1. November 2008

Viel Hoffnung grünt derzeit um einen Trend hin zur Ökologie als Privatprofit-Motiv. Im Sinne ökosozialistischer Persektiven ist das auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen. Aber man sollte nicht vergessen, dass nur eine ökologische Gesamtrechnung Auskunft über den sozialen Gewinn machen könnte. Das (sogar mit einigem Vergnügen) zu bedenken hilft der folgenden Marx-Schatz zu den Stichworten Gebrauchswert, Produktionszweck, Entfremdung, Arbeitsteilung & gesellschaftlicher Reichtum. Er wurde vom Projekt Gutenberg des Spiegels aus den Tiefen der „Marx? Kernstevergessen!“ See gehoben.

Karl Marx

Abschweifung über produktive Arbeit

Ein Philosoph produziert Ideen, ein Poet Gedichte, ein Pastor Predigten, ein Professor Kompendien usw. Ein Verbrecher produziert Verbrechen. Betrachtet man näher den Zusammenhang dieses letztren Produktionszweigs mit dem Ganzen der Gesellschaft, so wird man von vielen Vorurteilen zurückkommen. Der Verbrecher produziert nicht nur Verbrechen, sondern auch das Kriminalrecht und damit auch den Professor, der Vorlesungen über das Kriminalrecht hält, und zudem das unvermeidliche Kompendium, worin dieser selbe Professor seine Vorträge als ,,Ware“ auf den allgemeinen Markt wirft. Damit tritt Vermehrung des Nationalreichtums ein.

Weiter im Text geht’s beim Projekt Gutenberg


Auch Liberale? „So oder so“ rot war gestern.

11. Februar 2008

Wolf Bierman

„Auch Liberale werden wir befreien! So soll es sein. So soll es sein! So wird es sein!“

Es war ein typischer Biermann-Song der 70er Jahre: „So oder so, die Erde wird rot!“ („Entweder lebend rot oder tot rot!“). Der Optimismus war intelligent gebrochen. So etwas wie ein Argument lag in der Luft. Das Lied war gewiss kein Gewissheits-Agit-Prop!

Oder? Drohende Katastrophen ins Feld zu führen hat allerdings einen Nachteil. Es bleibt unklar, ob die Verhältnisse wirklich nur die Wahl zwischen „rot“ und tot“ lassen, oder wieder nur der autoritäre Zeitgeist die Regie führt für ein neues starkes Stück linker Anmaßung.

Dass Biermann die Erde in keinerlei Weise mehr „rot“ wünscht, kann – aus heutiger Sicht betrachtet – wohl als ein Fortschritt gesehen werden. Das „Argument“ war nur ein Todschlagargument. Der aus dem Song sprechende Eifer berührt – auch heutige Linke – eher peinlich! Man möchte fast froh sein, dass es weder so noch so sondern eben so kam, dass liberale Ideen den Sänger mitsamt eines Großteils seines einstigen Publikums von den einstigen Flausen befreiten.

Denn was all die „linke“ Durchhaltemusik bis dahin selten ahnen ließ: mehr Sozialismus kann es nur nur infolge frei willigen, individuellen (!) Begeherens nach sozialer Emanzipation geben. Wer waren „wir“, die „Libereale befreien“ wollten?

Wäre „linker“ Anti-Individualismus mit seinem Schreckgespenst einer „zunehmenden Individualisierung“ bereits damals auf dem Rückzug, hätten wir vielleicht gesungen:

Auch Liberale werden sich befreien!

Das ergäbe immerhin Anhaltspunkte für Diskussionen. Man könnte danach fragen, wovon sich Liberale denn nun konkret befreien sollten, wenn man ihnen angesichts schmelzender Polkappen zuruft:

Wer will, dass die Freiheit bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt!

Und nun?

Ja, fragen wir doch mal: Von welchen Freiheitsideen (und bornierten Klassenkampfstandpunkten) sollte sich der flotte Guido und die Seinen befreien?

Aber was will man einem Verein empfehlen, der sich grad in der politologischen Nische des Anti-Ökologismus räkelt – und sich dadurch im eigenen Populismus á la „Mein Geländewagen fährt auch ohne Wald!“ einigelt und deshalb auf die Fortdauer des Bedürfnisses nach kleinkindtrotziger Leugnung unangenehmer Wahrheiten angewiesen ist.

hhirschel