Ich fände ja ein Institut attraktiver, das bereits mit dem Titel andeutete, das es die Entwicklung eines am Ende weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements anstrebt, das auf Basis sich turnusmäßig weiter entwickelnder Nachhaltigkeitsstrategien (auf lokaler, (über-)regionaler bis globaler Ebene) funktionierte. Aber nun gut: Das von der ISM artikulierte Bedürfnis nach einer solidarischeren Moderne ließe eine solche Perspektive immerhin zu.
Das ISM will eine Allianz schmieden.
„Unter dem Titel „Sozialökologischer Gesellschaftsumbau auf dem Weg in eine Solidarische Moderne“ hat das Institut Solidarische Moderne (ISM) ein Diskussionspapier zum sozialökologischen Gesellschaftsumbau veröffentlicht. Es möchte damit einen Beitrag für eine kulturelle, wissenschaftliche und politische Debatte gesellschaftlicher Alternativen leisten und darüber mit politischen Akteur_innen der politischen Linken diskutieren. Deshalb ist das Papier als Einladung an alle politisch Interessierten aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen gedacht, mit dem Institut Solidarische Moderne zu den anstehenden sozialökologischen Herausforderungen in einen Meinungsaustausch zu treten.
Ziel ist, den programmatischen und strategischen Verständigungsprozess weiter voranzubringen, der in der gesellschaftlichen und politischen Linken wie in der kritischen Wissenschaft und Kultur schon in Gang gekommen ist und durch die Wende in der Atompolitik neuerlichen Auftrieb gewonnen hat.
Dabei möchte das ISM weniger eine möglichst vollständige und durchgearbeitete Auflistung der verschiedenen einzelnen Schritte eines sozialökologischen Gesellschaftsumbaus leisten. Vielmehr will es deutlich machen, dass ein solcher Umbau nur als ein zusammenhängendes soziales, kulturelles und politisches Projekt entworfen werden kann, als Projekt letztlich einer anderen Gesellschaft: einer Solidarischen Moderne. Zur fortlaufenden Ausgestaltung und Durchsetzung eines solchen Projekts muss sich eine breite Allianz verschiedener Akteur_innen herausbilden.
Dieser Allianz will das Institut Solidarische Moderne mit der Diskussion des vorliegenden Papiers erste Gelegenheiten der Zusammenkunft aufden Weg bringen.
Das Papier ist nach einem vom Institut Solidarische Moderne entwickelten Crossover-Arbeitsprozess entstanden. Ziel des Prozesses ist es, möglichst viele Positionen einer Mosaik-Linken miteinander zu vermitteln, gegenseitiges Verständnis der Gemeinsamkeiten und Differenzen zu erzielen und diesen Prozess zugleich so partizipativ wie möglich zu gestalten.“
Zum Download: Sozialökologischer Gesellschaftsumbau auf dem Weg in eine Solidarische Moderne
Na, dann werde ich mein kleines Mosaiksteinchen mal einbringen in den Prozess der großen Allianzschaffe.
Anmerkungen zum Diskussionspapier
Einverstanden bin ich mit der Einschätzung im ersten Absatz, dass sich sowohl in den Anti-AKW und Stuttgart-21-Protesten als auch den Aufstände in Nordafrika ein gesellschaftliches Bedürfnis nach mehr Mitwirkung artikuliert. Dissenz empfinde ich aber bereits zu folgendem:
„Führen die im globalen Norden vorherrschenden Produktions- und Lebensweisen im globalen Süden seit Jahrhunderten schon zu Verarmung, sozialer Polarisierung bis hin zu hunger-, krankeits- und gewaltbedingtem Massensterben, bedrohen die Umwelt- und Klimakatastrophe wie die Zerstörung der Biodiversität im Zug ihrer gegenseitigen Verschärfung und Ausweitung durch die Finanz- und Schuldenkrise heute zunehmend das Überleben aller. Haben sich infolge des wirtchaftlichen Aufstiegs der Schwellenländer mehrere hundert Millionen Menschen trotzdem aus ihrer Armut befreit und sich Zugang zu den Lebensweisen und dem Konsumniveau der Mittelklassen des Nordens eröffnet, beschleunigen ihr Zugriff auf die natürlichen Ressourcen und die Explosion von Treibhausgasemissionen das Desaster eines Produktions- und Konsummodells, das nicht weiter durchzuhalten sein wird.“
Die mit Hilfe der Begriffe „globaler Süden“ und „globaler Norden“ vorgenommene gedankliche (Re-) Konstruktion zweier (statt ehemals drei) verschiedener Welten mit jeweils eigenen „Produktions- und Lebensweisen“ mag dem löblichen Impuls folgen, den im Begriff der „Moderne“ enthaltenen Euphemismus für den Siegeszug moderner (= kapitalistischer) Ausbeutungsverhältnisse weltsolidarisch zu überwinden. Doch trotz der sicher guten Absicht muss gesagt sein: Mit diesem gedanklichen Material würde das zu gießende Fundament für den gewünschten Organisierungssprozess in Richtung einer „anderen Gesellschaft “ zum ideologischen Wackelpeter..
Lassen wir die erwähnten „Jahrhunderte“ Revue passieren, so sehen wir auch nördlich vom Mittelmeer bzw. Panamakanal eine ungeheure Menge Elend und Tod und zum Teil ganz und gar unkonfortable „Lebensweisen“, während sich etwa in Lateinamerika bereits bis zum 2. Weltkrieg recht erfolgreiche moderne Ökonomien entwickelt hatten.
Die Absicht, die sogenannte „Moderne“ solidarisch zu machen, hätte die Herstellung eines weltgemeinschaftlich bestimmten Systems der Vermittlung von Aufwand und Genuss in den Blick zu nehmen die ttatsächlich in die Lage versetzte, die Erschließung und Nutzung von Nutzpotenzial in einer solidarischen Weise zu regeln.Der Fokus auf Lebensweisen unterstellt die augenblickliche Möglichkeit, hinreichend solidarsch zu leben und lässt vvergessen, dass dies eine Veränderung der Lebensbedingungen voraussetzte.
Die zunehmend auch räumliche Trennung von Mühen, Genuss, Macht und Verantwortung ist konstituierendes Element moderner Freiheit bzw. „der Moderne“ , die immer schon auch die Grundlage für unzureichende Möglichkeiten der Solidarität und der Verdrängung unbequemer Wahrheiten über die Bedingungen des für- und voneinander produzierens bzw.. lebens war. Dass grad die Erfolge der Globalisierung dieser – durchaus auch von den Ausgebeuteten in aller einkaufsparadiesischen Unschuld genutzten – globalen (Re-)Produktionsbedingungen nun zu einem wirklichen Menschheitsproblem wird, das auch in den Wohlstandsregionen unserers Planeten nicht mehr ignoriert werden kann, ist natürlich richtig.
„Ein Widerspruch voll des Absurden vertieft sich: nie war die wissenschaftliche und technologische Basis für den Übergang zu ökologisch nachhaltigen und sozial wie politisch gerechten Produktions- und Lebensweisen so entwickelt wie heute, nie war der gesellschaftliche Reichtum so groß, nie aufgrund dessen die Möglichkeit eines Lebens in Würde für alle Menschen auf der Erde so greifbar wie in unserer Zeit. Doch niemals zuvor steuerte die Menschheit so bedenklich auf einen allein von Besitz- und Überlebenskonkurrenzen getriebenen Zerfall sozialer Bindungen und sozialen Zusammenhalts und die Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen zu.“
Die zu vermittelnde Erkenntnis der Absurdität eines wachsenden Widerspruchs zwischen den wissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten eines Übergangs zum nachhaltigen Wirtschaften und systemischen Handlungsbedingungen (und ich meine auch Wahrnehmungsbedingungen), die genau dies blockieren, wird mit solcherart Sprachloopings wohl eher zerredet. Ich empfinde das als ebenso kontraproduktiv wie der hier zum Ausdruck kommende Kulturpessimismus im Reden über einen angeblichen „Zerfall sozialer Bindungen“., der von „Besitz- und Überlebenskonkurrenz angetrieben“ sei. Das ist zu vordergründig und auch einseitig auf eine propagandistische Delegitimierung der herrschenden Verhältnisse ausgerichtet. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Auch widersprüchlicher. Stattdessen wäre das Problem hervor zu heben, dass unter den Bedingungen kapitalistischer Konkurrenz Raubbau und Umweltbelastung zu einem Konkurrenzvorteil wird, der auch aus der Sicht der Konsumierenden faltalerwise als ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit erscheint.
Ich sprinng mal ein Stückchen nach vorn
„Ein umkämpfter Trend: Erneuerung des Neoliberalismus durch Grüne Ökonomie, Grüner New Deal oder sozialökologische Transformation? Die Begriffe der „Grünen Ökonomie“ wie des „Green New Deal“ umreißen den derzeit wohl maßgeblichen, in sich heftig umkämpften Trend gesellschaftlicher Entwicklung, in dem verschiedene, zum Teil auch gegensätzliche Kräfte versuchen, ihre Interessen zur Geltung zu bringen. Ob sich in dieser hochkonfliktiven Gemengelage ein umfassendes und breit akzeptiertes emanzipatorisches Gesellschaftsprojekt durchsetzt, ist gegenwärtig noch eine offene Frage: für ein solches Projekt schlagen wir den Begriff eines sozialökologischen Gesellschaftsumbaus vor.“
Ich werde daraus nicht wirklich schlau. Der im LINKEN Umfeld übliche Green-New-Deal-Schmäh scheint hier erst einmal auszubleiben. Aber es ist geheimnisvoll verschwurbelt von irgendwelchen „Interessen“ die Rede, die „zur Geltung gebracht“ werden. Aha! Wie bitte? Wer? Wo? Wie? Mir ist unklar, ob das „Institut Soldidarische Moderne“ eine soziale Alllianz schmieden will, die an den „Green New Deal bzw. den „ökologischen Umbau der Gesellschaft“ der Grünen anknüpft, irgendwelche weiteren Vorstelungen einbringt und das ganze deshalb „sozialökologischen Gesellschaftsumbau“ nennt oder ob das als Gegenkonzept gemeint ist. Liegt berhaupt eine Analyse der bisherigen grünen Umbaukonzepte und deren Stärken und Schwächen vor? Oder ist das Ganze mehr „freies Assoziieren“ und linkerKampf um den netteren Slogan?
Für die Möglichkeit eines solchen Umbaus spricht, dass sich den neoliberal-finanzkapitalistisch geprägten Projekten eines Grünen Kapitalismus ein breites Spektrum von Kräften entgegenstellt, das von grünen und linken Akteur_innen über soziale Bewegungen bis zu strategisch handelnden Unternehmerkreisen und Großunternehmen mit Gewinninteressen an einem ökologischen Strukturwandel der Wirtschaft reicht.
Statt über die prinzipielle Möglichkeit eines sozialökonomischenUmgbaus auf ökokaptalistischer Grundlage zu spekulieren, sollte zum Nachdenken darüber aufgefordert werden, wie die das gefördert und und wie dabei zu welchen darüber hinaus gehenden Etappen zu kommen wäre bzw. die zu erwartenden Hemmnisse überwunden werden können.
„Die zukunftsentscheidende Frage all’ dieser Auseinandersetzungen ist, in welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen und von wem eine Grüne Ökonomie durchgesetzt wird. Nimmt der neoliberale Finanzmarktkapitalismus die Grüne Ökonomie als Lebenselixier in sich auf, würden die Produktions- und Lebensweisen zwar ökologischer, doch nicht grundsätzlich anders werden: nicht gerechter, nicht sozialer und nicht demokratischer, ohne wesentliche Veränderung der gegenwärtigen Eigentums-, Verfügungs-, Verteilungs- und Machtstrukturen, ohne Raum für nachhaltige und demokratisch gestaltete gesellschaftliche Naturverhältnisse. Würden stattdessen mit einer Grünen Ökonomie auch die weltgesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu Gunsten eines postneoliberalen Richtungswechsels verändert und gelänge es, schon im Rahmen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaften eine emanzipatorische Zeitenwende einzuleiten, könnte dem fordistisch-sozialstaatlich und dem neoliberal regulierten Kapitalismus eine tiefgreifende sozialökologische Transformation folgen – mit offenem Ausgang. Welche Rollen dabei den verschiedenen Entwürfen eines Green New Deal zukommen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.“
Immerhin! Ein Bekenntnis zur Offenheit! Aber der ganze Abschnitt ist ansonsten von altbekannter „linker“ Antikapitalismusesotherik durchzogen. Was offenbar fehlt ist ein gewisses Gespür für Dialektik. Abgesehen davon, dass unklar bleibt, wo für die Verfasser der Diskussionsgrundlage die vorgestellte Scheidelinie zwischen „Lebenselexir des neoliberalen Finanzmarktkapitalismus“ und dem Drang zur „sozialökologischen Transformation“ verläuft, vergessen sie offensichtlich, dass man sich die gesellschaftlikchen Kräfteverhältnisse (also gesellschaftlichen und politischen Möglichkeiten) nicht beliebig aussuchen kann, dass in Sachen „sozialökologischer Umbau der Gesellschaft“ die langfristige Orientierung die gewichtigere ist, Strategie und Taktik nicht durcheinender gebracht werden sollen, und dass das Eine (notwendig zu kurz greifende) durchaus in das Andere (das nachhaltig Greifende) übergehen kann.
„Zum emanzipatorischen Transformationsprojekt der kommenden Jahrzehnte kann ein Green New Deal allerdings nur dann werden, wenn es durch Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse gelingt, einen emanzipatorisch-sozialökologischen Umbau der Wirtschaft mit der Erneuerung der Demokratie zu einem alternativen Gesellschaftsprojekt zu verbinden, das sich vor allem anderen in einer umfassenden Solidarität des Nordens und des Süden bewährt.“
Nun, abgesehen von der problematischen Kategorie des „Nordens“ bzw. „Südens“ (wo es um wirtschaftlich relativ starke oder schwache Regionen oder Staaten geht) könnte man das so stehen lassen. Allerdings fällt hier (erneut) die fehlende Bezugnahme auf gegebene Prozesse der „nachhaltigen Entwicklung“ auf. Warum ist das so?
„Einem so verstandenen Green New Deal stehen dann all’ die Kräfte entgegen, für die mit einer Grünen Ökonomie zwar die Produktions- und Lebensweisen ökologischer, doch nicht grundsätzlich anders werden sollen.“
Hier deutet sich ein problematisches (und jedenfalls wenig „modernistisches“) Verständnis sozialer Entwicklungen bzw. Emanzipation an. Offenbar werden die nicht als soziale Prozesse begriffen, bei denen sich die Akteure sukzessive neue Sichtweisen, Wünsche oder Möglichkeiten erobern sondern als Kampf der sowieso schon Guten gegen die ewigen Bösen.
„Hier wird auf E-Autos ohne grundsätzliche Änderung der Mobilitätsstruktur, auf Projekte erneuerbarer Energien in den Händen weniger Konzerne, auf einen harten globalen Kampf um knapper werdende Rohstoffe und eine primär sicherheitspolitisches „Management“ der Klima- und Ernährungskrise gesetzt. In dieser Perspektive investieren Private Equity Fonds wie Blackstone mehrere Milliarden Euro in Offshore-Windparks vor den deutschen Küsten, staatlich gefördert und mit günstigen Krediten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Hier wird die Ausplünderung des Planeten mit anderen Mitteln fortgesetzt, wird das mögliche Neue eines Green New Deal vom Alten eines Grünen Kapitalismus stranguliert, sollen die Wachstumsanstöße grüner Investitionen (in Kombination mit weiteren Lohnkürzungen und fortgesetzter Umstellung öffentlicher auf privater Daseinsfür- und vorsorge) deutsche und kerneuropäische Exportübeschüsse auf eine neue Basis und vor allem auf Dauer stellen. Dem entspricht, dass ökologische Technologie nicht mit anderen geteilt, sondern durch exzessiven Patentschutz teuer gehalten werden.“
Ja, das Böse lauert immer und überall. Statt die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu bejammern oder gar zur Legitimation sektierischen Abgrenzungsoptionen zu nutzen, sollte lieber die eigene Programmatik gestärkt werden, d.h. Wege zur solidarischen Welt entworfen, die zwar in der eigenen Perspektive streng an den zu lösenden Menschheitsproblemen ausgerichtet sind, aber für den Anfang doch breit genug angelegt, dass der gesellschaftliche Mainstream darauf Platz findet.
Drei Dimensionen einer emanzipatorischen sozialökologischen Gesellschaftstransformation
Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme unserer Zeit sind nicht voneinander zu trennen. Ungerechtigkeit führt zur Zerstörung der Umwelt, ob getrieben von Konkurrenz und Wachstumswahn im Zwang der Profitlogik oder bedingt durch die Armut der Ausgebeuteten, die zur Schonung der Natur oft nicht die Wahl haben. Umweltzerstörung führt umgekehrt zu mehr Ungerechtigkeit, weil sie am wenigsten die ökonomisch und politisch Mächtigen der reichen Länder und am stärksten die armen und ausgegrenzten Teile der Menschheit betrifft. Der Wechselwirkung von sozialen, ökonomischen und ökologischen Konflikten liegen oft undemokratische Herrschafts-, Macht- und Verteilungsverhältnisse und in ihrer Folge nicht-durchhaltbare Konsumwünsche zu Grunde. Ein alternatives Gesellschaftsprojekt umfasst daher ein emanzipatorisches Ganzes sozialer und ökologischer als auch kultureller Transformationsprozesse, das nur als Resultat der Selbstermächtigung und Selbstorganisation unterschiedlicher Akteur_innen im Verlauf einer Erneuerung der Demokratie entworfen und verwirklicht werden kann.“
Da wird nun alles in einen moralistischen Kulturkampf des Guten gegen das Böse gequetscht. (Zu lösende) Zielkonflikte kann es im Bemühen um eine nachhaltige Entwicklung offenbar per Definition eigener Gutheit nicht geben.
Betrachten wir die Aussagen im letzten Absatz etwas genauer:
Ungerechtigkeit führt zur Zerstörung der Umwelt, ob getrieben von Konkurrenz und Wachstumswahn im Zwang der Profitlogik oder bedingt durch die Armut der Ausgebeuteten, die zur Schonung der Natur oft nicht die Wahl haben.
Die gewählte Unbestimmtheit des Begriffs „Gerechtigkeit“ bzw. „Ungerechtigkeit“ bestimmt seinen Fetischcharakter d.h. lässt ihn als verdinglichtes Zaubermittel einer Vergemeinschaftung wirken, die Daufgrund der gesellschaftlichen Umstände (noch) nicht bewusst (im bewussten Miteinender) organisiert werden kann. Die unterstellte Logik der Beziehung zwischen Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung ist vollkommen aus der Luft gegriffen. Man wird zwar nach dem Motto „suchet, so werdet ihr finden“ eine Reihe von Indizen für eine solche Korrelation finden; doch genauso gut auch für das genaue Gegenteil! Die dem Begriff „Gerechtigkeit“ verliehene Heiligkeit scheint für die Zielgruppe (unter anderem mich) einen ähnlichen Zauber auslösen zu sollen wie für religiöse Menschen der Begriff „Gott“. Und so wie „Gott“ per Definition seiner Projekteure nur als der liebe Gott vorstellbar ist, (oder je nach aktutem Bedürfnis auch als der gerechte und entsprechend strafende Gott), scheint mir „Gerechtigkeit“ für die (vorgestellten) Jünger der Solidarischen Moderne nur als die gute und jedenfalls umweltfreundliche Gerechtigeit denkbar sein zu sollen. Zwar mag das trotzdem irgendwie zu irgendwie brauchbaren Gedanken und einer vernünftigen Praxis inspirieren, aber es ist eben nicht die ganze Wahrheit. Und die dadurch nötige Verdrängungsenergie hemmt die rationale (und deshalb auch rationelle) Erfassung der Herausforderung. In Wirklichkeit sind nicht einmal die vom „Wachstumswahn im Zwang der Profitlogik“ geschaffenen Tätigkeiten auschließlich dem „Reich des Bösen“ zuzurechnen, etwa wenn sie es Naturfilmern ermöglichen, mehr Menschen eine bessere Vorstellung davon zu vermitteln, was uns da – etwa durch die Anlage von Palmölplantagen – tagtäglich an Naturreichtümern verloren geht. Auch dieses Beispiel zeigt im Übrigen: Eine gerechtere Verteilung der Möglichkeit zur Aneignung der entsprechenden Erkenntnisse, bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach – zunächst einmal – ein Plus an Ressourcennutzung. Das gilt erst Recht für die gerechte Verteilung der Möglichkeit, sich über diese Erkenntnisse per Internet auszutauschen oder etwa, sich im Ökotourismusurlaub per eigenen Augenschein einen eigenen Eindruck von dem Drama zu verschaffen.
Dass undemokratische Herrschafts-, Macht- und Verteilungsverhältnisse sowohl der Entwicklungsgerechtigkeit (bzw. Chancengleichheit) schaden als auch der Naturumwelt (und dass nachhaltige Entwicklung deshalb bedeuten muss, beides miteinander ins Benehmen zu setzen und dass dies nicht ohne ein Plus an Demokratie bzw. Partizipation funktionieren kann, d.h. nicht ohne die Integration immer mehr Menschen in die realen Nachhaltigkeitsprozesse, ist keine Frage. Doch sind „nicht-durchhaltbare Konsumwünsche“ keineswegs zwangläufig Ergebnis „undemokratischer Herrschafts-, Macht und Verteilungsverhältnisse“. Im Gegenteil sind demokratische Verhältnisse ersteinmal die logische Voraussetzung für die Möglichkeit, höhere Löhne zu realisieren die in der Regel auch die Arbeitsproduktivität voran bringen und mit denen sich so oder so anspruchsvollere Konsumwünsche erfüllen lassen. (Das Wachstum lauert imer und überall). Der Fehler liegt meines Erachtens darin, nicht nach der Form (bzw. Reform) der Arbeitsteilung zu fragen bzw. nach der Aufhebung der „verdinglichenden“ Teilung von Arbeit, Genuss und sozialer (bzw. ökologischer) Verantwortung, die tagtäglich aufs Neue und systematisch das einpaufsparadiesische (Un-)Rechtsbewusstsein derer bestimmen, die „nicht-durchhaltbare Konsumwünsche“ hegen. Siehe: Sind wir des Warensinns.
Daraus ergeben sich drei miteinander verflochtene Leitlinien eines emanzipatorischen sozialökologischen Umbaus auf dem Weg zu einer Solidarischen Moderne:
(…)
„Die erste Dimension des sozialökologischen Gesellschaftsumbaus zielt auf eine tiefgreifende Transformation gesellschaftlicher Naturverhältnisse, weg vom profitorientierten Wachstum und hin zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Statt die Natur als Objekt grenzenloser Ausplünderung zu vernutzen, geht es um Naturverhältnisse, in denen sich die Emanzipation der Gesellschaft auch in der Schonung und Bewahrung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen bewährt. Das erfordert, Nahrungsgüter, Energie, Mobilität, Kommunikation und öffentliche Räume anders als bisher zu produzieren, bereitzustellen und zu nutzen.“
Zielende Dimensionen? Naja. Und worauf zielt die erste der künftigen Allianz-Dimensionen? Esrsteinmal auf die Überwindung „der Profitorientierung“ also des Kapitalismus. Wunderbar! Und, achja: „das Wachstum“ soll auch dran glauben. Und zur Belohnung, dass die 95 Prozent, die da vielleicht Bedenken haben könnten, still gehalten haben, gibt`s dann eine „globale nachhaltige Entwicklung“ für alle?
Die Natur „Objekt grenzenloser Ausbeutung“? Grenzenlos! Was eh schon schlimm genug ist, muss noch eine nicht mehr zu toppende Superlative verpasst bekommen. Damit die gedankliche Begrenztheit des formulierten Ziels (Dinge anders als bisher produzieren, bereitstellen und nutzen) nicht so sehr aufflällt?
Die Solidarische Moderne soll also sein, 1. Kapitalismusgegner aller Schattierungen vereinigen, damit sie (wir) der Formierung eines „Ökokapitalismus“ mittels Abschaffung von Wachstum und Privatwirtschaft zuvor kommen, um dann 2. irgendwie alles irgendwie anders zu machen.
Ich denke, dass ich meine Bemühungen an dieser Stelle lieber abbreche.
Schlusswörter:
Ein Blick auf die Liste der Autoren am Ende des Papiers gibt mir Rätsel auf. Zumindest von Dieter Klein hätte ich anderes erwartet. Das Ganze macht den Eindruck, als sei’s in Zeitstress aus der Hüfte geschossen, und ich denke, dass das ISM nicht schlecht beraten wäre, das Pampflet rasch zu vergessen und einen neuen Versuch zu starten. Statt mit Phrasen aus der Textbausteinmanufaktur linker Identitätsfindungsbemühungen Duftmarken zu setzen, sollten möglichst faktenreich und schonungslos die Herausforderungen in ihrer ganzen „Pracht“ beschrieben und Forschungsfragen formuliert werden, die an bestehende Ansätze bzw. Ideen anknüpfen wie etwa Green New Deal, Ökosteuern.Ökoaudit, vielleicht auch „Öffentlich-rechtlicher Bankensektor“ als Grundlage eines „ethischen Investments“ und herausfinden, wo die systemischen Fallstricke liegen und wie sie zu beseitigen wären.
Abschließende Bemerkung. Der Allianzbildungsversuch ist Herrman Scheer gewidtmet. Trotzdem ist „das 2 Grad Ziel“ unberührt von Scheers Kritik daran als Maßstab des Handelns bzw. Wegweiser in die „Solidarische Moderne“ genannt. Einem neuen Versuch sollte vielleicht das folgende Zitat von Hermann Scheer vorangestellt werden.
„Die Bilanz aller politischen Klimaschutzbemühungen der UN in den letzten zwanzig Jahren – seit der „Our Common Future“-Konferenz 1990 in Norwegen – ist deprimierend: Die Treibhausgasemissionen sind seitdem um 40 Prozent gestiegen. Ergebnis der mühseligen und prinzipiell unvermeidlichen Kompromissfindung auf UN-Konferenzen war letztlich eine Kompromittierung der internationalen Klimapolitik. Die Klimadiplomatie ist zu einem selbstreferenziellen System geworden, in dem die unabweisbare zentrale Frage nicht gestellt wird: Ist mit den verfolgten Ansätzen jemals ein befriedigendes Ergebnis zu erreichen? Und können UN-Weltkonferenzen über eklatante Weltgefahren überhaupt etwas bewirken?“
(…)
Auf der letzten in Kopenhagen ging es ohnehin nur noch um ein Verhandlungsziel, das bereits eine Teilkapitulation vor der drohenden Katastrophe darstellt: Die Klimagasemissionen sollten nur so begrenzt werden, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre – ausgehend vom Beginn des Industriezeitalters – nicht über 2 Grad Celsius hinausgehen soll. Damit wird eine weitere Zuspitzung der Klimagefahren (von gegenwärtig 385 ppm CO(2)-Anteilen in der Atmosphäre auf 450 ppm) in Kauf genommen.
Den Skandal kann eine Analogie verdeutlichen. Im Jahr 2000 veröffentlichte die UN ihre Millenniumsziele, die unter anderem vorsahen, die Zahl hungernder Menschen von damals 800 Millionen bis 2015 zu halbieren. Wie hätte die Weltöffentlichkeit reagiert, wenn die UN stattdessen als Millenniumsziel ausgerufen hätte, die Anzahl der hungernden Menschen nicht auf über zwei Milliarden anwachsen zu lassen? Ein solcher Zynismus war aber die Vorgabe für Kopenhagen, wo man sich nicht einmal auf dieses fatalistische Ziel einigen konnte.
Hermann Scheer in der Le Monde Diplomatique vom 18.02.2010
Und noch einmal zum „2 Grad-Ziel“:
„Die 2 Grad, die in Kopenhagen als Obergrenze für die globale Erwärmung vereinbart werden sollten, sind für die Natur zu viel. Eine Welt, die 2 Grad heißer ist, wird etwa eine Welt ohne Korallenriffe sein.“
Thomas Lovejoy, Quelle: Taz vom 10.5.2010
hhh
Eine wohl etwas einfühlsamere, gleichwohl kritische und jedenfalls sehr lesenswerte Kritik an dem Diskussionspapier der ISM gibt es übrigens im Mehring1 Blog von Judith Dellheim.
Interessant sind vor allem die folgenden Empfehlung an das ISM:
Dem Institut wird daher empfohlen,
1) eine öffentliche Konsultation zu der Frage führen „Was hindert Dich im Alltag daran, immer tatsächlich selbstbestimmt, solidarisch und ökologisch vernünftig zu handeln?“
Die Konsultation könnte Menschen aktivieren und eine öffentliche Debatte befördern. Dabei könnte die kollektive Auswertung der Antworten helfen und zugleich die Arbeit an Konzepten und Einstiegsprojekten unterstützen. Schließlich würden die Antworten sicher auch konkretere Aussagen zu den Problemverursachern, den zerstörerischen Produktions-, Wirtschafts- und Konsumtionsstrukturen ermöglichen.
2) könnte eine „Watch- und Evaluierungsgruppe“ Privatisierungsvorhaben zu öffentlichen Themen machen und erfolgte Privatisierungen bzw. PPP nach ihren gesellschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen evaluieren.
3) sollten ausgehend von den Darlegungen im ISM-Papier (S. 15-19) Aktivitäten unterstützt werden, die gegen Privatisierungen und Megaprojekte – insbesondere solche, die militärisch genutzt werden sollen oder können – gerichtet sind. Zugleich sollten Aktionen zu Arbeitszeitverkürzung, existenzsichernden Einkommen und zur Einführung, Wiedererhebung bzw. Reform einer Finanztransaktions-, der Vermögens- und Erbschaftssteuer unterstützt werden.
Kann das nur unterstützen, wenngleich die Frage nach der „Selbstbestimmtheit“ m.E. um Fragen nach Möglichkeiten des Aufeinander-Abstimmens ergänzt werden müsste. Und die Forschungs und Praxisfragen insgesamt noch einmal durchdacht werden sollten. Etwa fehlt mir der Bezug auf Nachhaltigkeitsstrategien, d.h. Fragen nach deren Potenzial und wie „emanzipatorisches“ Eingreifen aussehen könnte.
Die Sommerfactory ders ISM ist gerade vorüber. Silke Helfrich hat auf dem Commonsbliock einige Aspekte notiert, „die während des Eröffnungspodiums nicht zur Sprache gekommen sind“:
Tscha. Da scheint ein weites Feld noch brach … ? nein asphaltiert zu sein also seiner“ökohumanistischen“ Entsiegelung zu harren.