Zum Identitätskulturalismus

14. Juni 2021

Nein, ich habe keinerlei Ambition, mich der rechts-links-populistischen Anti-Identitätspolitik Hysterie anzuschließen, die derzeit im professionellen Meinungsbusiness grassiert und in Facebookkommentaren unter entsprechenden Beiträgen liberaler Zeitungen so gern und oft frenetisch beklatscht und weiter ins Extrem gezogen wird. Ich verabscheue die Erhabenheitsdemonstrationen, künstlichen Aufgeregtheiten und wohlfeilen Ausbeutungsbemühungen rechtsidentitärer Emanzipationshasser und linksidentitärer Proletenbeschützer, die reflexartig gegen begründete Begehrlichkeiten der Post Colonial/Critical Whiteness Mahner und engagierten Anwälte (jeweils Männer und Frauen) immer noch benachteiligter Personengruppen laut werden.

Auch wenn ich natürlich weiß, dass es kein gutes Leben im bösen gibt, sondern darauf ankommt, Verhältnisse zu schaffen, die weltweit allen ein gutes Leben erlauben, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört, bin ich im Rahmen meiner bescheidenen Möglichkeiten gern auch Gutmensch so gut es halt geht und habe nichts gegen Anleitungen, ein noch aufmerksamerer, entgegenkommenderer, selbstkritischerer, also kurz, ein noch besserer Mensch zu werden

Vor allem habe ich nichts gegen einen Universalismus, der sich kritisch gegen das europäisch-nordamerikanisch-australische Selbstbild eines allein aufgeklärten und von modernen Werten bestimmten „Westens“ wendet, von dem aus es gerechtfertigt scheint, in herrenmenschlicher Gönnerhaftigkeit auf die „noch barbarische“ Restwelt zu schauen. Die universellen Menschenrechte sind nicht „westlich“. Sie sind universell. Sie zur Geltung zu bringen und vielleicht gar zu erweitern ist immer und überall ein sehr widersprüchlicher Prozess – abhängig von den gesellschaftlichen Produktions- und Interaktionsbedingungen sowie den dabei jeweils herrschenden Kräftekonstellationen.

Aber genau das gerät allzu oft aus dem Blick.

1.) Die unverschämte Erhabenheit einer antirassistischen Marxkritik

Die postkolonial-hautfarbensoziologische Dekonstrution von Karl Marx Betrachtung der „Lohnsklaverei“, wie unlängst in einem Interview geschehen, das der Taz Redakteur Ambris Waibel mit der Professorin für Kulturtheorie und Kulturwissenschaftliche Ästhetik Iris Därmann führte, ist so ein Beispiel.

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Das Anthropozän gestalten!

16. Mai 2020

Zur Machbarkeit planetarischer Vernunft

Ein erster Einblick in das Projekt, an dem ich gerade arbeite.  Ich hoffe, damit in nicht allzu fernen Zukunft eine brauchbare Handreichung für alle vorlegen zu können, die meinen, dass die Parole „System change instead of Climate change“ über das Stadium einer linksidentitären Provokation hinaus gelangen sollte, dies aber eine etwas nähere Auseinandersetzung mit der Frage erfordert, wie vermieden werden kann, dass aus einem Gutgemeint erneut ein Schlechtgelaufen wird. Kritik, Ideen, Fragen aller Art herzlichst erwünscht.  Benötigt wird beizeiten auch Hilfe bei der Übersetzung ins Englische.

Worum geht es?

Dieses Buch soll ermutigen, über das Ende der Geschichte kapitalistischer Vernunft hinaus zu denken und einen offenen Diskurs über Notwendigkeit, Realisierungs- und Rationalitätsbedingungen eines organisierten Übergangs zu „öko-kommunistisch“1 bestimmten Produktionsbedingungen zu wagen.

Warum?

Die menschliche Gestaltungskraft ist zum prägenden Faktor des biologi­schen, geologischen und atmo­sphärischen Geschehens auf der Erde ge­worden. In den Geowissenschaften wird diskutiert, diese Ver­änderungen als eine neue Periode der Erdgeschichte zu verstehen, das Anthropozän, das Erdzeitalter des Menschen. Das ist keine frohe Botschaft, die vom Sieg menschlicher Vernunft über die zivilisationsge­fährdende Gewalt eines unbe­herrschten Naturzustands kündet. Die gesellschaftli­chen Mechanismen, die dem vernunftbegabten Wesen eine solche Wirkmacht be­schert haben, treten den han­delnden Individuen und deren Institutionen im Gegenteil als eine ihnen fremde Naturgewalt gegenüber, die sie unterjocht, statt von ihnen beherrscht zu werden.2

Marx vor nunmehr über 150 Jahren formulierte Zustandsbeschrei­bung scheint verblüffend aktuell.

„Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Pro­duktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammen­wirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eig­ne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen wo­her und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Rei­henfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft.“3

Wir erleben heute eine bedrohliche Zuspitzung dieses paradoxen Zustands. Die inzwischen weltweit interagierenden Subjekte des anthropogenen Zusammenwirkens, Individuen, Institutionen oder Assoziationen, verfügen über eine schier unendlich erscheinende Vielfalt an Möglichkeiten, vernunftgeleitete Entscheidungen zu treffen. Ihre „kombinierte Produktivkraft“ konnten sie dabei ins Unermessliche steigern. Moderne Wissenschaft und Demokratie erlauben Aufklärung auch über die Kehrseiten unserer menschlichen Siege über die Natur. Doch ungeachtet all unserer Kenntnisse über das Zerstörungsvermögen, das ein nahezu ungebremstes Wachstum menschlicher Kraft und Herrlichkeit bis heute akkumuliert hat, scheint es nach wie vor ein Ding der Unmöglichkeit, das anthropogene Zusammenwirken insgesamt nach Maßgaben sozialer oder ökologischer Vernunft zu gestalten. Unser globalisiertes Zusammenwirken ist uns immer noch nicht zur „eig­nen, vereinte Macht“ geworden. Mensch und Natur bleiben den stets bedrohlicheren Launen der Naturgewalt ausgesetzt, als die sich ihr eigenes Zusammenspiel gestaltet.

In diesem Zustand taumelt das menschliche „Laufen und Wollen“ in die geologische Menschenzeit. Mit welcher Perspektive? Was könnte Wege in ein soziales Zeitalter der menschheitlichen Selbstbeherrschung ebnen? Hilft der Rückgriff auf Marx Vision einer Menschheit, die es den weltweit interagierenden Individuen, Gruppierungen und Institutionen gestattet, ihren „Stoffwechsel mit der Na­tur rationell re­geln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftauf­wand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn4?

Als jemand, der sich seit den Zeiten seines politischen Erwachsenwerdens in den 1970er Jahren für die ökologischen Dimensio­nen des Menschseins interessiert und sich insbesondere nach Nutzung des zweiten Bildungswegs und Aufnahme seines Studiums der Soziologie in den 1980er Jahren, immer wieder intensiv mit dem Marx-Engels Werk auseinanderset­zen konnte, überrascht mich der akute Gebrauchswert der vor nunmehr über 150 Jahren formulierten Perspektive nicht.

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Work in Progress: Anmerkungen zum Anthropozän

6. Mai 2018

Andreas Zielcke fragt in seinem am  in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Beitrag zur SZ-Serie

 Das Anthropozän Gegen die Naturgewalt Mensch

Seit der Entstehung der Nationalstaaten bedeutet Selbststeuerung, politische Souveränität auszuüben. Unter demokratischen Vorzeichen heißt dies, dass alle Regierungsgewalt vom Volke ausgeht. Was aber bedeutet Selbststeuerung, wenn vom Volke eine Naturgewalt ausgeht? Wenn die Menschen nicht ihren politischen Absichten Gestalt geben, sondern das Weltklima aufheizen, die Kreisläufe auf dem Land und im Ozean schädigen, den Planeten übervölkern, die Ressourcen erschöpfen und den Erdball vermüllen?

Nun, das bedeutet, dass das menschliche Selbst Subjekt einer sein Handeln  und Bedenken bestimmenden gesellschaftlichen Struktur ist, die ihm als eine Naturgewalt gegenüber tritt, und was als Selbststeuerung des Volkes erscheint also in Wirklichkeit die Selbststeuerung einer Naturgewalt ist, also keine kulturelle Leistung  miteinander kooperierender menschlicher Individuen. Das ist so, …

„… solange die Menschen sich in der naturwüchsigen Gesellschaft befinden, solange also die Spaltung zwischen dem besondern und gemeinsamen Interesse existiert, solange die Tätigkeit also nicht freiwillig, sondern naturwüchsig geteilt ist, die eigne Tat des Menschen ihm zu einer fremden, gegenüberstehenden Macht wird, die ihn unterjocht, statt daß er sie beherrscht.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 33

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Nieder mit dem Gebrauchswertbegriff?

8. Januar 2018

Warum sich mit begriffsfetischistischem Moralismus nichts Vernünftiges anfangen lässt.

Die Streifzüge 70/2017 standen im Zeichen von Bemühungen einer kritische (Neu-) Betrachtung des „Gebrauchswerts“, wie er von Marx gesehen wurde, also einerseits in einer allgemeinen, überhistorische Geltung beanspruchenden Bestimmung als etwas, über das Menschen oder deren Institutionen verfügen möchten um es nutzen zu können und andererseits, als etwas, das in Lohnarbeit unter der Regie kapitalistischer Selbstbereicherungsagenturen her- und bereitgestellt wird und deshalb gekauft (gegen Geldbesitz  ausgetauscht) werden  muss, um über deren Einsatz frei (= privat) verfügen zu können während die Selbstbereicherungsagenturen, die die materiellen Träger des Gebrauchswerts (die Tauschwert und Gebrauchswert inkorperierenden Waren) haben produzieren lassen um sich deren Tauschwert (in der Form des Tauschwertträgers Geld) aneignen zu können, zu diesem Zweck die unter ihrer Regie erarbeiteten Gebrauchswertträger verkaufen (gegen Geldbesitz eintauschen) müssen.

Die Frage nach dem Gebrauchswert des Gebrauchswerts als einer der Erkenntnisgewinnung dienlichen Kategorie bzw. von Gebrauchswerten als reale   Gegenstände menschlichen Begehrens, und wie die historisch jeweils vorherrschenden Produktionsweisen (und die darauf aufbauenden Gesellschaftsformationen), d.h. die  historisch jeweils vorherrschenden Formen der Vermittlung von Produktion, Verbrauch, Pflege, Entwicklung, Regulation etc. einerseits das Begehren und andererseits dessen Gegenstände  formen, ist verdienstvoll. In dieser Sache gilt es im besonderen Maße, anti-kapitalistische Mythen zu hinterfragen, die einer nüchternen Analyse der kapitalistischer Erfolgsgeschichte und warum bzw. wie diese nun an ihr Ende gerät, eher im Wege stehen.  Der dem feindbildhungigen Anti-Kapitalismus eigene Mythos, dass im Kapitalismus Gebrauchswerte und damit Bedürfnisse egal seien und auch keinerlei ökonomische Relevanz haben, weil „es“ hier allein um die private Anhäufung von Tauschwerten bzw. „des Profits“ oder schlimmer noch „allein um Profimaximierung“ ginge . Dass das so nicht stimmt, wusste bereits Roman Rosdolwsky, dessen 1959 in KYKLOS Internationale Zeitschrift für Sozialwissenschaften, (Vol. XII 1959, Basel, S. 27-56 ) erschienene Betrachtung der Gebrauchswert bei Karl Marx  (Untertitel: „Eine Kritik der bisherigen Marx-Interpretation“) in dem Streifzüge-Schwerpunktheft zu finden ist.  Näheres hier 

 Rosdolwsky hatte die ökonomische Relevanz von Warengebrauchswerten  hervorgehoben und dahingehende Missinterpretationen vulgärmarxistischer Betrachtungen enthüllt. Während sein Bemühen um wissenschaftlich korrektes Herangehen unverkennbar ist, erweckt der Streifzüge und Exit-Autor  Knut Hüller bereits in der Überschrift den Eindruck, es ginge ihm um eine  Säuberung der Begriffslandschaft im Sinne „theoretical correctness“.

Sie auch: Über den sehr unterschiedlichen Gebrauchswert des Gebrauchswerts und der Gebrauchswerte

Teil I | Teil II  Teil III

Wider den Gebrauchswert(begriff) ist ein am 27 Juli 2017 veröffentlichter Beitrag von Knut Hüller übertitelt, und er eröffnet seine Reflexionen mit einer Frage.  

  1. Gibt es einen Gebrauchswert ohne Ware? Wie hängen Gebrauchswerte mit der Ware zusammen, sind sie überhaupt ohne Wert resp. Tauschwert zu denken?

„Gebrauchswert“ ist keine Eigenschaft von Dingen, sondern eine Betrachtungsweise, also eine Kategorie. Diese Kategorie entstand in der Warengesellschaft, genauer in deren zentraler Ideologie, genannt Politische Ökonomie. Als Bestandteil dieser Ideologie beschreibt sie nicht ein Ding, sondern die (warenförmige) Art des Umgangs mit Dingen, und zwar auf eine in der Warengesellschaft entstandene verdrehte Art und Weise. Sie ist deshalb nicht von der Warengesellschaft zu trennen und wird mit ihr verschwinden. Mit physischen Eigenschaften von Dingen (egal ob Waren oder nicht) hat sie wenig zu tun.

Nunja, Kategorien sind nicht wirklich Sichtweisen.  Sie sind sprachliche Werkzeuge, die es uns möglich machen, Gesehenes in bestimmter Hinsicht zu unterscheiden oder in unterschiedlichen Dingen Gemeinsames wahrzunehmen. Und es sagt erst einmal nichts über Brauchbarkeit einer Sache, eines Versprechens usw. aus, in welchem Zusammenhang deren Brauchbarkeit oder der Begriff Gebrauchswert einmal entstanden ist. Das gilt auch für den (möglichen) Gebrauchswert der Kategorie „Gebrauchswert“ für eine ordentliche Theorie der Befreiung aus der privateigentümlichen Borniertheit.  Gestalt und Bedeutung dessen, was der Kategorie „Gebrauchswert“ entspricht, kann wechseln, so wie unter der Kategorie Obst sowohl Äpfel als auch Birnen fallen.

Marx benutzte den Begriff Gebrauchswert als Kategorie bekanntlich einmal in einer überhistorischen Bestimmung, nämlich schlicht als ein Potenzial über das Menschen verfügen möchten weil sie sich davon einen Nutzen versprechen. (So wie auch Löwinnen in einer hinkenden Gazelle einen möglichen Gebrauchswert sehen.) Und dieser Gebrauchswert ist natürlich IMMER ein soziales Phänomen, das allerdings wie alle soziale Phänomene eine materielle Grundlage bzw. eine physikalische Komponente hat. Gebrauchswerte sind weder NUR „Eigenschaft von Dingen“ noch LEDIGLICH  „eine Betrachtungsweise“ (bzw. Wahrnehmung dieser Eigenschaft und Begehren, sie nutzen zu können), er ist stets eine Kombination aus beidem. Er ist Betrachtung der Eigenschaft eines Dinges  (einer Leistung, eines Versprechens usw.) als etwas, über das verfügen zu können, einen Nutzen verspricht. Das gilt für ganz unterschiedliche Gesellschaften mit sehr verschiedenen Produktionsbedingungen, auch wenn sich Qualität und Quantität sowohl des Begehrten als auch des Begehrens je nach Produktionsweisen, auf duie sie jeweils beruhen, natürlich sehr unterscheiden.

Im modernen Kapitalismus ist die Bedeutung (Rolle, Funktion) der Gebrauchswerte von WAREN davon bestimmt, dass sie von privaten Unternehmen mittels Lohnarbeit und eigener  Produktionsmittel zum Zwecke der eigenen Selbstbereicherung produziert werden. Die Selbstbereicherung setzt den erfolgreichen Verkauf der Gebrauchswertträger (deren Eintausch gegen Geld) voraus, also dass die Selbstbereicherungsagenturen sich deren Tauschwerte aneignen, (bzw. wenn der Gebrauchswert die Verfügung über Arbeitskraft ist, eignen sich die menschlichen Träger des Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft deren Tauschwertes durch an) Die, die über die Gebrauchswerte ihrer Gebrauchswerte Willen verfügen wollen, müssen für die legale Möglichkeit ihrer Aneignung (sie zu nutzen) Geld zahlen. Und dabei ist etwa zu bedenken: Die Menge des zu zahlenden Geldes, (dessen Gebrauchswert den Tauschwert des begehrten Gebrauchswertträgers zum Ausdruck bringt) ist NICHT von der subjektiven Wertschätzung der beteiligten Warentauscher abhängig. Käufer von Gebrauchswertträgern können unter den Angeboten verschiedener Anbieter das Angebot wählen, das ihnen für das zu veräußernde Geld den meisten Gebrauchswert verspricht. Eben aus diesem Grund schwanken die Preise unter der Voraussetzung freier Konkurrenz und als Ware frei erwerbbarer Lohnarbeit  um einen Wert, der vom Arbeitsaufwand generiert wird, der für die Herstellung des Gebrauchswert im GESELLSCHAFTLICHEN Durchschnitt notwendigerweise aufzubringen ist. Produktivitätsfortschritte senken den gesellschaftlichen Tauschwert der Gebrauchswertträger ganz unabhängig von deren subjektiven Wertschätzung. Allerdings gehen mit den Produktivitätsfortschritten meist eine qualitative Aufwertung einher, und erfordert diese mehr Arbeit wird der Wertverfall konterkariert. Die Behauptung, dass der Gebrauchswert von Waren mit deren physischen Eigenschaften nichts zu schaffen habe, ist also falsch wie es übrigens auch falsch wäre zu behaupten,  dass die Tauschwerte mit den physischen Eigenschaften nichts zu schaffen haben. Die haben etwas damit zu schaffen insofern insofern deren Her- und Bereitstellung mehr oder weniger Arbeit erfordert.

  1. Sind Nutzen und Nützlichkeit positive Begriffe oder gar analytische Kategorien?

„Nutzen“ (englisch „utility“) ist die modernste Form der „Gebrauchswert“-Kategorie. Mit dem Begriff des Gebrauchswerts verband die klassische Ökonomie (und verbindet bis heute die marxistische) „objektiv“ und unveränderlich gedachte Eigenschaften materieller Dinge (oder moderner: „physischer Mengen“). Die Weiterentwicklung zum neoklassischen „Nutzen“begriff verlagerte den Inhalt dieser Kategorie auf die Subjektebene: sie beschreibt statt „objektiver“ Eigenschaften nun deren (eingebildete) Wirkungen auf Subjekte. Darin drückt sich u.a. die Fortentwicklung des Kapitalismus über seine industrielle Phase hinaus aus.

Es gibt Fragen, die sich beim allerbesten Willen nicht sinnvoll beantworten lassen. Denn was soll das sein, ein „positiver Begriff“?  So einer wie die im anti-kapitalistischen Jargon so beliebten Begriffe „emanzipatorisch“ oder „befreite Gesellschaft“? Diese mögen  die Sehnsucht nach einem paradiesischen Jenseits des Kapitalismus sehr gut in Schwingungen versetzen, aber  helfen auch über den Mangel an realtätstauglichen Vorstellungen hinweg, wovon es sich zu emanzipieren gilt und wohin genau und die Reise gehen soll. Besteht der Nutzen oder Nützlichkeit von „positiven Begriffen“ etwa darin, das Ersehnte im Unbestimmten zu belassen? Das würde erklären, warum „Nutzen“ und „Nützlichkeit“ zu „negativen Begriffen“ erklärt werden.

Die Grenzen zwischen Theologie (bzw. von Ideologie im Allgemeinen) und Theorie verschwimmen, wo Begriffe ohne jeden Kontext mit „positiver“ oder „negativer“ Bedeutung aufgeladen werden.  Sie wirken als scheinbar mit eigenem Geist beseelte Subjekte. Als solche wird ihnen die gottgleiche Autorität zugesprochen, über richtig und falsch, gut und böse bzw. positiv oder negativ zu entscheiden.  Natürlich „wissen“ linke Nützlichkeitskritiker, dass „die Nützlichkeit“ oder „der Nutzen“  Menschenwerk sind. Naklar sind die  von bürgerlichen Ideologen am Begriffshimmel installiert worden um  dem Kapitalismus bzw. den  kapitalistisch produzierten und angebotenen Gütern einen Nutzen bzw. Nützlichkeit andichten zu können.  Und der Marxismus? Der will der Industriegesellschaft Nützlichkeit andichten. Deshalb habe „auch der Marxismus mit dem Begriff des Gebrauchswerts objektiv und unveränderlich gedachte Eigenschaften materieller Dinge“ behauptet. Dass diese „Marx-Kritik“ nur die eigene Ahnungslosigkeit vom Gegenstand der Kritik verrät, ist klar, aber auch die erste Behauptung führt in die Irre.  Beides reist jedenfalls die Grenze nieder zwischen der sehr berechtigten Kritik am Utilitarismus (nicht zuletzt von Max und von ihm beeinflussten Autoren) also an eine  realpolitisch-positivistische Bestimmung von Nützlichkeit auf Grundlage der Perspektiven kapitalistisch vereinzelter Einzelner, und der ebenso berechtigten Frage nach Wegen, zugleich individuell als auch gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch rationale Bestimmungen nicht nur von Nützlichkeit zu ermöglichen als auch nach der  individuellen, gesellschaftlichen bzw ökologischen Rationalität der (individuellen, gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen) Kosten der Herstellung und Pflege, des Genusses, Abfallentsorgung oder -weiterverwertung der materiellen Träger des Nützlichkeitspotenials zu fragen.  Statt (öko-) kommunistische Perspektiven zu ergründen läuft so das Ganze auf eine Art atheistische Theologie hinaus!

  1. Was macht der Terminus „Wert“ im Gebrauchswert? Ist die Herrschaft des Werts den Gebrauchswerten oktroyiert oder inhärent?

„Wert“ und „Gebrauchswert“ sind ein für das warenförmige Denken typisches Paar von Begriffen: keiner kann ohne den anderen existieren, sie stehen sich ausschließend gegenüber, und sie kämpfen um die Oberhand („Herrschaft“, „oktroyiert“). Andere solche Paare sind schwarz/weiß, Teufel/Gott, böse/gut, radikal/gemäßigt, Diktatur/Demokratie, Revolutionär/Revisionist, Ketzer/Rechtgläubiger etc. Das alltäglichste Paar sind Käufer/Verkäufer; beide kämpfen im Markt um den (ökonomisch: „Gleichgewichts-“) Preis, wobei stets der eine verliert, was der andere gewinnt. Wegen dieses Basisantagonismus gelang es bereits dem Begründer der Lehre vom „für alle guten“ Kapitalismus nicht, bis zu einem Wohlstand der gesamten Menschheit vorzudringen. Er schaffte es nur bis zum Wohlstand von (miteinander darum kämpfenden) Nationen.

Es kömmt nach Meinung des Autors anscheinend doch nicht darauf an, die kapitalistische Art der Vermittlung von Bedürfnissen, Arbeits- Produktions- und Entwicklungsvermögen, der dabei benutzten Naturumwelt usw. zu verändern , d.h. Übergänge zu öko-kommunistisch bestimmten Interaktionsbedingungen zu organisieren. Stattdessen: nieder mit den falschen Gedanken! Gedanken sollen nicht mehr warenförmig sein!  Aber was mag das sein? Ein warenförmiger Gedanke? Was sein Gebrauchswert? Ist er zu kaufen? Was ist sein Preis? Hoffentlich teuer, denn so ein warenförmiger Gedanke hat, wie wir erfahren,  stets ein Gegenüber ohne den er nicht existieren kann, echt schlimm: schwarz gegen weiß, Teufel gegen Gott, böse gegen gut, radikal gegen gemäßigt, Diktatur gegen Demokratie, Revolutionär gegen Revisionist, Ketzer gegen Rechtgläubiger etc.  Aha. Dass der warenförmige Gedanke weiß statt schwarz ist, revisionistisch statt revolutionär, göttlich statt  des Teufels, scheint aber immerhin klar.

Etwas wertvoll finden ist böse, weil gegen dass das weniger wertvolle diskriminiert?

Der Gebrauchswert von Waren ist allerdings kein falscher bzw. böser Gedanke. Noch einmal: Privateigentümliches Produzieren von Gebrauchswert für andere zum Zwecke der Selbstbereicherung mittels Tausch des Gebrauchswertträgers gegen die Überware Geld ist eine der kapitalistischen Ära angehörige gesellschaftliche Realität, die sich nicht einfach aus dem Kopfe schlagen lässt. Das per Lohnarbeit und Kapital her- und bereitgestellte Gebrauchswertpotenzial  muss für andere einen privat (und eben nicht gemeinschaftlich) bestimmten Gebrauchswert haben damit die Existenzbedingung der Kapitalvermögenden (Selbstbereicherung) bzw. der Arbeitsvermögenden (Lebensmittel einkaufen zu können) erfüllt werden kann. Die von ihnen her- und bereitgestellten Gebrauchswertträger müssen Eigenschaften aufweisen, die in anderen das Begehren weckt, über sie verfügen und im Tausch gegen Geld erwerben zu können. Tausch- und Gebrauchswerte von Waren sind also auch keine Gegensätze, sondern zwei  Funktionsmerkmale kapitalistisch produzierter Güter, die einander ergänzen bzw. bedingen. Das heute zu überwindene und auch prinzipiell überwindbare Problem ist, dass die privaten Bedürfnisse, Existenz- und Bereicherungsbedingungen vereinzelter Einzelner nicht unbedingt gesamtgesellschaftlich bzw. ökologsch vernünftig sind .

Zu negativ?

Immerhin lässt sich aus der Klage, dass Adam Smith nur den Wohlstand der Nationen im Sinn hatte und nicht den der ganzen Menschheit,  die Sehnsucht nach der Möglichkeit unmittelbar gesellschaftlicher Produktion entsprechend weltgemeinschaftlich bestimmter Entwicklungsziele herauslesen. Wäre also eine Einigung darauf möglich, dass die Notwendigkeit, die Bedingungen der Möglichkeit und die nachhaltige Wünschbarkeit solch einer Transformation der basalen Interaktionsbedingungen zu untersuchen  wären?

  1. Macht der Begriff eines Gebrauchswerts überhaupt Sinn? Sind Gebrauchswerte universeller Natur, zumindest von hoher ontologischer Härte, unbeeindruckt von verschiedensten Produktionsverhältnissen, eine eherne und unhintergehbare Größe von Aristoteles bis hinein in den Kommunismus? Gibt es etwa einen Unterschied zwischen einem Gebrauchswert und einem Gut?

Meistens (auch weiter oben) ist nicht von „einem“, sondern von „dem“ Gebrauchswert die Rede. Der unbestimmte Artikel löst hier (beabsichtigt?) einen weiteren Kernbestandteil des wertförmigen Denkens zumindest teilweise auf: es kennt keine Vielfalt. Es betrachtet die (Waren-)Dinge am liebsten nur unter dem Gesichtspunkt ihres Tauschwerts. Ökonomen treiben diese Beschränktheit auf die Spitze, indem sie ganze Bibliotheken mit Versuchen füllen, „ihm“ auch noch eindeutige („alternativlose“) Zahlenwerte zuzuschreiben. „Den“ Gebrauchswert mit dem verräterischen bestimmten Artikel versucht man in gleicher Weise zu denken. Die Vielfalt der realen Welt bleibt dieser Art Denken verborgen. Ohne warenförmige Brille betrachtet kann ein Stück Eisen in zahllosen Funktionen auftreten, in der einen heute und in der anderen morgen: als Ballast, als Baustoff oder als Magnet, um einige bekannte Verwendungen zu nennen. Und natürlich als Instrument zum Töten von Menschen. Eine spezielle Vielfalt von Eigenschaften macht es zum „Eisen“; fehlte der Magnetismus, würde man möglicherweise „Aluminium“ denken.

Ich lasse einmal das unlösbare Rätsel beiseite, was man sich unter „warenförmige Brillen“ vorstellen soll oder warum das entsprechend bekrittelte „wertförmige Denken“ keine Vielfalt kennt und Menschen tötet.

Zur Frage:

Macht der Begriff eines Gebrauchswerts überhaupt Sinn?“ 

Das ist wieder so eine Frage: Woran sind „Sinn machende Begriffe“ zu erkennen?  Ohne Akteure zu benennen, deren jeweilige Möglichkeiten und Fähigkeiten, die von ihnen jeweils verfolgten Zwecke usw. sind Sinnfragen definitiv sinnlos.

Sinnvoll zu beantworten wäre vielleicht die Frage, inwieweit der Begriff „Gebrauchswert“ für die Gewinnung von  Erkenntnissen über die Rationalitäsbedingungen (und -grenzen) der bürgerlichen Produktionsweise zu gebrauchen ist,  bzw. für die Gewinnung brauchbarer Erkenntnissen über die Bedingungen (die Ermöglichungs- und Rationalitätsbedingungen) ihrer Transformation in (öko-) kommunistisch bestimmte  (Re-) Produktionsbedingungen. Aber das wäre dann natürlich – ohgottogott –  die  Frage nach deren „verdummter Nützlichkeit“.  Übergeht man allerdings das „linke“ Gebot der Vermeidgung allen Begehrens nach Nützlichkeit, ließe sich ein sinnvoller Gebrauch des Wortes „Gebrauchswert“ für eine Theorie der sozialen Emanzipation aus der kapitalistischen Selbstbereicherungsökonomie sehr wohl finden.

Das menschliche Verlagen, über etwas verfügen zu können, dessen Gebrauch einen Nutzen verspricht, und deshalb für die Begehrenden (potenziellen) „Gebrauchswert“ hat, gibt es in allen gesellschaftlichen Entwicklungsstadien bzw. Gesellschaftsformen, aber natürlich unterscheidet es (das Verlangen, bzw. er, der Gebrauchswert) sich je nach den historisch bzw. regional oder auch für einzelne Bevölkerungsgruppen jeweils vorherrschenden Aneignungs- und Produktionsbedingungen, dem Stand der Produktivkkraftentwicklung, der auf die materiellen Produtionsbedingungen aufbauenden Vorstellungen von richtig und falsch usw. Die jeweils vorherrschenden Behauptungsbedingungen formen Art und Qualität des Begehrens und die Qualität des Begehrten, die sozialen bzw. ökologischen Implikationen seiner Her- und Bereitstellung, Pflege oder Entsorgung usw.

Noch einmal: Kapitalistische Interaktionsbedingungen basieren bekanntlich auf dem Wettbewerb privater Selbstbereicherungsagenturen um die Fähigkeit, Gebrauchswerte für andere,  her- und bereitstellen zu lassen,  die um darüber verfügen zu können, ihrerseits etwas hergeben müssen, das sie privat besitzen, das wiederum für diejenigen einen Gebrauchswert hat, die das Begehrte  (das potenzielle Verfügungsobjekt) besitzen, weil sie es privat (statt gemeinsam mit denen, für die Ergebnisse der Mühen sind) haben produzieren lassen.

Aller Gebrauchswert existiert immer nur in Abhängkeit zu den Bedürfnissen, Möglichkeiten, Fähigkeiten usw. der sozialen Akteure, denen es nach seinem (potenziellen) Gebrauch verlangt. Das gilt übrigens auch für den Gebrauchswert des Geldes, das bei der kapitalistischen Art der Aneignung von Gebrauchswerten aller Verkaufsgegenstände (=Waren) zum Einsatz kommt, für deren Her- und Bereitstellung andere Arbeit verausgaben mussten. Für die Nochnichtbesitzer der in den Selbstbereicherungsagenturen erarbeiteten Güter- und Dienstleitungsangebote, besteht der Gebrauchswert ihres Geldes darin, es den Besitzern der von ihnen begehrten Gebrauchswertträgern übereignen zu können, um im Tausch das Recht zu erwerben,über die in den Gebrauchswertträgern angelegten Gebrauchswerte nun frei (= privat) verfügen zu können, d.h. im Wesentlichen ohne Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf die gesamtgesellschaftliche bzw. ökologische Vernunft des Ganzen Waren einzukaufen, mit deren Hilfe die eigene Existenz gesichert bzw. schön gekauft werden kann.  Der Gebrauchswert des Geldes ist also auf Seiten derer, die nach einem Gebrauchswert verlangen, dessen Tauschwert, weil dessen Besitz befähigt, ihn gegen begehrte Mittel der eigenen Existenzsicherung bzw. Bereicherung eintauschen zu können.

Für die Selbstbereicherungsagenturen „macht“ der mittels Arbeit unter ihrer Regie her- und bereitgestellte Gebrauchswert für andere den „Sinn“, das für den Kauf von Rohstoffen, Halbfertigprodukten, Produktionsmitteln und Arbeitsvermögen investierte Bereicherungsvermögen zu vermehren, d.h. sich den durch die Arbeit am Gebrauchswertzuwachs generierten Tauschwertzuwachs anzueignen.

Dass das so funktioniert liegt etwa am Gebrauchswert der Freiheit Arbeitsvermögender. Deren Freiheit von der Möglichkeit, selbst im größeren Umfang Produktionsmittel einzusetzen um die selbst bzw. gemeinsam benötigten Mittel der Existenzsicherung und Bereicherung  her- und bereitzustellen, bzw. deren Freiheit von der Notwendigkeit, als ein Sklave oder Leibeigener selbst  organischer Teil des Produktionsmitteleigentums anderer zu sein, korrespondiert mit deren Freiheit, selbst zu bestimmen, welcher Selbstbereicherungsagentur sie den Gebrauchswert ihres Arbeitsvermögens als eine Ware anbieten, die, dieser Ware als Mittel der eigenen Existenzsicherung und Bereicherung bedarf und bereit und in der Lage ist,  sich deren Gebrauchswert im Tausch gegen Geld anzueignen.  Nur-Arbeitsvermögende, die in diesem Moment das Geld aneignen, versetzt dessen Gebrauchswert wiederum in die Lage,  trotz ihrer Produktionsmittellosigkeit an die Mittel zu kommen, mit deren Hilfe sie ihre physische und psychische Existenz  als Arbeitsvermögende sichern und in diesem Rahmen (!) das eigene Leben zu bereichern.

Die Freiheit der kapital- bzw.  Selbstbereicherungsvermögenden, Arbeitsvermögen einzukaufen, das ihnen entsprechend ihrer Bedürfnisse Träger von Gebrauchswerten für Dritte produziert, die für sie selbst den Gebrauchswert haben, durch Arbeit generierte Tauschwerte darzustellen, d.h. sie zu Geld machen zu können,  (weil die, die ihrer bedürfen oder zu bedürfen meinen, ihr Geld hergeben müssen um darüber verfügen zu können) hat für das Funktionieren des Ganzen wiederum den Gebrauchswert, auf ein Über- oder Unterangebot bestimmter Gebrauchswerte, (welche  die Preise deren Träger und damit die Möglichkeit des „Geldmachens“ steigen oder fallen lassen) durch eine Verminderung und Vermehrung  ihres Einsatzes an Arbeitsvermögen zu reagieren.

Idealtypisch gleiche Produktivität unter den Konkurrenten und absolut freier Wettbewerb vorausgesetzt, können bei einem Unterangebot eines Gebrauchswerts Preise über und bei einem Überangebot nur unter den Wert erreicht werden, der zu erzielen wäre, wäre exakt das im gesellschaftlichen Durchschnitt notwendige Maß an Arbeitsvermögen  zum Einsatz gekommen. Überduchschnittliche Möglichkeiten, durch das Her- und Bereitstellenlassen von Gebrauchswerten für Dritte Geld zu machen veranlasst  die Selbstbereicherungsagenturen (unter den genannten Voraussetzungen) mehr Arbeitsvermögen einzusetzen und unterdurchschnittliche Möglichkeiten veranlasst sie weniger einzusetzten. Die freie Konkurrenz der Selbstbereicherungsagenturen. Die Freiheit der Arbeitsvermögenden von der Möglichkeit, eigenständig Produktionsmittel in Gang zu setzen, um die notwendigen Gebrauchswerte zu schaffen oder selbst – als Sklave –   Produktionsmitteleigentum anderer zu sein) sorgt also dafür, dass die Preise um einen gesellschaftlichen Tauschwert oszillieren, der zu erzielen wäre, würde sich Angebot und Nachfrage exakt die Waage halten.

Allerdings schließen sich einerseits freier Wettbewerb von auf Basis von privatem Produktionsmittelbesitz operierenden Selbstbereicherngsagenturen um die Möglichkeit, mittels eingekauftem Arbeitsvermögen begehrte Mittel der Existenzsicherung und Bereicherung produzieren zu lassen und möglichst selbstbereicherungsproduktiv zu Geld zu machen und andererseits gleichbleibende und unter des konkurrierenden Selbstbereicherungsagenturen gleiche Produktivität praktisch aus.

Wer unter den Konkurrenten produktiver produzieren kann, sprich in der Lage ist, mit dem gleichen Einsatz an Arbeitsvermögen mehr Gebrauchswerteinheiten  her- und bereitzustellen als die Konkurrenz es vermag, kann selbst bei Preisen unter dem gesellschaftlichen Durchschnittstauschwert selbst mehr Tauschwert (Kaufkraft, Geld usw.) aneignen als notwendig wäre, um die eigene Existenz (als Selbstbereicherugsagentur) zu sichern.

Wer umgekehrt NICHT in der Lage ist, zumindest gleich produktiv wie die Konkurrenz zu produziert, kann seine Existenz selbst bei einem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, bzw. bei Preisen, die sich entsprechend des gesellschaftlichen Durchschnitts an notwendigem Arbeitsaufwand einpendeln NICHT sichern.

Die miteinander konkurrierenden Unternehmen sind deshalb „bei Strafe ihres Untergangs“ genötigt, den Gebrauchswert exklusiver Konkurrenzvorteile aller Art in den Blick zu nehmen, seien es exklusive Möglichkeiten des Raubbaus an Natur und menschlichem Arbeitsvermögen, oder eine besonders günstige Lage hinsichtlich Verkehrsanbindung,  Absatzmärkten, Steuervorteile oder gut ausgebildetes und motiviertes Arbeitsvermögen vorzufinden oder aber dass deren Träger (die Arbeitsvermögenden)  sich mehr Bescheidenheit hinsichtlich des Tauschwertes ihrer Ware leisten können oder dazu mehr genötigt sind als die, die die Konkurrenz vorfindet. Einen entscheidenden Hebel der Selbstbereicherung hält ein Unternehmen in der Hand, das in der Lage ist, effektivere Produktionsmittel als die Konkurrenz einsetzten zu können und das also mit weniger Einsatz an Arbeitsvermögen, mehr Gebrauchswertpotenzial anbieten kann, das sich zu Geld machen lässt, und so am Ende für sich selbst selbst bei individuell geringeren Preisen (die den Konkurrenzvorteil garantieren) überdurchschnittlich viel Geldzuwachs aneignen kann, was dann wieder die Möglichkeit des Erwerbs weiter Konkurrenzvorteile erleichtert.

Konkurrenzvorteile auf Basis qualitativer Gebrauchswertunterschiede

Ein nicht weniger wirksamer Hebel  der Generierung von „Extraprofit“ durch einen exklusiven bzw. relativen Konkurrenzvorteil ist die Fähigkeit, Gebrauchswerte anbieten zu können. die von der Konkurrenz zumindest für eine gewisse Zeit nicht ohne weiteres reproduzierbar sind und so der übliche Ausgleichsmechanismus des freien Wettbewerbs außer Kraft gesetzt ist. Der freie Wettbewerb um das für die Verbraucher*innen günstigste Angebot kann so nicht mehr das Einpendeln der Warenpreise um einen Wert erzwingen, der dem zur Her- und Bereitstellung des betreffenden Gebrauchswertes –  unter diesen Bedingungen – gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwands entsprechen würde.

Die zivilisationsgeschichtliche Entwicklung gewinnt bei diesem nicht nachlassenden Kampf um Konkurrenzvorteile eine sich selbst beständig beschleunigende Steigerung der menschlichen Fähigkeit zur Her- und Bereitstellung bzw. dem Genuss von – privateigentümlich bestimmten – Gebrauchswerten.  Immer mehr (Re-) Produktionssubjekte (Menschen, die konsumieren,  Selbstbereicherungsagenturen zu ihrem Bereicherungsgewinn verhelfen oder dessen Gebrauchswert zu schätzen wissen, in staatlichen Instanzen arbeiten etc. stehen immer mehr Gebrauchswertträger zur Verfügung. Neue Produkte und Branchen entstehen. Trotz bzw. auf Grundlage zunächst Raum greifender Vereinfachung, Standardisierung, Entqualifizierung erfordern und ermöglichen die Her- und Bereitstellung bzw. Genuss von Gebrauchswerten am Ende einen stets höheren Grad an Bildung und (welt-) bürgerliche Reflektiertheit.

Die sich anschließende Frage ist allerdings die nach der historischen Notwendigkeit, Möglichkeit und Gebotenheit eines Übergangs zu (öko-) kommunistisch „Sinn machenden“ Gebrauchswerten. Ein weites und nun unbedingt zu beackerndes Feld. Jetzt nur soviel. Ein spezifisch (öko-) kommunistisches Begehren nach Verfügung über  Ergebnisse menschlicher Arbeit (bzw. mittels Arbeit zu erschießende Naturressourcen) wäre unmittelbar  mit Fragen nach der gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Vernunft ihrer Her-und Bereitstellung bzw. ihres Genusses verknüpf, bzw. mit der Frage,  womit sich diese  herstellen ließe.


Über den sehr unterschiedlichen Gebrauchswert des Gebrauchswerts und der Gebrauchswerte (3/3)

25. September 2017

Teil I | Teil II

Teil III meiner Auseinandersetzung mit  dem Beitrag Franz Schandls Beitrag (das unschuldige Ding) zum Schwerpunkt des „wertkritischen“ Magazin Streifzüge  70/2017 zur möglichen Bedeutung des  Gebrauchswerts für eine Theorie der Befreiung. 

Sich die Gebrauchswertseite der gegenwärtigen Vergesellschaftsbedingungen genauer anzuschauen und daraufhin den Gebrauchswert diesbezüglicher Reflexionen von Marx  für die Konstruktion vernünftiger Wegweiser aus dem kapitalistischen Chaos kritisch zu betrachten, ist ein Verdienst des Streifzüge Schwerpunktes. Bisher bleibt es mir allerdings ein Rätsel, worauf das Ganze hinauslaufen soll. Ich vermute Probleme mit zwei Dogmen, die in weiten Teilen einer sich „marxistisch“ verstehenden Weltanschaung eine Rolle spielen,  nämlich, dass 1.) im Kapitalismus Bedürfnisse (nach Verfügung über Gebrauchswerte) keine Rolle spielen und 2.) dass es darauf ankäme, die Bedürfnisse zur Macht zu verhelfen.

Wie in den Teilen I/III und  II/III gehe ich abschnittsweise vor Den Rest des Beitrags lesen »


Über den sehr unterschiedlichen Gebrauchswert des Gebrauchswerts und der Gebrauchswerte (1/2)

11. September 2017

Zu Teil 2 geht es HIER

Schwerpunkt des „wertkritischen“ Magazin Streifzüge  70/2017 ist die mögliche Bedeutung des  Gebrauchswerts für eine Theorie der Befreiung. 

Macht neugierig.  Schauen wir mal:

Etwa auf den Beitrag von Franz Schandl, der das unschuldige Ding unter die „wertkritische“ Lupe nimmt. Er reibt sich dabei an den folgenden Aussagen von Marx:

„Welches immer die gesellschaftliche Form des Reichtums sei, Gebrauchswerte bilden stets seinen gegen diese Form zunächst gleichgültigen Inhalt. Man schmeckt dem Weizen nicht an, wer ihn gebaut hat, russischer Leibeigner, französischer Parzellenbauer oder englischer Kapitalist. Obgleich Gegenstand gesellschaftlicher Bedürfnisse, und daher in gesellschaftlichem Zusammenhang, drückt der Gebrauchswert jedoch kein gesellschaftliches Produktionsverhältnis aus. Diese Ware als Gebrauchswert ist z.B. ein Diamant. Am Diamant ist nicht wahrzunehmen, dass er Ware ist. Wo er als Gebrauchswert dient, ästhetisch oder mechanisch, am Busen der Lorette oder in der Hand des Glasschleifers, ist er Diamant und nicht Ware. Gebrauchswert zu sein scheint notwendige Voraussetzung für die Ware, aber Ware zu sein gleichgültige Bestimmung für den Gebrauchswert. Der Gebrauchswert in dieser Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbestimmung, d.h. der Gebrauchswert als Gebrauchswert, liegt jenseits des Betrachtungskreises der politischen Ökonomie. In ihren Kreis fällt er nur, wo er selbst Formbestimmung. Unmittelbar ist er die stoffliche Basis, woran sich ein bestimmtes ökonomisches Verhältnis darstellt, der Tauschwert.“

MEW 13, S. 15-16

Schandl meint:

Indes wird diese Unmittelbarkeit der stofflichen Basis von Marx ja selbst im ersten Zitat dementiert.

Gemeint war offenbar das folgende:

Der einfache oder exoterische Marx geht so:

„Die Gebrauchswerte sind unmittelbar Lebensmittel. Umgekehrt aber sind diese Lebensmittel selbst Produkte des gesellschaftlichen Lebens, Resultat verausgabter menschlicher Lebenskraft, vergegenständlichte Arbeit. Als Materiatur der gesellschaftlichen Arbeit sind alle Waren Kristallisationen derselben Einheit.“

(MEW 13, S. 16-17)

Hier sprach Marx allerdings nicht vom Gebrauchswert im Allgemeinen, sondern von der Gebrauchswerteigenschaft von Waren, also von Gebrauchswerten, deren materielle Träger gekauft werden müssen um sie sich aneignen zu können bzw. deren Träger zum Zwecke ihres Verkaufs (d.h. ihres Eintausches gegen die Überware Geld) her- und bereit gestellt werden.

Der Streifzüge-Autor wendet dagegen ein:

Durch die Vermittlung des Gebrauchswerts durch den Tauschwert wird Erstgenannter geprägt und durch die Kapitalherrschaft stets modifiziert. Der Gebrauchswert ist wie der Tauschwert (Wert) eine Bedingung der Ware, nicht bloß eine Voraussetzung. Am isolierten Stück mag zwar nicht wahrzunehmen sein, ob es eine Ware ist, wohl aber an dem Verhältnis, unter dem es produziert, zirkuliert und konsumiert wird. Kein Gegenstand ist heute ohne seine strukturbedingten Beziehungen zu denken, in denen er sich bewegt. Ware zu sein, wäre demnach das gültige Schicksal des Gebrauchswerts. Oder um es gegen Marx zu wenden: Was „gleichgültig“ ist, ist nicht ungültig, sondern gültig.

 Oder um es gegen Marx zu wenden: Was „gleichgültig“ ist, ist nicht ungültig, sondern gültig.

Er kommt zu dem Schluss:

Die profane Vorstellung, der Gebrauchswert sei ewig, aber seitdem der Tauschwert in die Welt gekommen ist, wird jener mit diesem zur Ware vereinigt, ist doch etwas simpel. Gerade die retrospektive Anwendung des Begriffs scheint nicht überzeugend. Die Verbindung von Gebrauchswert und Tauschwert muss in der Ware nicht erst arrangiert werden. Der Gebrauchswert ist gesellschaftlich konnotiert und nicht als Begriff zur Kennzeichnung unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung von Selbstversorgern gedacht. Für die letztgenannte Bestimmung hätte er wenig Sinn.

Als „Beweis“ der Richtigkeit seiner Behauptung, dass „die Verbindung von Gebrauchswert und Tauschwert in der Ware nicht erst arrangiert werden muss“ präsentiert Schandl dann wieder eine Aussage von Marx über die Gesellschaftlichkeit des Gebrauchswerts von Waren:

„Um Ware zu produzieren, muss er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchswert.“ (MEW 23, S. 55) Das ist der obligate Fall.

Hier scheint eine Verwechslung vorzuliegen zwischen der Bezeichnung (der Kategorie, der allgemeinen Seinsbestimmung, der Klassifizierung usw.) und dem tatsächlichen, historischen, situationsgemäßen Dasein des Bezeichneten (des Kategorisierten, Klassifizierten, allgemein Bestimmten usw.). Die allgemeine Bestimmung von Gebrauchswert ist, sich von der Aneignung eines beliebigen Gebrauchswertträgers einen Nutzen zu versprechen bzw. versprechen zu können. Das gilt unabhängig davon, ob der Gebrauchswertträger Ergebnis gesellschaftlichen Tuns ist oder nicht (wie etwa Luft).

Tatsächlich ist der konkrete Charakter des Begehrens nach der Aneignung von Gebrauchswertträgern, also von Dingen oder Diensten, von deren Aneignung sich Menschen einen Nutzen versprechen (können), sprich, der konkrete Charakter von Gebrauchswerten IN DER REGEL,  (d.h. bis auf die, die ohne Vermittlung durch Mitmenschen der Natur entnommen werden können) GESELLSCHAFTLICH bestimmt, d.h. abhängig vom Stand der Produktivkraftentwicklung, der Art der (Re-) Produktionsbeziehungen und  der sozialen Stellung in ihr,  von Besonderheiten kultureller bzw. regionaler Natur, usw.

Sind die Gebrauchswertträger Dinge oder Dienste, die nur im Tausch gegen andere Gebrauchswertträger (in der Regel Geld) angeeignet werden können, also Waren, ist deren Gebrauchswert, wie bei ALLEN Gebrauchswertträgern, deren Existenz vom Tun und Lassen anderer Menschen abhängt, natürlich in IRGENDEINER spezifischen Weise gesellschaftlich bestimmt. Die historisch vorherrschende Weisen dieser gesellschaftlichen Bestimmung (Formierung) unterscheiden sich ebenso, wie deren Besonderheiten wie gegebenenfalls deren Klassencharakter, d.h. ob es als Mittel der Bereicherung UND Existenzsicherung (und dem Vergnügen) oder lediglich der Existenzsicherung (und ein wenig Vergnügen) dienlich ist).

Wenn Marx nun im Kapital die SPEZIFISCHE Weise der gesellschaftlichen Bestimmung von Gebrauchswerten in Warengestalt behandelt, bedeutet das keineswegs einen Wechsel der allgemeinen, überhistorisch für alle möglichen Produktionsverhältnisse gleichermaßen gültigen  Bestimmung von Gebrauchswerten.  Ein solcher Fehlschluss ist erklärungsbedürftig. Spielt hier etwa das Bedürfnis nach einer Moralisierung der Begriffe Wert und Gebrauchswerte hinein?  Etwa so? Da die ökonomische Wertgestalt der in Warengestalt auftretenden Gebrauchsträger als ein zentrales Element kapitalistischer Vergesellschaftung (dem Kaufen bzw. Verkaufen) erkannt, und Kapitalismus fraglos zu überwinden sei, müsse dann nicht also der von Marx als „neutral“ klassifizierte Gebrauchswert eigentlich als ein sozialistischer Himmelsbote des ersehnten Reichs gesehen werden in dem allein die Bedürfnisse regieren? „Aber nein“, folgt darauf der Einwand, seht, was Marx schrieb:

„Der Tauschwert jeder Ware drückt sich in dem Gebrauchswert jeder andern Ware aus, sei es in ganzen Größen oder in Brüchen dieses Gebrauchswerts.“

MEW 13, S. 28

Da sich die Tauschwerte der Waren nach Marx im Gebrauchswert der gegen sie eintauschbare Waren zeigen (und der Gebrauchswert des Geldes ist, den Tauschwert der gegen es eintauschbaren Gebrauchswertträger zu repräsentieren), kann ja „der Gebrauchswert“ auch nicht mehr „neutral“ sein. Gehörte er dann also nicht zusammen mit seinem Tauschwert gleich mit abgeschafft?

Falls ich mit meiner Vermutung richtig liege, könnte das immerhin als beginnende Ahnung gesehen werden, dass die vom linken Anti-Kapitalismus verbreitete Idee einer „befreiten Gesellschaft“ , in der allein die Bedürfnisse regieren (also der omnipotente Zugriff aller auf alle ersehnten Gebrauchswerte) nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, und dass es vielmehr darum gehen müsste, die sozialen Bedürfnisse mit den zu ihrer Befriedigung  aufzubringenden Kosten (sozialer bzw. ökologischer Natur) ins Benehmen zu bringen.

Wie weit es aber noch bis zu dieser Erkenntnis ist zeigt Schandl einige Zeilen weiter:

Dem Markt ist die stoffliche Seite des Produkts, soweit es den Tauschwert nicht tangiert, egal. Er nimmt alles, sofern es absetzbar ist.

Natürlich stimmt das so nicht. Die hier zum Ausdruck kommende Verdinglichung des Begriffs „Markt“ versperrt offenbar die Sicht auf die tatsächlich handelnden (und ihr Handeln bedenkenden) Marktsubjekte. Den potenziellen oder tatsächlichen Käufern der Ware  ist die stoffliche Seite der Ware nämlich alles andere als egal. Sie trägt den Gebrauchswert, wovon die kaufenden Marktsubjekte in der Regel nicht genug bekommen können. Am gesellschaftlichen (Tausch-) Wert bzw. an den Warenpreisen, die notwendig um diesen oszillieren, wertschätze sie meist eher deren Niedrigkeit.  Am besten, er tendiert gegen Null. Kaum wer hätte etwas gegen lebenslang allzeit erreichbares Freibier. Außer natürlich die Marktsubjekte, die mit der Herstellung und dem Verkauf des Bieres (oder etwa der Behandlung von Folgen übermäßigen Bierkonsums) ihre Existenz beschreiten müssen bzw. können. Sie wertschätzen eher einen hohen Marktpreis – besonders, wenn sie selbst den von den Kunden begehrten Gebrauchswert für einen niedrigeren Preis anbieten können als die Konkurrenz es vermag. Der Gebrauchswert der zu dem Zweck angeeigneten Produktionsmittel oder sonstiger Mittel der Beschleunigung zeigt sich ihnen im Extraprofit – bis die Konkurrenz gleichzieht und sich entsprechend des nun zum gesellschaftlichen Durchschnitt gewordenen Produktionsfortschritts ein neuer Marktpreis etabliert. Auch Mittel, mit denen sich die Fähigkeit herstellen und verteidigen lassen, einen von den (potenziellen) Kunden begehrten Gebrauchswert – für eine Weile – exklusiv anbieten zu können, haben für Waren „anbietende“ Marktsubjekte den Gebrauchswert, Mittel der Generierung von Extraprofit zu sein. Weshalb beispielsweise die Marktsubjekte, die vom Geschäftserfolg der Firma Apple abhängig sind bzw. von ihm profitieren, den Gebrauchswert des von ihnen eingekauften Arbeitsvermögens (der von hnen eingekauften Produktivkraft) von Produktentwicklern und Werbefachleuten für die Produktion des besagten Extraprofits so sehr wertschätzen.

Das passt aber nicht ins anti-kapitalistische Schema. Schandl gets the blues.

Stets geht es um die Verwertung und nicht um die Bedürfnisbefriedigung oder gar um das Vergnügen.

Hier kann man sehr gut die ideologisierende Wirkung der (anti-) politischen Passivform studieren, an die kein Pamphlet oder Theorieversuch des „linken“ Anti-Kapitalismus  herumzukommen scheint. Man ahnt, warum die Leideform unter den Dialektik und Materialismus vergessenen Kapitalismuskritikern so beliebt ist, und warum sie zugleich zu deren relativen Erfolg als auch zu deren Mangel an Perspektive beiträgt. Die Passivform beamt die tatsächlich handelden Subjekte mitsamt ihrer Besonderheiten und Widersprüchlichkeiten (und der Besonderheiten und Widerspruchen ihres jeweiligen Eingebundenseins) aus dem Sinn der Betrachtenden. Beginnt ein Satz mit „Es geht um …“   ist nicht mehr die Frage, ob es für die möglicherweise sehr unterschiedlich auf- und eingestellten Subjekte des „Es-Geht-Um…“ Geschehens“ um jeweils ganz verschiedene Dinge gehen könnte.

Bei dem zitierten Satz wirkt die Passivform als ein Mittel der Fetischisierung des Begriffs „Bedürfnisse“. Das so scheinbar mit eigenem Geist beseelte Wort wird so zum höheren Wesen, von dem erwartet wird, dass es uns vom Kapitalismus rettet. Der gute Dämon „Bedürfnisoriientierung“ weist die kapitalistischen Schlaraffenbürger den Weg in „die befreite Gesellschaft „. Dort würden dann alle Hindernissen der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung beseitigt sein. Wer käme da auf die Idee, dass es fragwürdige Bedürfnisse geben könnte und solche, dere Erfüllung große Probleme bereiten müsste, und dass es vielleicht eher darauf ankäme, die unterschiedlchen Bedürfnisse und Fähgkeiten mit den zu ihrer Befriedigung notwendigen Kosten (sozialer bzw. ökologischher Natur) auf eine Weise ins Benehmen bringen zu können, die

Wie im anti-kapitalistschen Diskurs üblich greift Schandl sich stattdessen, einen Part im Reproduktionsprozess des Kapitals heraus, den anzuklagen das kulturelle Kapital des Anti-Kapitalismus zu maximieren verspricht. Kapitalismus heißt aber nicht, dass der Blickwinkel des Kapital alles ist bzw. dass, worum „es“ im Kapitaismus ausschließlich „geht“.  Schandl schreibt:

Der Zweck des Gebrauchswerts besteht darin, entäußert zu werden. Entäußerung ist das unbedingte Ziel, Nützlichkeit nur die bedingte Option. Wenn wir von ihm sprechen, sprechen wir also von gesellschaftlichen Gebrauchswerten. „Gebrauchswerte werden hier überhaupt nur produziert, weil und sofern sie materielles Substrat, Träger des Tauschwerts sind.“ (MEW 23, S. 201)

Für das Kapital ist der Gebrauchswert der Waren, die unter seiner Regie produziert wurden und nun zur Veräußerung anstehenden, ihnen als Gegenstände des Tausches gegen Geld zu dienen um so den mit dem Herstellungsprozess verfolgten Zweck eines  Zuwachs an Tauschwertbesitz bzw. Kaufkraft zu erreichen, realisieren zu können. Das ist die unabdingbare Existenzbedigung kapitalistischer Produktionsstätten. Es ist auch von Relevanz, dass staatlichen Apparate ohne diesen Zugewinn nicht existieren könnten. Auch Staaten sind auf die vom Kaufkraftgewinn abgeleiteten Steuern und Abgaben existenziell angewiesen. Nicht zuletzt sind es die abhängig Beschäftigten. Unzweifelhat hat deren Arbeitsvermögen für das Kapital den Gebrauchswert, Gebrauchswertträger herstellen zu können, deren Aneignung  von hinreichend vielen und zahlungskräftigen Marktsubjekten (Menschen oder Institutionen) begehrt sein muss, DAMIT sie dafür das vom Kapital begehrte Geld zahlen.

Für die Käufer der Waren ist deren Gebrauchswert aber eben nicht durch die Eigenschaft gegeben, Substrat von Tauschwert zu sein. Es gibt zwar auch hier das Motiv der Wertanlage. Aber in der Regel  bestet der Gebrauchswert  in dem, was die stoffliche Eigenschaft des Eingekauften an  Vergnügen, Nutzen, Befriedigung oder Gewinn  verspricht.

Nur Gebrauchswerte vermögen sich als Tauschwerte. Gebrauchswerte werden hergestellt, um gekauft zu werden.

Und werden gekauft um deren Aneignung genießen zu können.

Sie werden nicht produziert, um unmittelbar konsumiert zu werden. Das werden sie zwar gelegentlich auch, aber das ist lediglich nachrangig.

Hier deutet sich ein weiterer Fehlschluss an. Auch wenn einmal kein Tausch mehr stattfinden und der notwendige Arbeitsaufwand oder die Breitschaft, ihn zu leisten nicht mehr mit Hilfe von Lohn, Preis und Profit (und sonstiger Geldfunktionen) ermittelt, repräsentiert, ermöglicht bzw. gemanagt werden sollte und nicht mehr Institutionen, die miteinander um die Fähigkeit konkurrieren, Mittel der privaten (d.h. von sozialer  Reflektion und Veranntwortung befreiter) Bedürfnisbefriedigung her und bereit zu stellen, damit sie ihre zenrale Existenzbedingung erfüllen, aus ihrer Verfügung über das zentrale Bereicherungsmittel Kaufkraft mehr Kaufkraft zu machen sondern über die zu erfüllenden Zwecke, Standards und Grenzen der Produktion, Herstellung und Garantie der notwendigen (Re-) Produktionsbedingungen, Kontrolle der Nebenwirkungen usw. weitgehend gemeinschaftlich (= kommunistisch) bestimmt werden könnte, hieße das keineswegs,  dass die her- und bereit gestellten Gebrauchswertträger UNMITTELBAR bzw. UNVERMITTELT für den Konsum hergestellt würden. Vermittlung, Ermittlung und Kontrolle bzw. Garantie des zu Tuenden, in welchen Grenzen es zu geschehen hat usw.  geschehe auf Grundlagen gemeinsam entworfener und durchgeführter Erhebungen und Berechnungen, Meinungsbildungsprozessen und Abstimmungen. Es kann ja nicht einfach koste es an Ressourcen, Mühen usw.  was es wolle, die Befiedigung der ermittelten Bedürfnisse verordnet (erzwungen) werden.

Der Gebrauchswert, von dem wir hier reden, ist immer formbestimmt gewesen, er ist gesetzt und nicht vorausgesetzt.

Noch einnmal: Es ist zu unterscheiden zwischen allgemeiner Bestimmung von Gebrauchswert, nämlich, als Erwartung, aus der Möglichkeit der Verfügung über einen Gebrauchswertträger IRGEND einen Nutzen ziehen zu können und dem konkreten Dasein von Gebrauchswerten (bzw. konkreter Erwartungen an die Möglichkeit, über Dinge, Handlungen oder Wirkungen verfügen zu können. Die konkrete Gesellschaftlichkeit dieses Verlangens und der Mittel seiner möglichen Befriedigung hängt selbstverständlich von den Formen ab, in denen die (Re-) Produktion der Gebrauchswertträger (z.B. Gebrauchsgegenstände) und der (Re-) Produktion der Bedingungen ihrer (Re-)Produktion  mit deren Aneignung vermittelt werden (was im Übrigen stets auch eine Frage des Stands der Produktivkraftentwicklung ist).

Alleine dass sich das ominöse Wörtchen Wert in den Begriff eingeschlichen hat, hätte auf diese Fährte führen können.

Das „ominöse Wörtchen“ Wert hat allerdings keinen anderen Sinn, als dass jedes Verlangen nach irgend etwas, ebenso wie die Einschäätzung des gegenstands des Verlangens einen bestimmten Grad an Quantität und Qualität hat, dessen Werte sich mehr oder weniger Präzise erfassen und auswerten lassen. (Oha. Auswerten! Auch so ein ominöses Wörtchen).

Kornelia Hafner ist uneingeschränkt zuzustimmen, wenn sie behauptet: „Insofern aber der Begriff Wert in dem des Gebrauchswerts enthalten ist, scheint der Gebrauchswert auch bei Marx nicht hinreichend präzisiert.“ (Gebrauchswertfetischismus, S. 64)

Nein, dem ist nun wirklich nicht zuzustimmen, denn anscheinend wird hier nur der eigene Begriffsfetischismus Marx unterschoben. .

Marx und noch mehr der Marxismus haben hier einiges zur Begriffsverwirrung in puncto Wert und Werten beigetragen. Die Welt beherbergt nicht einfach Gebrauchswerte, sondern diese werden erst selbst durch die Herrschaft der Ware resp. des Kapitals ausgebildet und geschaffen.

Und so falsch  weiter und so falsch fort.

Der Gebrauchswert ist nicht das unschuldige Ding, das da vom Tauschwert befallen wird.

Ha, wusste ichs doch :-).

Fortsetzung folgt im Bälde


Was kann das „trumputinistische“ Projekt einer Entzivilisierung des Kapitalismus stoppen?

11. November 2016

Ein aggressiv nationalchauvinistischer, und familienpolitisch reaktionärer Populismus geht um. Über die „sozialen Medien“ drängt Verachtung alles Mitmenschlichen in den öffentlichen Raum und nährt die Vorstellung, Demokratie sei das Recht einer entfesselten Meute, Repräsentanten und Verteidiger der Demokratie öffentlich den Tod an den Hals zu wünschen. Der sich mit unschuldigem Augenaufschlag als volksnaher Sorgenentsorger ausgebende Rechtspopulismus bietet Anknüpfungspunkte zum Hitlerismus, was aber nicht heißt, dass seine sich gegenwärtige herausbildende Gestalt eines trumputinistisch-republikanischen Mischwesens nicht bedrückend genug ist. Wir erleben derzeit, wie sich eine von Putins feudal-kapitalistischer Lügenrepublik gepuschte Internationale des Anti-Liberalismus anschickt, einmal wieder mit dem Projekt Weltgeschichte zu schreiben, den Kapitalismus von seinem zivilisatorischen Schnickschnack zu befreien.

Spätestens nach der Wahl Donald Trumps zum US Präsidenten muss man der Gefahr ins Auge sehen, dass die weltweite Entzivilisierung des Kapitalismus forciert wird und sehr schnell zu einem Grad voran schreiten könnte, ab dem alles Mitmenschliche, Vernünftige, Demokratische, Rücksichts-, Sorgen-, Liebe- und Lustvolle, kreativ Fantastische, alle wissenschaftliche Neugierde und Experimentierfreudigkeit, das stille Vergnügen an der Erkenntnisgewinnung und über Sachlichkeit garantierenden Regeln in einen sich selbst verstärkenden Sog der Entzivilisierung gerät. Gleich dem wilden Tanz eines stramm aufgeblasenen und urplötzlich sich selbst überlassenen Luftballons könnten dann die zunehmend entfesselten Triebkräfte der privateigentümlichen Vergesellschaftung ein letztes Mal furios über sich hinaus schießen – um am Ende als nutzlose Hülle um ein Nichts ins Bodenlose zu fallen. Die Aussicht auf ein solches Ende der menschlichen Kulturgeschichte ist alles andere als ein Grund zur Vorfreude. Sozialismus, verstanden als Übergang zu einem (welt-) gesellschaftlichen Für- und Voneinander, das auf Basis „öko-kommunistischer“ (Re-) Produktionsbeziehungen funktioniert, braucht die Luft zum Atmen, die gegenwärtig in der Tat nur ein halbwegs zivilisierter Kapitalismus mit leidlich demokratischer Verfasstheit und Menschenrechten garantieren kann. Und der (sozialistische) Übergang ins Zeitalter ökologisch reflektierter Mitmenschlichkeit braucht einen besonders langen Atem.

Was heißt das für mein öffentliches Nachdenken über Notwendigkeit, Möglichkeit, Gestalt und Vernunft einer an Marx/Engels (öko-) kommunistischen Humanismus (bzw. ökohumanistischen Kommunismus) anknüpfenden Transformationsperspektive?

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Reflexionen zu Axel Honneths Idee des Sozialismus (3)

25. Oktober 2016

Siehe auch Teil EINS und Teil ZWEI der Reflexionen über Axel Honneths Bemühungen um eine Neubestimmung der „Sozialistischen Idee“ Dieser Teil dürfte auch eine Weile nachreifen. Es wird hin und wieder durch zusätzliche Anmerkungen, Zitaten und Quellen ergänzt werden. Teil 4 folgt demnächst

„Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. (…) Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn.“

Marx: Das Kapital, MEW Bd. 25, S. 828.

In seiner Reflexion über den Stellenwert des Begriffs Freiheit im frühsozialistischen Ideenhimmel beginnt Honneth sich ab etwa Seite 45/46, an Marx Kommunismus heran zu tasten bzw. zu dem, was er dafür hält..

Er bemerkt, dass …

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Zu Axel Honneths Idee des Sozialismus (1)

28. Juli 2016

Zu Teil 2 und Teil 3

Sozialismus ist ein schillernder Begriff. Aus meiner Sicht müsste eine Theorie des Sozialismus heute dazu befähigen,  rationale Aussagen über die Notwendigkeit, Möglichkeit, mögliche Gestalt und (ethische) Vertretbarkeit einer Periode des  Übergangs zu einer weltgesellschaftlichen Ordnung, die  auf Grundlage (öko-) kommunistisch bestimmter Interaktionsbedingungen funktioniert, zu treffen und im herrschaftsfreien Diskurs zu verteidigen.

Sie muss es entschieden erleichtern können, seriöse Erkenntnisse über mögliche Gründe,  Bedingungen und Formen des Heranreifens und der Etablierung einer Ordnung  zu gewinnen, die es den globalisierten Menschen und deren Institutionen erlaubte, Bildung und Einsatz der wesentlichen Mittel menschlicher Existenzsicherung und Bereicherung  in gemeinschaftlicher Absprache zu organisieren. Sie muss klären helfen können, inwieweit es heute notwendig, möglich und geboten ist, die menschlichen bzw. für menschliche Zwecke genutzten Produktivkräfte und Produktionsmittel  in gemeinschaftlicher Verantwortung  zu entwickeln und anzuwenden. Inwieweit brauchen und wie kommen wir zu einem (öko-) kommunistisch bestimmten Umgang mit gegenständlichen wie geisitigen Produktions- und Distributionsmitteln, mit Technologie, Infrastruktur, den Naturressourcen, dem menschlichen Arbeitsvermögen, gesellschaftlichen Ressourcen wie  Wissen, Wissenschaft, Kunst und Können, Lernfähigkeit, soziale Fantasie, der Leidenschaft, Reichtum zu vermehren und sie zu genießen und nicht zuletzt das menschliches Begehren und menschliche Fähigkeit, soziale bzw. ökologische Verantwortung wahrzunehmen?

Zu klären wären vor allem die aktuelle Gestalt und das (Transformations-) Potenzial des bereits von Marx/Engels konstatierten Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen (längst auch weltgesellschaftlichen) Charakter des kapitalistischen Füreinander-Arbeitens bzw. voneinander Lebens und der privateigentümlich bzw. national bornierten Art, in der kapitalistisch vergesellschaftete Subjekte des Wirtschaftsgeschehens das zu organisieren haben. Und es gilt, herauszufinden, was gegenwärtig und in naher oder mittlerer Zukunft in Richtung einer (öko-) kommunistischen Auflösung dieses grundlegenden Widerspruchs geschieht und voran zu bringen wäre.

Meine Variante der sozialistischen Frage ist: wie können Individuen, die künftig mit Gewissheit in einem noch weitaus höherem Maße als bisher selbst denkende und entscheidungsfähige Wesen zu sein haben, dahin kommen, die inzwischen entwickelten bzw. angelegten Produktivkräfte (die immer auch Destruktivkräfte sind) in einer gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen Weise zu nutzen und weiter zu entwickeln? Und welche Übergänge in Richtung eines gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen Zusammenwirkens dürften unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte, Arten von Betroffenheit, Bedenken, Entwicklungsbedingungen, Gefahren, Chancen  usw. für hinreichend viele Menschen und Institutionen weltweit machbar und vernünftig sein bzw. es unter welchen Voraussetzungen werden ?

Es mag bedauerlich sein, dass solche Fragen auf einer gesellschaftlich halbwegs relevanten Ebene gegenwärtig eher unter dem Label „gesellschaftliche Transformation“, „ökologischer Umbau der  Industriegesellschaft“ usw. behandelt werden, und keineswegs  als Fragen des Sozialismus. Dies sollte aber nicht verwundern. Sozialismus wird heute weitgehend mit der Geschichte des sogenannten „realen Sozialismus“ identifiziert, und auf ähnliche Experimente möchte die meisten Menschheit aus gutem Grund verzichten. Das hat sein Gutes. Immerhin scheinen inzwischen keine Zweifel mehr übrig am Irrsinn des Versuchs, mittels Monopolisierung der wesentlichen Produktions- Distributions- und Kommunikationsmittel in die Hände autokratisch regierter Partei- und Staatsapparate eine dem Kapitalismus überlegene, weil sozialere, freiere, vernünftigere und in allen Belangen reichere Gesellschaft auf den Weg zu bringen. Leider heißt das gegenwärtige Schweigen über Sozialismus nicht unbedingt, dass der Irrsinn des Versuchs tatsächlich auch verstanden ist.

Mit einem 2015 erschienenen Buch bemüht sich nun der Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, Axel Honneth „die Idee des Sozialismus“ (so der Titel seiners 2015 erschienene Betrachtung) von ihr anhaftendem Unrat zu befreien und ihr ein modernes und attraktives Antlitz zu verleihen. Das verdient Respekt und wissenschaftliche Neugierde. Mein Fazit ist allerdings: Wenn der Philosoph sein nobles Ziel grandios verfehlen wird, so dürfte das vor allem an seiner konsequenten Empirie-Verweigerung liegen, die das Ganze als gut gemeinte Einmannphantasie erscheinen lassen. Je nach Blickwinkel sympathisch naiv oder ignorant bis anmaßend. Das Problem der konsequenten Luftigkeit seines Unternehmens zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Honneth seine 150 Seiten starke Suche nach Antworten auf die Frage, warum „die Ideen des Sozialismus ihr einstiges Anregungspotenzial scheinbar so unwiderruflich verloren haben“ der Frage des realsozialistischen Irrsinns gerade einmal zwei dürre Absätze widmet.

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Kapitalismuskritik ohne (ökokommunistische) Transformationsperspektive?

26. November 2015

Ein herrschaftsfreier Diskurs über die Notwendigkeit der Etablierung einer als solche tatsächlich handlungsfähigen Menschheit, die es den Globalisierten dieser Erde möglich machte, ihre Produktivkräfte auf öko-kommunistische Art zu entwickeln und anzuwenden, ist nicht ganz einfach. Schwierig macht das nicht nur das verbreitete Bedürfnis nach der Illusion eines richtigen Lebens im falschen, wie sie dem Antikommunismus zugrunde liegt, oder die bitteren Erfahrungen mit sieben Jahrzehnten realer Existenz einer weithin als  „Kommunismus“ missverstandenen Gespensterstunde.  Auch gängige Varianten des Anti-Kapitalismus machen die Sache nicht einfacher.

Ein häufig vorgebrachtes Antika-Dogma besagt, dass jegliche „positive Philosophie“ korrumpiert und die Reinheit der eigenen Perspektive nur erhalten werden kann, wenn man sich auf Kritik des Kapitalismus beschränkt. Es muss alles verdammt werden, was die Menschen dazu verführen könnte, „mitzumachen“ und sich, weil sie etwas ausrichten möchten, im Kapitalismus einrichten.

Eine solche, an mich gerichtete Kritik habe ich zum Anlass genommen, das mühselige (und wenig erquickliche) Durcharbeiten verschiedener Reflexionen der Kommunismusfrage (wie die drei Bände von „die Idee des Kommunismus“) einmal für eine Zeit zu unterbrechen, und ohne groß nach links oder rechts zu schauen, mein bisheriges Verständnis einer (öko-) kommunistischen Transformationsperspektive zusammenzutragen. Ich gehe im Folgen u.a. der Frage nach, wie an Marx ökohumanistischen Kommunismus  (bzw. ökokommunistischen Humanismus) anknüpfend kommunistische Philosophie möglich ist, die eben keine Ideologie ist im Sinne einer dogmatischen Setzung, die auf Wissenschaft verzichtet, und Analyse des Zusammenspiels von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen einbezieht. Die Sache endet mit 13 Thesen zur Notwendigkeit, Möglichkeit und möglichen Gestalt einer ökokommunistischen Transformationsperspektive.

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