Den Kapitalismus retten und den Kapitalismus zur Rettung rufen?

16. Oktober 2008

So seltsam (und fragwürdig?) es auch klingt. Tatsächlich kann derzeit „mehr (Öko-)Sozialismus wagen“ kaum mehr (sollte aber auch nicht weniger!) heißen, als sich Matthias Greffrath in seiner Taz-Kolumne vom 16.10. gegebenen Empehlung anzuschließen, „Systemalternativen im Lektürekreis zu diskutieren“ (das allerdings heftig!) und von der „Realpolitik“ zu fordern

Den Kapitalismus retten und den Kapitalismus zur Rettung rufen!

„… dachten wir nicht noch vor einem Jahr, als die IPCC-Berichte für ein paar Wochen ein Klima der Dringlichkeit erzeugten, jetzt werde ein Ruck durch die Gesellschaften des Westens gehen?

Durften wir da nicht mit einer Investitionsschwemme für Hausisolierungen und dezentrale Energien rechnen, gar mit einer öffentlich finanzierten Verkehrsrevolution und einer Vorreiterrolle des Staates beim zukunftsfähigen Umbau von Gebäuden, Städten und Regionen?

Die Chance wurde, nach reichlicher Rhetorik, vertan (…). Unter den Krisenmeldungen dieser Tage blieb für die Nachricht, dass die CO2-Werte dramatisch schneller steigen als noch vor einem Jahr angenommen, nur ein paar Quadratzentimeter. Seien wir also realistisch, stellen wir die Systemfrage nur im Lektürekreis und fordern wir das Unwahrscheinliche, aber Notwendige: die staatlichen Rettungsaktionen zu verbinden mit dringlichen Investitionsprogrammen.

Den Kapitalismus retten und den Kapitalismus zur Rettung rufen. „Greening the bail-out“ nennt Thomas Friedman das in der New York Times, das heißt so viel wie: die Rettungspakete mit grünem Inhalt füllen. Eine Woche später erschien dort eine zukunftsfrohe Reportage über höchst erfolgreiche grüne Venture-Kapital-Financiers, die sich von dezentral einsetzbaren Kleinstelektrizitätswerken für Afrika das Geschäft ihres Lebens versprechen. Und keine Probleme mit den Finanzmärkten haben.

Wenn diese Krise der Geldmärkte – die erste wirklich globale Krise, seitdem die ganze Welt kapitalistisch geworden ist – dadurch hervorgerufen wurde, dass die Billionen, die die Welt überfluteten, wenig besseres bewirkten, als Firmen zu zerlegen, Finanzspiele zu ersinnen und Überflussskonsum zu kreditieren, dann kommt es jetzt darauf an, dass Banken wieder das werden, was hochgestimmte Bänker bei Festveranstaltungen sagen: Rationale Sammelstellen, durch die Geld zu Kapital wird, das dorthin fließt, wo es gebraucht wird: in die Finanzierung von Zukunftsindustrien, Infrastrukturen und die Produktion nützlicher Dinge und nachhaltigem Wachstum, bei uns und in den ärmeren vier Fünfteln der Welt.

(…) Immer noch heißt der Teufel „Investitionslenkung“, „Vertrauen“ soll alles richten. Bis jetzt haben die Retter des Finanzuniversums nur den Finanzhimmel vorm Einsturz bewahrt; wir Spatzen, die einstweilen überlebt haben, müssen jetzt kräftig piepsen, um zu sagen, wie wir uns die Welt darunter vorstellen. Damit nichts so bleibt, wie es war“

Ok, sich als – auf Treibhausdächern – pfeifende Spatzen in die Rote Liste bedrohter Perspektiven eintragen und davon zu erwarten, Greifvögel aller Art so zu beeindrucken, dass nichts so bleibt wie es war, ist schon ein wenig zum piepen. Aber so blöd sind offenbar die Verhältnisse. Aber vielleicht gelingt es ja den „systemkritischen Lektürekreisen“, besseres auszubrüten.