Stromnetzsozialismus?

29. November 2008

Attac, der Bund der Energieverbraucher und Robin Wood haben fast 10.000 Unterschriften für Stromnetze in öffentlicher Hand an die Bundesregierung gegeben. Die Taz fragt daraufhin den RoWo Energiereferent Dirk Seifert, ob Robin Wood die erste sozialistische Umweltorganisation sei.

Seifert antwortet:

Nein. Das hat nichts mit Sozialismus zu tun. Stromnetze sind ein natürliches Monopol und sie sind enorm bedeutsam für die Klimaziele, die wir erreichen wollen.

Würde ein Robin Wood Mann anderes sagen, hätte er die Behauptungsbedingungen seiner Organisation grob missachtet und seinem Brötchengeber geschadet. Als definitiv „ökosozialistische Pressuregroup“ wären Umweltgruppen weitgehend unwirksam, könnten ihre soziale Funktion nicht wahrnehmen, nämlich für eine ökologisch reflektierte (Mit-) Bestimmung dessen, was als ein gesellschaftlich zu lösendes Problem gilt und für für die Problembewältigung selbst möglichst viel soziale Kompetenz zu bilden und einzusetzen. Aus Sicht eines Ökomarx-Schatzsuche-Forums, (das von solchen Rück- bzw. Vorsichten frei assoziieren kann), ist das aber auch Grund genug, ganz entspannt nachzuhaken.

Tatsächlich sind öffentliche Straßen, Schienen oder auch Stromnetze völlig normale Elemente kapitalistischer Arbeitsteilung. Wo private Monopolbildung ein gemeinsames Geschäftsinteresse an einer kostengünstigen aber leistungsfähigen Infrastruktur gefährdet, muss das – schon aus Gründen nationalstaatlicher Konkurrenz – staatlich geregelt werden. Die Beseitigung kleinstaatlicher Zoll-Erhebnung durch Schaffung eines einheitlichen, nationalen  Rechtsraumes mit gleichen Geschäftsbedingungen war eines der treibenden Momente bei der Herausbildung kapitalistischer Produktionsbeziehungen. Öffentliche Netze im Kapitalinteresse sind zwar kein „ehernes Gesetz“ und stehen hier und da in Frage (wie etwa Diskussionen über privat finanzierte Autobahnnetze zeigen) . Doch an sich sind öffentliche Strom- , Straßen- oder Schienennetze an sich nichts Sozialistisches in dem Sinne, dass dies der Verallgemeinerung des Vermögens zur Zweckbestimmung der Produktion (und Einsatz der dafür geeigneten Mittel) dient.

Aber:

Betrachten wir (Öko-) Sozialismus – mit Marx – als Verallgemeinerung der Möglichkeit, in sozialen Abstimmungsprozessen die Methoden und Zwecke der Produktion (einschließlich deren ökologische Voraussetzungen und Folgen) mit zu bestimmen, so steckt in der staatlichen Gewalt über die Netze – natürlich – sehr viel Sozialismuspotenzial.

Zwar deckt sich an diesem Punkt – derzeit – das mit liberaler Philosophie gerechtfertigte Geschäftsinteresse kleinerer (oder potenzieller neuer) Stromanbieter an der Herstellung gerechter Wettbewerbsbedingungen durch eine Entprivatisierung der Netzgewalt teilweise mit dem sozialen Bedürfnis nach einer ökologisch reflektierten Steuerung der Nutzenergienachfrage und -gewinnung. In einer (öko-) sozialistischen Sicht zählen allerdings keine kleinlichen – und unzeitgemäßen – Grundsatzstreitereien über den Nutzen und Gefahren privaten Unternehmenrtums an und für sich, sondern einzig reale Fortschritte bei der Verallgemeinerung ökologisch reflektierender Mitbestimmungsmacht. Wenn Stomnetz besitzende Stromanbieter nicht mehr in bestimmte Überlandleitungen investieren um sich die Windenergie-Konkurrenz vom Leib zu halten, und dies die Verwirklichung notwendiger Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels verhindert, so steht mit dem – in dem Punkt – als „asozial“ identifizierten Geschäftsinteressen auch dessen soziale Bestimmungsmacht in Frage.

Und die Frage lautet: Darf sozialen Einheiten, die sich in erster Linie gegenüber ihren Aktionären zu rechtfertigen haben (sich also womöglich gegen ökologisch sehr viel fortschrittlichere Konkurrenten behaupten müssen), in einer so bedeutenden Frage wie der einer möglichst klimafreundlichen Herstellung von Nutzenergie entscheidende gesellschaftliche Bestimmmungsmacht zugestanden werden. Oder müssen nicht vielmehr Institutionen über die Entwicklung und Anwendung geeigneter Mittel zur Herstellung von Wärme, Kraft oder Beleuchtung entscheiden können, deren Rechtfertigungsbeziehungen eine Rationalität zulassen (oder erfordern), die sich aus sozialen und ökologischen Vorgaben ergibt?

Mathias Reymond, der an der Universität Evry Volswirtschaft lehrt  zeigt in der Le Monde Diplomatique vom 12.12.2008, dass allein die Zerschlagung von privaten Energiemonopolen weder für eine soziale Tarifgestaltung, noch für die Herstellung von Versorgungssicherheit und schon gar nicht der notwendigen Ökologisierung der Produktion Vorteile bringt, weil so lediglich Onigopole mit unermesslicher sozialer Macht entstehen.

Anstatt die staatlichen Energieriesen dazu zu bewegen, in Produktionsanlagen zu investieren und mit ausländischen Anbietern ins Gespräch zu kommen, hat sie [die EU] sich darauf versteift, die gewachsenen Monopole zu zerschlagen. Dabei hat dieser Dogmatismus nicht zu mehr Effektivität geführt, sondern zu einem Oligopol von privatwirtschaftlichen Unternehmen, denen die Bedienung ihrer Aktionäre wichtiger ist als der Dienst an ihren Kunden.

Eine andere Politik, die genauso europäisch, aber weniger auf die in Brüssel gepflegten Ideologien fixiert wäre, hätte sich auf den Aufbau eines einzigen Energieunternehmen im öffentlichen Dienste Europas konzentrieren sollen. Denn selbst Experten, die sonst für interventionistische Ideen nichts übrig haben, sind sich in einem Punkt einig: Die Netze stellen natürliche Monopole dar und sollten von ein und derselben Einrichtung betrieben werden.

Ein solches europäisches Monopol hätte, aufbauend auf den vorhandenen Kapazitäten ziviler Atomenergie, auf der Entwicklung erneuerbarer Energien und auf Erdgasimporte aus unterschiedlichen Ländern, den Transport, die Verteilung und zum Teil auch die Erzeugung der Energie übernehmen können. Es wäre die Chance gewesen, nicht nur die Betriebskosten zu reduzieren (eine einzige Rechnung, eine einzige Verwaltungsinstanz für alle Energieformen, keine Transaktionskosten, kein Zuständigkeitswirrwarr), sondern auch die Emission von klimaschädlichen Gasen. Doch für ein solches Projekt hätte es ein anderes Europa gebraucht.

Abgesehen von der nicht bsonders guten Idee einer auf die Nutzung von Atomenergie aufbauenden Versorgung scheint mir das doch ein richtiges Streben im Falschen.

hh

Nachtrag: nach einer Befragung des Allensbacher Instituts für Demoskopie aus dem Jahre 2008  erklärten sich 59 % der Befragten mit dem folgenden Satz einverstanden:

„Im Interesse der Beschäftigten, der Verbraucher und der Umwelt müssen Energiekonzerne in die öffentliche Hand überführt und demokratisch kontrolliert werden.“

Quelle: FAZ vom 15.11.09 S. 14

 

Links zum Strom-Oligopol

ARD Filmbericht über das Stromkartell

Deutschland im Griff der Energiekonzerne. 20 Milliarden Euro in drei Jahren – das ist der Gewinn von RWE. Der Energie-konzern mit Sitz in Essen konnte seinen Börsenkurs von 2003 bis heute verdreifachen. Ähnlich gute Ergebnisse erzielen auch die drei anderen deutschen Energieriesen E.ON, Vattenfall, und EnBW. Alleine E.ON verbuchte 2006 einen Gewinn von 7,3 Milliarden Euro

Plusminis 03.02.09: Warum die Strompreise so in die Höhe schnellen

Marx zum Thema Verstaatlichung


Sind wir des Warensinns?

23. November 2008

Über strukturelle Voraussetzungen eines hinreichenden Bedürfnisses zur Verbraucheraufklärung

marxhandy

Wer die Wahrheit übers unmittelbare Leben erfahren will, muß dessen entfremdeter Gestalt nachforschen, den objektiven Mächten, die die individuelle Existenz bis ins Verborgenste bestimmen.
Theodor W. Adorno  Minima Moralia, Reflexionen aus dem beschädigten Leben
„… der Kapitalismus ist schon in der Grundlage aufgehoben durch die Voraussetzung, daß der Genuß als treibendes Motiv wirkt, nicht die Bereicherung selbst.
Marx: Das Kapital, MEW Bd. 24, S. 123

Bei der Suche nach Antworten auf Fragen nach strukturellen Hintergründen einer bornierten „Geiz ist geil“  Moral gehören Marx Ansichten des Fetischcharakters der Ware“ auf den Tisch, der  „sobald er als Ware auftaucht, auf dem Kopf zu stehen scheint und aus seinem Holzkopf heraus Grillen entwickelt“.

In der Regel müssen moderne Bürger von Welt das zum guten Leben Notwendige weder eigenhändig der Natur ihrer unmittelbaren Umwelt abtrotzen noch müssen sie für die sozialen bzw. ökologischen Kosten gerade stehen, die das Abtrotzen mit sich bringt. Die Kaufkräftigen aller Länder scheinen auf Ewig von der Sorge befreit, ob und wie sie es schaffen, die Kräfte der Natur für die eigenen Nachkommen zu bewahren oder anzureichern. Stets volle Regale bieten keinen Anlass, sich um die Zukunftsfähigkeit der Naturkräfte zu sorgen, die das Begehrte auf ewig zuverlässig bereit zu stellen scheinen.

Auch der kleine Bürger-König-Kunde von der Straße profitiert – zunächst- von Überfischung, Bodenverwüstung oder dem Raubbau an menschlicher Arbeitskraft. Aus Sicht eines Großeinkäufers, Weiterverarbeiters oder Endverbrauchers scheinen unangenehme Folgen der Übernutzung von Naturkräften auszubleiben, solange sie durch die Erschließung immer neuer Quellen des Wohlstandes kompensiert werden können. Natürliche Grenzen des „Nachwachstums“ scheinen aufgehoben.

Endstation Warensinn?

Die vom Politikwissenschaftler Francis Fukuyama geäußerte Vorstellung vom „Ende der Geschichte“ lebt möglicherweise von dieser Illusion. Warenverkehr versetzt das moderne Bewusstsein in in eine bequeme Lage. Das Losgelöstsein von der Last der Wahrnehmung unangenehmer Voraussetzungen oder Wirkungen des Konsumierens bestimmt offenbar auch den Horizont des philosophischen Zeitgeist, der nicht sieht, dass häufig kein Gras, (Regenwald oder Fisch) mehr nachwächst, wo menschlicher Fortschritt auftritt und sich das unbekümmert als ewiger Kreislauf vorgestellte „Ende der Menschheitsgeschichte“ in einer ökologischen Abwärtsspirale bewegt.

Vielleicht war Karl Marx hier doch weitsichtiger. Für ihn beginnt (!) die Geschichte der Menschheit erst, wenn die entscheidenden Fragen des „Was?“, „Wer?“, „Wo?“, „Wie?“, Wieviel?“, „Wem?“ und „Warum?“ der Produktion – im Großen und Ganzen – in gemeinsamen Abwägungsprozessen entschieden werden können und müssen. Nur in so weit die Menschen die Freiheit besitzen, sich gegenseitig zu nötigen, die soziale und ökologische Vernunft (Verträglichkeit, Nachhaltigkeit) der beabsichtigten Produktionsziele und -methoden zu belegen, kann von einer wirklich gemeinsam handelnden „Menschheit“ die Rede sein. Wie viel Marktwirtschaft zur Herstellung einer solcherart gemeinsam handelnden Menschheit möglich oder auch notwendig ist, mag dahin gestellt sein. Fest steht: Solange eine in ihrer sozialen und ökologischen Wirkung weitgehend blinde Konkurrenz (und damit vor allem die Einsparung von Arbeitsaufwand) die Entscheidungen der Menschen über den Erfolg der Produktion (und damit de Vorsellungen ber deren „Richtigkeit“ bzw. „Rationalität“) bestimmen, treibt das den menschlichen Reichtum in einem unangenehmen Sinne „wie verrückt“ voran! Denn das Verrückte ist, dass den beteiligten Menschen der letztlich bewirkte Schaden (oder Nutzen) herzlich egal bleiben kann, solange sie selbst nicht unmittelbar betroffenen sind. Solange und soweit produzierter Nutzen (oder Schaden) jedoch als Privatsache gelten (kann), scheint auch das philosophische Denken vom Warensinn getrübt.

Geld stinkt nicht .

Warum rebelliert das menschliche (Un-) Rechtsbewusstsein so selten gegen das leichtfertige in Kauf nehmen selbst schwerer Verbrechen im Wortsinne mörderischer Produktionsbedingungen? Vielleicht fehlt es einfach an genau diesen Möglichkeiten, Produktion und Konsum gemeinsam, nach (welt-) gemeinschaftlich reflektierten Kriterien zu steuern. Denn ohne dem kann jedes Glied der globalen Produktions- und Konsumketten nur seinen borniert-privaten Vorteil (oder Nachteil) sehen mit der Folge, dass das durch Raubbau am Meer gewonnene Mehr an Meeresfruchtpizza sogar als Zugewinn an Gerechtigkeit erscheint.

Denn für mich sieht es so aus: ich habe mir die Pizza durch Arbeit redlich verdient. Ein Mehr an Pizza für das gleiche Geld ist für mich wie die Vermehrung des Ergebnisses eigener Mühen. Im Dunklen bleibt, dass nicht ich, sondern die Tier- und Pflanzengesellschaften des Meeres die Meeresfrüchte produzierten (und die endlose Kette fremder Arbeitsvorgänge, sie schließlich auf meinen Teller platzierten). Wie also soll ich riechen, dass mein Gerechtigkeitsgefühl aus Vorgängen gestrickt ist, die meine Mitmenschen arm und die Meere leer macht?

Geld stinkt nicht, und Frutti di Mare auf der Pizza schmecken nicht nach leer gefischtem Meer. Wir müssen offenbar erst mit der Nase darauf gestoßen werden.

Stinkt Geld doch?

Das geschieht etwa, wenn Greenpeace mit Tausenden der Sommerhitze ausgesetzter toter Fische, Krebse und Muscheln zeigt, dass eine Politik stinkt, die es zulässt, dass jedes Jahr allein in der Nordsee 700.000 Tonnen Meerestiere als Beifang völlig sinnlos sterben, weil sie nicht einmal im Hafen angelandet, sondern gleich wieder tot oder sterbend über Bord gekippt werden.“

Mit fair Trade zur Mitmenschlichkeit!

Aktionen für ökologisch und sozial verantwortungsvollen Konsum, wie etwa die Kampagne „Augen auf beim Blumenkauf,“ Fair Trade, umweltbewusstes Reisen, oder der Erwerb von Fisch mit Ökosiegel helfen weiter.

Die individuelle zur Kenntnisnahme und Zähmung des inneren Schweinehundes bei jeder Kaufentscheidung, die täglich mehrfache Entscheidung für oder wider höhere Warenpreise, die durch Mehraufwand für zukunftsfähige, faire Produktion notwenig werden, ist notwenig, lehr- und hilfreich.

Verantwortung öffentlicher Beschaffung

Der Effekt wäre größer, würden die öffentliche Hand und andere Großeinkäufer fair und umweltfreundlich einkaufen (müssen). Auch in diese Richtung gibt es viel versprechende Bewegung.

Zukunftsfähiges Nachfragen nach (oder durch) Mindeststandards?

Soziale und ökologische Kriterien bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder der Güter-Beschaffung durch die öffentliche Hand wären – insbesondere in Kombination mit der Frage nach der Erreichbarkeit globaler Nachhaltigkeitsziele  – ein großer Fortschritt bei der Entwicklung eines hinreichenden Willens zu einer sozial und ökologisch reflektierten Nachfrage nach zukunftsfähigen Formen der Produktion. Denn das Bedürfnis, nach der Zukunftsfähigkeit des eigenen Wohlstands zu fragen, wird sich nur in dem Maße entwickeln können, wie Regeln (und deren Anwendung) mit bestimmt werden können, die das mitmenschliche und ökologisch bewusste Handeln zur Normalität machen. Doch auch eine verantwortlich einkaufende „Öffentliche Hand“ wäre dafür nicht ausreichend.

Grad wo private Konkurrenz ums Schneller und Besser im Wortsinne mörderisch wird und sich die freundliche Dr. Jekyll Gestalt der unsichtbaren Hand privaten Aneignens zur Mr. Hyde Klaue zu formen beginnt, müssen soziale und ökologische Mindeststandards festgelegt werden, die weltweit gültig und deshalb in der Lage sind, Sozial- und Ökodumping durch drohende Sonderabgaben oder auch Verkauf von „Verschmutzungsrechten“ usw. zu verunmöglichen.

Erst die Möglichkeit zur Mitbestimmung sozialer Regeln, gibt (gäbe) Anlass, ernsthaft über die Gerechtigkeit dieser und jener Festlegung zu streiten, stachelt das Verlangen nach Informationen über die Grundlagen der zu treffenden Entscheidungen an, macht jede auch noch so privat erscheinende Nachfrage zu einem Gegenstand öffentlichen Nachfragens.

Erlöse aus „Verschmutzungsrechten“, Öko- und Sozialsteuern und -zölle (oder umgekehrt Gutschriften), die so einen Entwicklungsprozess steuern, müssten allerdings dafür eingesetzt werden, Nationen, Branchen usw., die ihre Konkurrenzvorteil bisher weitgehend aus dem Raubbau bzw. dem Mangel an sozialer und ökologischer Zukunftsfähigkeit gewinnen, den Umstieg in ein zukunftsfähiges (menschenwürdiges und naturverträgliches) Wirtschaften zu ermöglichen.

hkeulen(Globale) Notwendigkeiten und (regionale) Möglichkeiten müssen also berücksichtig und finanzielle Mittel wie Maßnahmen zur Förderung nationaler Umbauprogramme so in Zeit und Raum eingeordnet werden, dass auch die sozial und ökologisch problematisch produzierende Nationen in den Prozess einwilligen können. International gültige Mindeststandards und nationale Nachhaltigkeitsstrategien müssten also massentierhaltung macht billigHand in Hand geschaffen und finanziert werden.

Die Herstellung eines solcherart „gemeinsamen Menschheitsgeschichte“ könnte nur als Bündel geschichtlicher Prozesse geschehen, die bestehende oder bereits mögliche Ansätze fortsetzen. Das Kleine (zertifizierte Ökowaren, fair Trade oder freiwilliger Audit) darf aber nicht klein (d.h. auf privaten Goodwill angewiesen) bleiben und es käme darauf an, aus ihnen Regeln zu entwickeln, die aus der sozialen Nische, lebensweltlicher Moden und „Szenen“ heraus führen und auf Veränderungen im Großen und Ganzen abzielen.

Angesichts der rasanten Entwicklung von Nachfragemacht in Ländern wie China, Indien oder Brasilien bleibt für diese „historischen Veränderungsprozesse“ nicht allzu viel Zeit.

hh

Story of Stuff – German from UTOPIA AG on Vimeo.

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Arbeit schafft(e) den Menschen

6. November 2008

Spinnen Menschen, hatten sie einen Plan:

Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit. (…) Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.

Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 192-193

Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen

Die Arbeit ist die Quelle alles Reichtums, sagen die politischen Ökonomen. Sie ist dies – neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den sie in Reichtum verwandelt. Aber sie ist noch unendlich mehr als dies. Sie ist die erste Grundbedingung alles menschlichen Lebens, und zwar in einem solchen Grade, daß wir in gewissem Sinn sagen müssen: Sie hat den Menschen selbst geschaffen.

Vor mehreren hunderttausend Jahren, während eines noch nicht fest bestimmbaren Abschnitts jener Erdperiode, (…) ein Geschlecht menschenähnlicher Affen von besonders hoher Entwicklung. Darwin hat uns eine annähernde Beschreibung dieser unsrer Vorfahren gegeben. Sie (…) lebten in Rudeln auf Bäumen. Wohl zunächst durch ihre Lebensweise veranlaßt, die beim Klettern den Händen andre Geschäfte zuweist als den Füßen, fingen diese Affen an, auf ebner Erde sich der Beihülfe der Hände beim Gehen zu entwöhnen und einen mehr und mehr aufrechten Gang anzunehmen. Damit war der entscheidende Schritt getan für den Übergang vom Affen zum Menschen. Alle noch jetzt lebenden menschenähnlichen Affen können aufrecht stehn und sich auf den beiden Füßen allein fortbewegen. Aber nur zur Not und höchst unbehülflich. Ihr natürlicher Gang geschieht in halbaufgerichteter Stellung und schließt den Gebrauch der Hände ein. Die meisten stützen die Knöchel der Faust auf den Boden und schwingen den Körper mit eingezogenen Beinen zwischen den langen Armen durch, wie ein Lahmer, der auf Krücken geht. Überhaupt können wir bei den Affen alle Übergangsstufen vom Gehen auf allen vieren bis zum Gang auf den beiden Füßen noch jetzt beobachten. Aber bei keinem von ihnen ist der letztere mehr als ein Notbehelf geworden.

Wenn der aufrechte Gang bei unsern behaarten Vorfahren zuerst Regel und mit der Zeit eine Notwendigkeit werden sollte, so setzt dies voraus, daß den Händen inzwischen mehr und mehr anderweitige Tätigkeiten zufielen. Auch bei den Affen herrscht schon eine gewisse Teilung der Verwendung von Hand und Fuß. Die Hand wird, wie schon erwähnt, beim Klettern in andrer Weise gebraucht als der Fuß. Sie dient vorzugsweise zum Pflücken und Festhalten der Nahrung, wie dies schon bei niederen Säugetieren mit den Vorderpfoten geschieht. Mit ihr bauen sich manche Affen Nester in den Bäumen oder gar, wie der Schimpanse, Dächer zwischen den Zweigen zum Schutz gegen die Witterung. Mit ihr ergreifen sie Knüttel zur Verteidigung gegen Feinde oder bombardieren diese mit Früchten und Steinen. Mit ihr vollziehen sie in der Gefangenschaft eine Anzahl einfacher, den Menschen abgesehener Verrichtungen. Aber grade hier zeigt sich, wie groß der Abstand ist zwischen der unentwickelten Hand selbst der menschenähnlichsten Affen und der durch die Arbeit von Jahrhunderttausenden hoch ausgebildeten Menschenhand.

(…) Bis der erste Kiesel durch Menschenhand zum Messer verarbeitet wurde, darüber mögen Zeiträume verflossen sein, gegen die die uns bekannte geschichtliche Zeit unbedeutend erscheint. Aber der entscheidende Schritt war getan: Die Hand war frei geworden und konnte sich nun immer neue Geschicklichkeiten erwerben, und die damit erworbene größere Biegsamkeit vererbte und vermehrte sich von Geschlecht zu Geschlecht.

So ist die Hand nicht nur das Organ der Arbeit, sie ist auch ihr Produkt. Nur durch Arbeit, durch Anpassung an immer neue Verrichtungen, durch Vererbung der dadurch erworbenen besondern Ausbildung der Muskel, Bänder, und in längeren Zeiträumen auch der Knochen, und durch immer erneuerte Anwendung dieser vererbten Verfeinerung auf neue, stets verwickeltere Verrichtungen hat die Menschenhand jenen hohen Grad von Vollkommenheit erhalten, auf dem sie Raffaelsche Gemälde, Thorvaldsensche Statuen, Paganinische Musik hervorzaubern konnte.

Aber die Hand stand nicht allein. Sie war nur ein einzelnes Glied eines ganzen, höchst zusammengesetzten Organismus. Und was der Hand zugute kam, kam auch dem ganzen Körper zugute, in dessen Dienst sie arbeitete (…)

Die allmähliche Verfeinerung der Menschenhand und die mit ihr Schritt haltende Ausbildung des Fußes für den aufrechten Gang hat unzweifelhaft auch durch solche Korrelation auf andre Teile des Organismus rückgewirkt. Doch ist diese Einwirkung noch viel zu wenig untersucht, als daß wir hier mehr tun könnten, als sie allgemein konstatieren.

Weit wichtiger ist die direkte, nachweisbare Rückwirkung der Entwicklung der Hand auf den übrigen Organismus. Wie schon gesagt, waren unsre äffischen Vorfahren gesellig; es ist augenscheinlich unmöglich, den Menschen, das geselligste aller Tiere, von einem ungeselligen nächsten Vorfahren abzuleiten. Die mit der Ausbildung der Hand, mit der Arbeit, beginnende Herrschaft über die Natur erweiterte bei jedem neuen Fortschritt den Gesichtskreis des Menschen. An den Naturgegenständen entdeckte er fortwährend neue, bisher unbekannte Eigenschaften. Andrerseits trug die Ausbildung der Arbeit notwendig dazu bei, die Gesellschaftsglieder näher aneinanderzuschließen, indem sie die Fälle gegenseitiger Unterstützung, gemeinsamen Zusammenwirkens vermehrte und das Bewußtsein von der Nützlichkeit dieses Zusammenwirkens für jeden einzelnen klärte. Kurz, die werdenden Menschen kamen dahin, daß sie einander etwas zu sagen hatten.

Das Bedürfnis schuf sich sein Organ: Der unentwickelte Kehlkopf des Affen bildete sich langsam aber sicher um, durch Modulation für stets gesteigerte Modulation, und die Organe des Mundes lernten allmählich einen artikulierten Buchstaben nach dem andern aussprechen.

(…) Arbeit zuerst, nach und dann mit ihr die Sprache das sind die beiden wesentlichsten Antriebe, unter deren Einfluß das Gehirn eines Affen in das bei aller Ähnlichkeit weit größere und vollkommnere eines Menschen allmählich übergegangen ist. Mit der Fortbildung des Gehirns aber ging Hand in Hand die Fortbildung seiner nächsten Werkzeuge, der Sinnesorgane. Wie schon die Sprache in ihrer allmählichen Ausbildung notwendig begleitet wird von einer entsprechenden Verfeinerung des Gehörorgans, so die Ausbildung des Gehirns überhaupt von der der sämtlichenSinne. Der Adler sieht viel weiter als der Mensch,aber des Menschen Auge sieht viel mehr an den Dingen als das des Adlers. (…)

Die Rückwirkung der Entwicklung des Gehirns und seiner dienstbaren Sinne, des sich mehr und mehr klärenden Bewußtseins, Abstraktions- und Schlußvermögens auf Arbeit und Sprache gab beiden immer neuen Anstoß zur Weiterbildung, einer Weiterbildung, die nicht etwa einen Abschluß fand, sobald der Mensch endgültig vom Affen geschieden war, sondern die seitdem bei verschiednen Völkern und zu verschiednen Zeiten verschieden nach Grad und Richtung, stellenweise selbst unterbrochen durch örtlichen und zeitlichen Rückgang, im ganzen und großen gewaltig vorangegangen ist; einerseits mächtig vorangetrieben, andrerseits in bestimmtere Richtungen gelenkt durch ein mit dem Auftreten des fertigen Menschen neu hinzutretendes Element – die Gesellschaft.

Hunderttausende von Jahren – in der Geschichte der Erde nicht mehr als eine Sekunde im Menschenleben – sind sicher vergangen, ehe aus dem Rudel baumkletternder Affen eine Gesellschaft von Menschen hervorgegangen war. Aber schließlich war sie da. Und was finden wir wieder als den bezeichnenden Unterschied zwischen Affenrudel und Menschengesellschaft? Die Arbeit. Das Affenrudel begnügte sich damit, seinen Futterbezirk abzuweiden, der ihm durch die geographische Lage oder durch den Widerstand benachbarter Rudel zugeteilt war; es unternahm Wanderungen und Kämpfe, um neues Futtergebiet zu gewinnen, aber es war unfähig, aus dem Futterbezirk mehr herauszuschlagen, als er von Natur bot, außer daß es ihn unbewußt mit seinen Abfällen düngte. Sobald alle möglichen Futterbezirke besetzt waren, konnte keine Vermehrung der Affenbevölkerung mehr stattfinden; die Zahl der Tiere konnte sich höchstens
gleichbleiben. Aber bei allen Tieren findet Nahrungsverschwendung in hohem Grade statt, und daneben Ertötung des Nahrungsnachwuchses im Keime. Der Wolf schont nicht, wie der Jäger, die Rehgeiß, die ihm im nächsten Jahr die Böcklein liefern soll; die Ziegen in Griechenland, die das junge Gestrüpp abweiden, eh‘ es heranwächst, haben alle Berge des Landes kahlgefressen. Dieser »Raubbau« der Tiere spielt bei der allmählichen Umwandlung der Arten eine wichtige Rolle, indem er sie zwingt, andrer als der gewohnten Nahrung sich anzubequemen, wodurch ihr
Blut andre chemische Zusammensetzung bekommt und die ganze Körperkonstitution allmählich eine andre wird, während die einmal fixierten Arten absterben. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Raubbau mächtig zur Menschwerdung unsrer Vorfahren beigetragen hat. Bei einer Affenrasse, die an Intelligenz und Anpassungsfähigkeit allen andern weit voraus
war, mußte er dahin führen, daß die Zahl der Nahrungspflanzen sich mehr und mehr ausdehnte, daß von den Nahrungspflanzen mehr und mehr eßbare Teile zur Verzehrung kamen, kurz, daß die Nahrung immer mannigfacher wurde und mit ihr die in den Körper eingehenden Stoffe, die chemischen Bedingungen der Menschwerdung. Das alles war aber noch keine eigentliche Arbeit.

Die Arbeit fängt an mit der Verfertigung von Werkzeugen. (…) Werkzeuge der Jagd und des Fischfangs, erstere zugleich Waffen. Jagd und Fischfang aber setzen den Übergang von der bloßen Pflanzennahrung zum Mitgenuß des Fleisches voraus, und hier haben wir wieder einen wesentlichen Schritt zur Menschwerdung. (…) Die Fleischkost führte zu zwei neuen Fortschritten von entscheidender Bedeutung: zur Dienstbarmachung des Feuers und zur Zähmung von Tieren. Die erstere kürzte den Verdauungsprozeß noch mehr ab, indem sie die Kost schon sozusagen halbverdaut an den Mund brachte; die zweite machte die Fleischkost reichlicher, indem sie neben der Jagd eine neue regelmäßigere Bezugsquelle dafür eröffnete, und lieferte außerdem in der Milch und ihren Produkten ein neues, dem Fleisch an Stoffmischung mindestens gleichwertiges Nahrungsmittel. So wurden beide schon direkt neue Emanzipationsmittel für den Menschen; auf ihre indirekten Wirkungen im einzelnen einzugehn, würde uns hier zu weit führen, von so hoher Wichtigkeit sie auch für die Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft gewesen sind.

Wie der Mensch alles Eßbare essen lernte, so lernte er auch in jedem Klima leben. Er verbreitete sich über die ganze bewohnbare Erde, er, das einzige Tier, das in sich selbst die Machtvollkommenheit dazu besaß. Die andren Tiere, die sich an alle Klimata gewöhnt
haben, haben dies nicht aus sich selbst, nur im Gefolge des Menschen, gelernt: Haustiere und Ungeziefer.

Und der Übergang aus dem gleichmäßig heißen Klima der Urheimat in kältere Gegenden, wo das Jahr sich in Winter und Sommer teilte, schuf neue Bedürfnisse: Wohnung und Kleidung zum Schutz gegen Kälte und Nässe, neue Arbeitsgebiete und damit neue Betätigungen, die den Menschen immer weiter vom Tier entfernten.

Durch das Zusammenwirken von Hand, Sprachorganen und Gehirn nicht allein bei jedem einzelnen, sondern auch in der Gesellschaft, wurden die Menschen befähigt, immer verwickeltere Verrichtungen auszuführen, immer höhere Ziele sich zu stellen und zu erreichen. Die Arbeit selbst wurde von Geschlecht zu Geschlecht eine andre, vollkommnere, vielseitigere. Zur Jagd und Viehzucht trat der Ackerbau, zu diesem Spinnen und Weben, Verarbeitung der Metalle, Töpferei, Schiffahrt.

Neben Handel und Gewerbe trat endlich Kunst und Wissenschaft, aus Stämmen wurden Nationen und Staaten. Recht und Politik entwickelten sich, und mit ihnen das phantastische Spiegelbild der menschlichen Dinge im menschlichen Kopf: die Religion. Vor allen diesen Gebilden, die zunächst als Produkte des Kopfs sich darstellten und die die menschlichen Gesellschaften zu beherrschen schienen, traten die bescheidneren Erzeugnisse der ar-
beitenden Hand in den Hintergrund; und zwar um so mehr, als der die Arbeit planende Kopf schon auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe der Gesellschaft (z.B. schon in der einfachen Familie) die geplante Arbeit durch andre Hände ausführen lassen konnte als die seinigen. Dem Kopf, der Entwicklung und Tätigkeit des Gehirns, wurde alles Verdienst an der rasch
fortschreitenden Zivilisation zugeschrieben; die Menschen gewöhnten sich daran, ihr Tun aus ihrem Denken zu erklären statt aus ihren Bedürfnissen (die dabei allerdings im Kopf sich widerspiegeln, zum Bewußtsein kommen) – und so entstand mit der Zeit jene idealistische Weltanschauung, die namentlich seit Untergang der antiken Welt die Köpfe beherrscht hat.

Sie herrscht noch so sehr, daß selbst die materialistischsten Naturforscher der Darwinschen Schule sich noch keine klare Vorstellung von der Entstehung des Menschen machen können, weil sie unter jenem ideologischen Einfluß die Rolle nicht erkennen, die die Arbeit dabei gespielt hat.

Die Tiere, wie schon angedeutet, verändern durch ihre Tätigkeit die äußere Natur ebensogut, wenn auch nicht in dem Maße wie der Mensch, und diese durch sie vollzogenen Änderungen ihrer Umgebung wirken, wie wir sahen, wieder verändernd auf ihre Urheber zurück. Denn in der Natur geschieht nichts vereinzelt.

Jedes wirkt aufs andre und umgekehrt, und es ist meist das Vergessen dieser allseitigen Bewegung und Wechselwirkung, das unsre Naturforscher verhindert, in den einfachsten Dingen klarzusehn. Wir sahen, wie die Ziegen die Wiederbewaldung von Griechenland verhindern; in Sankt Helena haben die von den ersten Anseglern ans Land gesetzten Ziegen und Schweine
es fertiggebracht, die alte Vegetation der Insel fast ganz auszurotten, und so den Boden bereitet, auf dem die von späteren Schiffern und Kolonisten zugeführten Pflanzen sich ausbreiten konnten. Aber wenn die Tiere eine dauernde Einwirkung auf ihre Umgebung
ausüben, so geschieht dies unabsichtlich und ist, für diese Tiere selbst, etwas Zufälliges. Je mehr die Menschen sich aber vom Tier entfernen, desto mehr nimmt ihre Einwirkung auf die Natur den Charakter vorbedachter, planmäßiger, auf bestimmte, vorher bekannte Ziele gerichteter Handlung an.

Das Tier vernichtet die Vegetation eines Landstrichs, ohne zu wissen, was es tut. Der Mensch vernichtet sie, um in den freigewordnen Boden Feldfrüchte zu säen oder Bäume und Reben zu pflanzen, von denen er weiß, daß sie ihm ein Vielfaches der Aussaat einbringen werden. Er versetzt Nutzpflanzen und Haustiere von einem Land ins andre und ändert so die Vegetation und das Tierleben ganzer Weltteile. Noch mehr. Durch künstliche Züchtung werden Pflanzen wie Tiere unter der Hand des Menschen in einer Weise verändert, daß sie nicht wiederzuerkennen sind. Die wilden Pflanzen, von denen unsre Getreidearten abstammen, werden noch vergebens gesucht. Von welchem wilden Tier unsre Hunde, die selbst unter sich so verschieden sind, oder
unsre ebenso zahlreichen Pferderassen abstammen, ist noch immer streitig.

Es versteht sich übrigens von selbst, daß es uns nicht einfällt, den Tieren die Fähigkeit planmäßiger, vorbedachter Handlungsweise abzustreiten. Im Gegenteil. Planmäßige Handlungsweise existiert im Keime schon überall, wo Protoplasma, lebendiges Eiweiß existiert und reagiert, d.h. bestimmte, wenn auch noch so einfache Bewegungen als Folge bestimmter
Reize von außen vollzieht. Solche Reaktion findet statt, wo noch gar keine Zelle, geschweige eine Nervenzelle, besteht. Die Art, wie insektenfressende Pflanzen ihre Beute abfangen, erscheint ebenfalls in gewisser Beziehung als planmäßig, obwohl vollständig bewußtlos. Bei den Tieren entwickelt sich die Fähigkeit bewußter, planmäßiger Aktion im Verhältnis zur Entwicklung des Nervensystems und erreicht bei den Säugetieren eine schon hohe Stufe. Auf der englischen Fuchsparforcejagd kann man täglich beobachten, wie genau der Fuchs seine große Ortskenntnis zu verwenden weiß, um seinen Verfolgern zu entgehn, und wie gut er alle Bodenvorteile kennt und benutzt, die die Fährte unterbrechen. Bei unsern im Umgang mit Menschen höher entwickelten Haustieren kann man tagtäglich Streiche der Schlauheit beobachten, die mit denen menschlicher Kinder ganz auf derselben Stufe stehn. (…) Aber alle planmäßige Aktion aller Tiere hat es nicht fertiggebracht, der Erde den Stempel ihres Willens aufzudrücken. Dazu gehörte der Mensch.

Kurz, das Tier benutzt die äußere Natur bloß und bringt Änderungen in ihr einfach durch seine Anwesenheit zustande; der Mensch macht sie durch seine Änderungen seinen Zwecken dienstbar, beherrscht sie. Und das ist der letzte, wesentliche Unterschied des Menschen von den übrigen Tieren, und es ist wieder die Arbeit, die diesen Unterschied bewirkt.

Engels: Dialektik der Natur. Marx/Engels: Ausgewählte Werke, S. 444 – 452

Allerdings:

Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur.


Marx in der Bar an der Börse

5. November 2008

In der Bar an der Börse hatte Taz Kolumnist Ilija Trojanow einen Freund getroffen, der dort mit dem „Kauf drei, bezahl zwei Trick“ nicht weniger als 30 Exemplare des Buches „Der Marxismus – Irrlicht oder ganzheitliche Theorie?“ verkaufte. Trojanow berichtete von der anschließenden Fachsimpelei. Er selbst kam unter anderem zu folgendem Ergebnis:

„Wenn wir Marx an seinem berühmten Diktum messen, die Aufgabe des Philosophen sei es, die Welt zu verändern, anstatt sie nur zu erklären, muß Marx zudem als der katastrophalste aller Philosophen gelten, denn die Diktaturen des Proletariats, die sich auf ihn beriefen, errichteten eine Arbeiter- und Bauernhölle, die sich von Ostberlin bis Wladiwostok erstreckte. Aber Marx sei dafür nicht verantwortlich, wird einem oft gesagt, weswegen mein Freund und ich, in der Bar an der Börse, Marx ganz altmodisch als Erklärer der Welt betrachteten.“

Nunja, der Frage nachzugehen, worauf es bei der Suche nach dem richtigen Denken ankommt, ist natürlich genau so eine philosophische Angelegenheit wie die „neumodische“ (marxsche) Erkenntnis, dass es darauf ankommt, die materiellen Voraussetzungen des Denkens (und Suchens) zu verändern. Was den „Realen Sozialismus“ angeht, wäre die Möglichkeit ihn zu verändern bei weitem attraktiver gewesen als nun erklären zu müssen, wieso das nicht gelang.

Und was fand Trojanow am Welterklärer Marx bemerkenswert?

„Die (…) Negation der Negation, die eine Rückkehr zu einer konkreteren, entwickelteren Allgemeinheit ermögliche – erbrachte den wissenschaftlichen Beweis für das Ende des Kapitalismus. So hieß es früher. Doch heute wissen wir alle, daß Marx uns diesen Beweis schuldig geblieben ist.“

Frag mich allerdings, wie eine „Rückkehr“ (?) „zu einer konkreteren, entwickelteren Allgemeinheit“ geschweige, dass dies das Ende des Kapitalismus bedeutet, überhaupt bewiesen werden kann.

Eine marxsche Intention, nach irgendeiner „Allgemeinheit“ zu suchen, kann ich überhaupt nirgends sehen. Geht doch eher um Verallgemeinerung der Kompetenz und Macht zur Entwicklung und Anwendung des menschlichen (und von Menschen beeinflussten) Vermögens, einen Nutzen herzustellen, dessen Rationalität sich aus der gemeinsamen,  umweltbewussten Reflexion der möglichen bzw. wahrscheinlichen Haupt- und Nebenwirkungen seiner Produktion (oder auch seiner Nichtproduktion) ergibt.

Dass diese „Verallgemeinerung“ nicht weit oder nicht weit genug entwickelt ist, um die großen Menschheitsprobleme zu lösen braucht nicht erst „wissenschaftlich“ bewiesen zu werden. Interessanter ist zu sehen, wo die Notwendigkeit dieser Verallgemeinerung offenbar und erkannt wird, was in der Richtung geschieht und noch (bis wann) zu tun ist.


1. November 2008

Viel Hoffnung grünt derzeit um einen Trend hin zur Ökologie als Privatprofit-Motiv. Im Sinne ökosozialistischer Persektiven ist das auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen. Aber man sollte nicht vergessen, dass nur eine ökologische Gesamtrechnung Auskunft über den sozialen Gewinn machen könnte. Das (sogar mit einigem Vergnügen) zu bedenken hilft der folgenden Marx-Schatz zu den Stichworten Gebrauchswert, Produktionszweck, Entfremdung, Arbeitsteilung & gesellschaftlicher Reichtum. Er wurde vom Projekt Gutenberg des Spiegels aus den Tiefen der „Marx? Kernstevergessen!“ See gehoben.

Karl Marx

Abschweifung über produktive Arbeit

Ein Philosoph produziert Ideen, ein Poet Gedichte, ein Pastor Predigten, ein Professor Kompendien usw. Ein Verbrecher produziert Verbrechen. Betrachtet man näher den Zusammenhang dieses letztren Produktionszweigs mit dem Ganzen der Gesellschaft, so wird man von vielen Vorurteilen zurückkommen. Der Verbrecher produziert nicht nur Verbrechen, sondern auch das Kriminalrecht und damit auch den Professor, der Vorlesungen über das Kriminalrecht hält, und zudem das unvermeidliche Kompendium, worin dieser selbe Professor seine Vorträge als ,,Ware“ auf den allgemeinen Markt wirft. Damit tritt Vermehrung des Nationalreichtums ein.

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