italiener der Alpen, als sie die am Nordabhang des Gebirgs so sorgsam gehegten Tannenwälder am Südabhang vernutzten, ahnten nicht,daß sie damit der Sennwirtschaft auf ihrem Gebiet dieWurzel abgruben; sie ahnten noch weniger, daß sie dadurch ihren Bergquellen für den größten Teil des Jahrs das Wasser entzogen, damit diese zur Regenzeit um so wütendere Flutströme über die Ebene ergießen könnten.

Die Verbreiter der Kartoffel in Europa wußten nicht, daß sie mit den mehligen Knollen zugleich die Skrofelkrankheit verbreiteten. Und so werden wir bei jedem Schritt daran erinnert, daß wir keineswegs die Natur beherrschen, wie ein Eroberer ein fremdes Volk beherrscht, wie jemand, der außer der Natur steht – sondern daß wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn, und daß unsre ganze Herrschaft über sie darin besteht, im Vorzug vor allen andern Geschöpfen ihre Gesetze erkennen und richtig anwenden zu können.

Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 451 – 453

Aber gerade unsere Fähigkeit, die Gesetze der Natur erkennen und richtig anwenden zu können ist zum Problem gewordeen.

Denn:

Wo einzelne Kapitalisten um des unmittelbaren Profits willen produzieren und austauschen, können in erster Linie nur die nächsten, unmittelbarsten Resultate in Betracht kommen.

Wenn der einzelne Fabrikant oder Kaufmann die fabrizierte oder eingekaufte Ware nur mit dem üblichen Profitchen verkauft, so ist er zufrieden, und es kümmert ihn nicht, was nachher aus der Ware und deren Käufer wird. Ebenso mit den natürlichen Wirkungen derselben Handlungen.

Die spanischen Pflanzer in Kuba, die die Wälder an den Abhängen niederbrannten und in der Asche Dünger genug für eine Generation höchst rentabler Kaffeebäume vorfanden – was lag ihnen daran, daß nachher die tropischen Regengüsse die nun schutzlose Dammerde herabschwemmten und nur nackten Fels hinterließen?

Gegenüber der Natur wie der Gesellschaft kommt bei der heutigen Produktionsweise vorwiegend nur der erste, handgreiflichste Erfolg in Betracht; und dann wundert man sich noch, daß die entfernteren Nachwirkungen der hierauf rerichteten Handlungen ganz andre, meist ganz entgegengesetzte sind…

Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 455

Die Natur kann ihre Mensch gewordenen Arme aber nicht zurückbilden. Als einziger Ausweg scheint zu bleiben, dass der Humanismus, den die Natur im Zuge ihrer partiellen Menschwerdung zu entwickeln hatte, sich selbstbewusst der menschlichen Disposition zum verantwortungsvollem Handeln bedient, und es aus der systemischen Beschränkung seiner Wirkungsmöglichkeiten befreit, die der mit ihren Wurfelementen jonglierenden Natur bzw. deren menschliche Arme nur voneinander isolierte Würfe gestatten. Die privateigentümliche Borniertheit der menschlichen Fähigkeit (Bedürfnisse und Notwendig), für die Voraussetzungen und Wirkungen des produktiven Tun und Lassens gerade stehen zu können muss auf das ganze Kräftespiel ausgedehnt werden.

Denn:

Wo einzelne Kapitalisten um des unmittelbaren Profits willen produzieren und austauschen, können in erster Linie nur die nächsten, unmittelbarsten Resultate in Betracht kommen.

Wenn der einzelne Fabrikant oder Kaufmann die fabrizierte oder eingekaufte Ware nur mit dem üblichen Profitchen verkauft, so ist er zufrieden, und es kümmert ihn nicht, was nachher aus der Ware und deren Käufer wird. Ebenso mit den natürlichen Wirkungen derselben Handlungen.

Die spanischen Pflanzer in Kuba, die die Wälder an den Abhängen niederbrannten und in der Asche Dünger genug für eine Generation höchst rentabler Kaffeebäume vorfanden – was lag ihnen daran, daß nachher die tropischen Regengüsse die nun schutzlose Dammerde herabschwemmten und nur nackten Fels hinterließen?

Gegenüber der Natur wie der Gesellschaft kommt bei der heutigen Produktionsweise vorwiegend nur der erste, handgreiflichste Erfolg in Betracht; und dann wundert man sich noch, daß die entfernteren Nachwirkungen der hierauf rerichteten Handlungen ganz andre, meist ganz entgegengesetzte sind…

Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 455

Beim Kommmunismus, verstanden als das (welt-) gemeinschaftliche Ergründen, Setzen, Verfolgen und schließlich Verantworten von Produktionszielen, -mitteln oder -orten usw. geht es darum, die Rationalitätsbedingungen des privat- oder auch staateigentümlichen beschränkten Vermögens, über die Entwicklung und den Einsatz der anthropogenen Produktionsmittel entscheiden zu können, und lediglich erlauben, den ersten handgreiflichen Erfolg zu schielen, im doppelten Sinne des Wortes aufzuheben, d.h. als Überwindung und Bewahrung seiner kapitalistischen Voraussetungen.

  1. Überwindung Überwuden  werden muss die weltgesellschaftliche Unbeherrschbarkeit der von der privateigentümlich dirigierten (und durch die Mechanismen nationalstaatlicher Institutionen nur notdürftig und fragil zivilisierten) Konkurrenz um die genehmste Art der Befriedigung privateigentümlich beschränkter (und entsprechend wenig sozial reflektierter) Bedürfnisse. Die darin eingeschlossne Nötigung zur steten Ausdehnung und Beschleunigung der Produktion (wie zur qualitativen Entwicklung der dabei geschaffenen Produkte) schafft neben den technologischen und geistigen Voraussetzungen auch die Notwendigkeit dafür, die weltweit sehr unterschiedlichen Entwicklungsbedürfnisse und -möglichkeiten (gegenwärtiger und künftiger Generationen oder auch die der außermenschlichen Natur) auf mitmenschliche (= kommunistische) Art mit den sozio-ökologischen Kosten ihrer Befriedigung vermitteln zu können. Es gilt also die weitgehende Naturwüchsigkeit kapitalistischer Behauptungs- bzw. Interaktionsbedingungen zu überwinden.
  2. Bewahrung  Erkenntnisse über die Menchanismen und Antriebe, die für die Effizienz, Beschleunigung, Produktinnovationen usw. sorg(t)en,  die die Ära der kapitalistischen Produktionsbedingungen charakterisier(t)en, sind nicht nur die notwendigen Voraussettzungen für die Möglichkeit eines kommunistische (öko- bzw. weltkommunistische) Umgangs mit dem heute Menschenmöglichen. Sie werden voraussichtlich sehr bewusst als Element der neuen Interaktionsbedingungen eingebaut werden.

 Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatz zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur, Seele und Leib, wie sie seit dem Verfall des klassischen Altertums in Europa aufgekommen und im Christentum ihre höchste Ausbildung erhalten hat.

Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 453

Mehr (Öko-) Kommunimus wagen 😉

13 Thesen

  1. (Öko-) Kommunismus ist keine Ware, die auf dem Weltmarkt der historischen Möglichkeiten angeboten wird  und nur noch “die Massen ergreifen” (Anm. 1)  müsste. Die Bestimmung dessen, was eine (öko-)kommunistische Perspektive sozialer Bewegungen sein soll, bedarf streitbarer philosophischer und praktischer, sozialer bzw. (welt-) politischer Anstrengungen, die allesamt auf die Wahrnehmung hinreichend gemeinsamer, (am Ende weltgemeinschaftlicher) Verantwortung zielen. Das hier Formulierte kann deshalb nicht mehr als eine Diskussionsgrundlage  unter vielen anderen bieten. Sie bedarf außerdem einer ständigen Weiterentwicklung .
  2. Als ein historischer Prozess ist (Öko-)Kommunismus Entwicklung und Verallgemeinerung der Möglichkeiten, das menschliche Produktivvermögen (und das vom Menschen beeinflussbare Produktivvermögens der Naturumwelt) (Anm 2) vermittels weltweit mitbestimmbarer Forschungs-, Reflexions- und Abstimmungsprozesse in einer gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch rationalen (=zweckgerichteten) Weise entwickeln und anwenden zu können.
  3. Da sich (öko-)kommunistische Perspektiven zunächst innerhalb der typischen Borniertheiten gegebener Verhältnisse und Vorstellungen entwickeln, sind sie niemals frei von ihnen. Kommunistisch (bzw. ökokommunistsch) wird das historisch bornierte Handeln und Bedenken der miteinander und ihrer Naturumwelt interagierenden Menschen und Institutionen stets zur etappenweise durch Zugewinn an Möglichkeiten der Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung für die wesentliche Ziele, Standards, Grenzen, Nebenwirkungen usw. des menschlichen Produzierens. (Gemeinsam auch im Sinne künftiger Generationen und unter Einbeziehung von Bedürfnissen der Naturumwelt). Sich im Gegenwärtigen entwickelnde Ansätze der Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Mitverantwortung wie etwa Ökosteuern, der ökologische Fußabdruck, Ökoaudit, strategischen Konsum, Menschenrechte, Tarifauseinandersetzungen, Nachhaltigkeitsstrategien, Green New Deal oder Commons-Nischen von der Erkenntnis sind deshalb notwendig unvollkommen. Die Erkenntnis der Lücken zwischen der ewigen Reinheit nackter Kategorien, und der naturgemäß mangelhaften Realität sozialer Bewegung darf nicht dazu verleiten, diese Ansätze mit dem Argument links liegen zu lassen, dass sie zu kurz greifende Halbheiten seien. Es wäre vielmehr  darauf zu schauen, was diese “Halbheiten” zu Zwischenschritten weitergehender Perspektiven in Richtung (welt-) gemeinschaftlicher Mitverantwortung machen kann.
  4. Die Organisation (öko-)kommunistischer Fortschritte innerhalb bestehender (bornierter) Verhältnisse und Blickwinkel verlangt nichts desto trotz nach zunehmend mehr Individuen und Institutionen, die zielbewusst die Etablieung eines weltgemeinschaftlich abgestimmten Ressourcen- bzw. Nachhaltigkeitsmanagement ansteuern, das einen sozial bzw. ökologisch vernünftigen Stoff(bedeutungs)wechsel erlaubt. Unabhängig von den dafür gewählten Worten wird menschliche Entwicklung in dem Maße eine in diesem Sinne (öko-) kommunistische, wie es den Globalisierten dieser Erde tatsächlich gelingt, Übereinkommen zu erzielen auf deren Grundlage sie die Entwicklung ihrer sehr unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten mit den regional, weltweit, heute und in Zukunft zu erwartenden Kosten sozialer bzw. ökologischer Natur (Aufwand, Risiken, Schäden wie Diversitäts- und Funktionsverluste, Leid usw.) ins Benehmen setzen – können.
  5. Die Realität eines so bestimmten (Öko-) Kommunismus als ein sozialer Prozess misst sich an erkennbaren (also auch öffentlich anfechtbaren!) Fortschritten in die beschriebene Richtung. Ein (öko-) kommunistisches Für- und Voneinander kann nur auf Grundlage sozialer Bewegung an einzelnen Punkten und der Institutionalisierung deren Erfolge wachsen und gedeihen, insofern sie sich in Richtung moderner, d.h. auf Freiwilligkeit bauender, Eigensinn wahrender  Vergemeinschaftungsprozesse der Völker – und deren Elemente – selber entwickeln – lassen. Was, wo und wer auch immer zur Entwicklung und Verallgemeinerung des Bedürfnisses, des Willens und der Möglichkeiten zur ökologisch reflektierten Zukunftsbewältigung beiträgt indem es mehr Menschen in größerem Umfang befähigt, Produktionszwecke und deren soziale bzw. ökologische Voraussetzungen und Wirkungen miteinander abzustimmen , muss immer wieder aufs Neue heraus gefunden und entsprechend voran gebracht werden – ohne dass der notwendige Blick auf das aktuell Machbare das ganze Ausmaß der vorgefundenen Problemlagen vergessen lässt und die Suche nach adäquaten Bedingungen ihrer rechtzeitigen Bewältigung aus dem Auge gerät.
  6. Dies setzt die Erkenntnis voraus, dass historische Prozesse nicht wesentlich als ein Wetteifern fertiger Konzepte oder “Begriffe” funktionieren, die nach Belieben oder infolge entsprechender Belehrungen gegeneinander ausgetauscht werden (etwa indem das vermeintlich fertige Konzept der “nachhaltigen Entwicklung”  durch das vermeintlich perfektere des “guten Lebens” oder einer “starken Nachhaltigkeit“) ausgetauscht wird).  Das Neue kann sich am Ende nur aus bestehenden Bedürfnissen, Erfahrungen, Erkenntnissen, Widersprüchen usw. mit all ihren Halb- und Widersprüchlichkeiten heraus bilden. Derzeit ist die in einer öko-kommunistischen Perspektive am weitesten fortgeschrittene Zukunftsvision die einer nachhaltigen Entwicklung menschlichen Reichtums, die darauf zielt, dass weltweit alle gut leben können ohne das dies die Grundlagen des guten Lebens aller untergräbt.
  7. Nur in steter Wechselwirkung der Organisation sozialer Fortschritte und der Reflexion ihrer (möglichen) Bedeutung in Hinblick auf die darüber hinausgehende Perspektive eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagement als Grundlage des Weltwirtschaftens kann über einen Kulturalismus mit seinen hilflosen Umdenk-Appellen hinaus gedacht und ein Miteinander etabliert werden, das tatsächlich auf eine Weltkultur der nachhaltigen Entwicklung aufbaut.
  8. Nachhaltigkeiten als eine Leitidee zu bestimmen ist eine kulturelle Leistung. Aber nachhaltige Entwicklung als (welt-) gesellschaftliche Praxis kann nicht funktionieren, ohne für diesen Zweck ausreichende Möglichkeit zur (welt-) gemeinschaftlichen Kontrolle der Entwicklung und des Einsatzes menschlicher Schaffenskräfte zu etablieren. Das heißt nicht ohne zu Formen des Weltwirtshaftens zu kommen, die gemeineigentümliche Anreiz- und Santionssystematiken beinhalten, mit denen die globalisierten Menschen sich gegenseitig nötigen können, ihre unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten ins Benehmen mit den  Mühen, Risiken oder Schäden zu setzen, die für deren Befriedigung aufzubringenden wären. (Und sei es durch eine Veränderung der Bedürfnisse selbst).
  9. Die reale Existenz (öko-)sozialistischer Formation des gesellschaftlichen Übergangs zur Möglichkeit weltkommunistischer Verantwortung bei der Formulierung, Verfolgung bzw. Garantie ökologisch vernünftiger (= zweckgerichteter) Produktionszwecke, -voraussetzungen und -wirkungen zeigt sich im öffentlichen Nachweis (!), dass die Entwicklung und Verallgemeinerung ökologisch reflektierter Mitbestimmungskompetenz tatsächlich der weltweit vorherrschende gesellschaftliche Prozess ist. (Unabhängig von der dafür benutzten Begrifflichkeit).
  10. Ohne Möglichkeit zum freien Diskurs, d.h. zur unabhängigen und öffentlichen Untersuchung und Meinungsbildung kann weder ein solcher Nachweis geführt noch dieser Prozess überhaupt zum gesellschaftlich vorherrschenden werden.
  11. Nach dieser Bestimmung würde (Öko-)Kommunismus als (welt-)gesellschaftliche vorherrschende Form des menschlichen Stoff(bedeutungs)wechsels in dem Maße Realität, wie die Teilung von Arbeit, Aneignung/Genuss, Pflege, Verpflichtungen, Privilegien  und Mitgestaltungsvermögen auf Basis (welt-)gemeinschaftlicher Abstimmungsprozesse der Völker und deren Elemente selbst funktionierten. Sie misst sich am Nachweis eines (umwelt-)bewussten Zusammenspiels von Produktion, Konsum und Entwicklung (wie von Wissenschaft Entscheidungsfindung und Alltag).  Und an überprüfbaren Anzeichen dafür, dass die aus den gegenwärtigen Formen der Arbeitsteilung unwillkürlich hervor gehende Fremdheit (Gleichgültigkeit) gegenüber den Voraussetzungen, Zwecken und Nebenwirkungen der menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung überwunden werden können.
  12. Alle bisherigen Sozialismusversuche, die sich als Übergangsgesellschaften zum kommunistischen Für- und Voneinander verstanden haben (bzw. sich im Falle von China so verstehen), sind aus dieser Sicht nicht am Überfluss sondern am Mangel an Bewegung in Richtung eines so verstandenen  (Öko-) Kommunismus gescheitert, d.h. an Möglichkeiten zur gemeinsamen (!) und (gerade in ökologisher Hinsicht) umweltbewussten Bestimmung der Produktionszwecke, -mittel, -orte, -methoden oder -mengen – und welche Risiken oder Schäden dafür in Kauf genommen werden dürfen und welche nicht.
  13. Künftige Bemühungen können versucht sein, sich aus der Verantwortung für die historischen Mängel, Irrtümer und Verbrechen bisheriger Sozialosmusversuche zu stehlen, indem sie sich des “K” Wortes entledigen. Es mag verständlich und hier oder dort auch unumgänglich sein, die beschriebe Perspektive mit einem unbelasteteren Begriff zu umschreiben. Die intendierte Wiedergewinnung der verlorenen Unschuldsvermutung könnte sich am Ende aber als Bumerhang erweisen. Die Opfer des Stalinismus mahnen zum Nachdenken über jegliche Säuberungsabsichten. Alle politischen Orientierungen haben ihre Dispositive zur totalitären Menschenfeindlichkeit. Und es gehört zu den vornehmsten Aufgaben jeglicher Bemühungen um “kommunistische” (Mit-)Gestaltungskompetenz, das in den eigenen guten Absichten steckende Gefahrenpotenzial rechtzeitig zu orten und publik zu machen.

Hans-Hermann Hirschemann

Kritik & Anregungen sind willkommen

mailhhirschelde@

Anm. 1:  Dass ausgerechnet dieser Schnappschuss des sich gerade entwickelnden Denken Marxens nicht “der nagenden Kritik der Mäuse” antheim gefallen war, ist wirklich schade. Vollkommen zurecht war  einst der Kaberatist Martin Buchholz  über die Theorie des jungen Marx hergefallen, dass “eine Theorie zur materiellen Gewalt wird, sobald sie die Massen ergreift” (zu finden in Marx “Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie”, vgl. MEW Bd. 1, S. 385)  Buchholz malte spöttisch die “Ergriffenheit der Massen” in diesem dann voraussichtlich gewaltig ergreifenden Moment aus. Der Gerechtigkeit halber muss aber erwähnt werden, dass  Marx hinzu gefügt hatte, dass die Radikalität der die Menschen ergreifenden Theorie in der menschlichen Interaktion wurzelt weil die Wurzel des Menschen nunmal der Mensch sei. Tatsächlich kann nur die Not zur Bewältigung des Alltags das Bedürfnis nach einer Theorie schaffen, die es gestattet, die (ökologisch reflektierte) menschlichen Interaktionen in einer tatsächlich mitmenschlichen Art (mit-)gestalten zu können.

Anm. 2: Naturumwelt, weil die menschliche Umwelt sowohl aus menschlich (um-)gestalteten als auch davon unberührten bzw. noch oder wenig berührten  Momenten besteht. Es ist sinnvoll, beides sowohl zusammenziehen (Umwelt) als auch unterscheiden zu können (Mitmenschen, Naturumwelt). Eine ökokommunistische bzw. ökohumanistische Art des menschlichen Stoff(bedeutungs)wechsels mag zwar mit Marx “Menschlichwerden von Natur” genannt werden, ein Prozess bei dem Natur Menschengestalt annimmt, das heißt,  ihre Weiterentwicklung bewusst gestalten kann. Aber auch ein solches “Einssein von Natur und Mensch” bedarf der Möglichkeit, zwischen mehr oder weniger oder auch gar nicht der (menschlichen) Willkür unterworfenen Elementen/Momenten des Lebens auf der Erde unterscheiden zu können.

Siehe auch

  • Wer nicht weiß, wohin mit Marx’ Perspektive der Ententfremdung, mag in meiner so betitelte Seminararbeit von 2010 nach Anhaltspunkten suchen.

Als PDF zum Download HIER Zuletzt geändert  am 24. August 2013

Nachtrag:

Nun habe ich mir so einiges von der Leber geschrieben ohne dabei – wie man an der fehlenden Literaturliste unschwer erkennt – groß nach links oder rechts zu blicken. Das Nachvollziehbarmachen der Beziehungen des hier Dargelegten zum Linksundrechtsgeschehen musste erst einmal warten. Mir ging es darum, einmal möglichst ungestört die eigenen Überlegungen zur Notwendigkeit, Möglichkeit möglichen Gestalt eines ökohumanistischen Kommunismus (bzw. eines ökokummunistischen Humanismus) zu entfalten, der ein brauchbarer Orientierungsrahmen eines grün-revolutionären Reformismus egeben könnte, wie ich ihn für notwendig halte.

Kritische Anmerkungen, aber vor allem auch Tipps über Veröffentlichkeitsmöglichkeiten,  Arbeitszusammenhänge, Forschungs- bzw. Publikationsprojekte, in die mein erzeitiges „Eigenbrötlertum“ (in dieser Hinsicht)  vielleicht gut aufgehoben wären, sind hochwillkommen.

 

 

4 Responses to Kapitalismuskritik ohne (ökokommunistische) Transformationsperspektive?

  1. andi sagt:

    Also ich würde sagen, dass bei Marx nicht schon alles steht, was die ökonomische Seite des Kapitalismus betrifft, dass die Kritische Theorie sich um eine kritische Wissenschaft von der kapitalistischen Wirtschaft nicht bemühte, sondern sich eher um die psychoanalytische Seite der Marktgesellschaft kümmerte. Nun will ich nicht in Abrede stellen, dass Kapitalismus in gewisser Weise krank ist und vor allem psychisch krank macht, aber ohne eine Analyse seiner Struktur lässt sich kein Gegenmodell aufbauen. Insbesondere die Arbeitswertlehre ist nicht geeignet, um die Marktwirtschaft zu verstehen. Man muss wohl eher von Geld und Kredit ausgehen, um sich ein Bild davon machen zu können.

    • Dass bei Marx alles schon steht, würde natürlich niemand behaupten, der einigermaßen bei Verstand ist.

      Der Begriff „Arbeitswertlehre“ kommt bei Marx übrigens nicht vor. Arbeit bzw.. notwendige Arbeit hat nach Marx keinen Wert, sondern setzt den entstehenden Produkten Wert (gesellschaftlichen Tauschwert) zu.

      Warum von Geld und Kredit auszugehen wäre, erschließt sich mir nicht.

  2. andi sagt:

    Ein funktionierendes Geld- und Kreditwesen entwickelte sich vor dem Industriekapitalismus (mitsamt Derivaten übrigens) während des 16. und 17. Jhs.. Ohne diese Finanzierungsmöglichkeiten wäre der rapide Aufstieg des Kapitalismus im 19. und 20. Jh. wohl nicht möglich gewesen.

    Qualitäten in immer größerem Umfang in pekuniäre Quantitäten umzuwandeln, könnte man so gesehen als die zentrale Verrücktheit der kapitalistischen Moderne ausweisen. Deswegen würde ich eher vom Geld bzw. Kredit ausgehen, als vom Produktionsprozess, in dem angeblich der Gewinn generiert wird, wie dies die Theorie des Arbeitswerts – oder wie auch immer die korrekte marxsche Ausdrucksweise sein mag – nahelegt.

  3. Das Kapital ist allerdings kein Geschichtsbuch, es geht um ein analytisches Verständnis der kapitalistischen Anatomie. Kredit bzw.. Geld lassen sich ohne die Wertformanalyse kaum erklären.. Arbeit hat wie gesagt keinen Wert Es ist nur so, dass bei freie Konkurrenz und vom Gebrauchswert her gleichwertigen Produkten die Werte um die sich die Preise zwangsläufig bewegen vom Arbeitsaufwand abhängen, der für die Reproduktion des entsprechenden Gebrauchswert zu veerausgaben ist.

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