Engels: Wir lernen immer besser, uns ökologisch zu beherrschen

engels1.gif“Und in der Tat lernen wir mit jedem Tag ihre Gesetze [Anm. hh: die der Natur] richtiger verstehn und die näheren und entfernteren Nachwirkungen unsrer Eingriffe in den herkömmlichen Gang der Natur erkennen. Namentlich seit den gewaltigen Fortschritten der Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert werden wir mehr und mehr in den Stand gesetzt, auch die entfernteren natürlichen Nachwirkungen wenigstens unsrer gewöhnlichsten Produktionshandlungen kennen und damit beherrschen zu lernen. Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen, sondern auch wissen, und je unmöglicher wird jene widersinnige und widernatürliche Vorstellung von einem Gegensatz zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur, Seele und Leib, wie sie seit dem Verfall des klassischen Altertums in Europa aufgekommen und im Christentum ihre höchste Ausbildung erhalten hat.”

Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 453

29 Responses to Engels: Wir lernen immer besser, uns ökologisch zu beherrschen

  1. Leuchtspur sagt:

    Hallo!
    Es ist schon interessant zu lesen, wie optimistisch Engels die Zukunft sah, wenn er glaubte, das die Menschen sich durch zunehmende Beherrschung der Natur wieder als Eins mit der Natur fühlen würden. Engels´ fast religiöser Zukunftsoptimismus ist ein sympatischer Zug, aber wie sind wir Menschen des 21.Jh. ernüchtert worden!
    Viele Grüße

  2. hhirschel sagt:

    Liebe Leuchtspur

    einen Glaubenssatz oder „fast religiösen Zukunftsoptimismus“ kann ich in Engels Worten nicht entdecken.

    „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unsern menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. Jeder hat in erster Linie zwar die Folgen, auf die wir gerechnet, aber in zweiter und dritter Linie hat er ganz andre, unvorhergesehene Wirkungen, die nur zu oft jene ersten Folgen wieder aufheben.(Engels: Dialektik der Natur,MEW Bd. 20, S. 452-453)

    Im Anschluss zählt er eine Reihe ökologischer Desaster infolge allzu vorschnell gefeierter „Siege über die Natur“ auf, die wir heute endlos verlängern könnten..

    Aber sollen wir deshalb die Köpfe hängen lassen? Sind wir nicht im Gegenteil verpflichtet, aus den erkannen Schäden klug zu werden? Wie aber soll das gehen, wenn wir nicht lernen wollen, unser Verhältnis zur Naturumwelt in einer nachhaltigen Weise zu gestalten? Wenn wir nicht danach trachten würden, die Erkennbarkeit schädlicher Wirkungspotenziale unseres Tuns zu verbessern? Wenn wir die Kunst nicht wirklich beherrschen wollen, in einer zukunftsfähigen, umweltverträglichen Weise miteinander zu leben?

    Engels Hinweis, dass wir

    „bei jedem Schritt daran erinnert [werden], dass wir keineswegs die Natur beherrschen, wie […] jemand, der außer der Natur steht – sondern dass wir mit Fleisch und Blut und Hirn ihr angehören und mitten in ihr stehn,“ (MEW Bd. 20, S. 453),

    lässt sich so interpretieren: insoweit wir menschliche Naturwesen die ökologischen Grenzen unseres Plusmachens beachten lernen, lernt die menschliche, bzw. Mensch gewordene Natur, sich zu beherrschen.

    Gruß hhirschel

  3. Leuchtspur sagt:

    Hallo!

    „Namentlich seit den gewaltigen Fortschritten der Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert werden wir mehr und mehr in den Stand gesetzt, auch die entfernteren natürlichen Nachwirkungen wenigstens unsrer gewöhnlichsten Produktionshandlungen kennen und damit beherrschen zu lernen. Je mehr dies aber geschieht, desto mehr werden sich die Menschen wieder als Eins mit der Natur nicht nur fühlen,“

    Nun, der Fortschrittsoptimismus, der aus dem zitierten Text spricht, macht mir Nachgeborenen Engels ja sympatisch. Auf der anderen Seite wissen wir Nachgeborenen naturgegeben mehr und sind auf Grund der Erfahrungen auch illusionsloser als jene Aufbruchgeneration. – Und war nicht dieser Fortschrittsoptimismus letztlich auch in der gesamten sozialistischen und kommunistischen Bewegung das Narkotikum, das die Sicht auf die real existierenden Menschen ausblendete (der neue kommunistische Mensch; jeder nach seinen Bedürfnissen, etc.)?

    „…insoweit wir menschliche Naturwesen die ökologischen Grenzen unseres Plusmachens beachten lernen, lernt die menschliche, bzw. Mensch gewordene Natur, sich zu beherrschen.“

    Da hat er wohl Recht. Ich lese diesen Satz aber weit weniger optimistisch. Ich erwarte nicht, das diese Beherrschung eine Selbstbeherrschung durch Einsicht sein wird, sondern eine aus Zwang. Dabei sehe ich nicht, daß der Mensch sein Bild von der Natur in überschaubarer Zeit ändern wird. Die Natur wird ihren Objektstatus (Beherrschung!) behalten. Wie soll zur Deckung gebracht werden, daß der Mensch als Teil der Natur nicht unter die Herrschaftsmaxime fällt, Ist es nicht heute so, daß in der modernen Naturwissenschaft / Medizin der Mensch Objektcharakter bekommt wie die übrige Natur auch? Herrschaft und Mensch als Teil der Natur scheint mir ein Widerspruch zu sein. aber ich glaube, das hatte Engels auch nicht im Sinn. Wenn er den Menschen als Teil der NAtur bestimmt, so meint er damit wohl ein materialistisches/physikalistisches Menschenbild.
    Viele Grüße!

  4. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    ich kann immer noch nicht finden, dass Engels hier illusionär argumentiert:

    “Namentlich seit den gewaltigen Fortschritten der Naturwissenschaft in diesem Jahrhundert werden wir mehr und mehr in den Stand gesetzt, auch die entfernteren natürlichen Nachwirkungen wenigstens unsrer gewöhnlichsten Produktionshandlungen kennen und damit beherrschen zu lernen.“

    Dass zugleich mit der Möglichkeit, die „entferntesten natürlichen Nachwirkungen unserer gewöhnlichsten Produktionshandlungen“ zu beherrschen auch die Produktionshandlungen und damit eben auch deren „entfernte Wirkungspotenziale“ selbst wachsen, ist nicht erst heute ein Kernproblem kapitalistischer Fortschrittlichkeit.

    Wie Engels Aufzählung ökologischer Desaster aufgrund vorschnell gefeierter „Siege über die Natur“ (Beispiel:

    „die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, dass sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten“,

    MEW Bd. 20, S. 453),

    zeugt auch seine Beschreibung der Schwierigkeiten auf dem Weg zur Vorherbestimmbarkeit der gesellschaftlichen Produktionsfolgen von sehr großem Problembewusstsein:

    „Hat es aber schon die Arbeit von Jahrtausenden erfordert, bis wir einigermaßen lernten, die entfernten natürlichen Wirkungen unsrer auf die Produktion gerichteten Handlungen zu berechnen, so war dies noch weit schwieriger in Bezug auf die entfernteren gesellschaftlichen Wirkungen dieser Handlungen.“

    (MEW Bd. 20, S. 453)

    Und weiter:

    „Als die Araber den Alkohol destillieren lernten, ließen sie sich nicht im Traume einfallen, daß sie damit eins der Hauptwerkzeuge geschaffen, womit die Ureinwohner des damals noch garnicht entdeckten Amerikas aus der Welt geschafft werden sollten. Und als dann Kolumbus dies Amerika entdeckte, wusste er nicht, dass er damit die in Europa längst überwundne Sklaverei zu neuem Leben erweckte.“

    (MEW Bd. 20, S. 454)

    Warum aber sollten wir uns von solchen traurigen Tatsachen zum Fortschrittspessimismus verleiten lassen?

    Engels weiter:

    „Aber auch auf diesem Gebiet lernen wir allmählich, durch lange, oft harte Erfahrung und durch Zusammenstellung und Untersuchung des geschichtlichen Stoffs, uns über die mittelbaren, entfernteren gesellschaftlichen Wirkungen unsrer produktiven Tätigkeit Klarheit zu verschaffen, und damit wird uns die Möglichkeit gegeben, auch diese Wirkungen zu beherrschen und zu regeln“

    Wohlgemerkt: „die Möglichkeit!“
    .
    Und wie kann aus der Möglichkeit Wirklichkeit werden?

    Leuchtspur:

    „Ich erwarte nicht, dass diese Beherrschung eine Selbstbeherrschung durch Einsicht sein wird, sondern eine aus Zwang. Dabei sehe ich nicht, dass der Mensch sein Bild von der Natur in überschaubarer Zeit ändern wird.“

    Ich weiß nicht so recht, wohin diese Spur führen soll. Eine so pauschale Gegenüberstellung von „Zwang“ und (freiwillig erlangte) „Einsicht“ kann den komplexen Wechselwirkungen unserer Wirklichkeit niemals gerecht werden. Einerseits: Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie brachten bisher wenig oder gar keinen Erfolg. Andererseits: Nachhaltigkeit setzt Einsicht voraus.

    Und Engels?

    „Um diese Regelung aber durchzuführen, dazu gehört mehr als die bloße Erkenntnis. Dazu gehört eine vollständige Umwälzung unsrer bisherigen Produktionsweise und mit ihr unsrer jetzigen gesamten gesellschaftlichen Ordnung.“

    (MEW Bd. 20, S. 454)

    Zu radikal?

    Gruß hhirschel

  5. Leuchtspur sagt:

    Hallo!
    Es tut mir leid erst jetzt antworten zu können, ich war verhindert.
    Nun ja, Einsichten sind wichtig, aber alleine unzureichend. Aufgrund unserer evolutionären Geschichte sind wir zwar intellektuell in der Lage globale Prozesse zu verstehen, aber zum Handeln gehört Motivation, und die hat mit Emotionen, mit Unterbewußtem, mit kleinräumigen Erfahrungen zu tun. Nimm nur als Beispiel den Benzinpreis. Glaubst Du man würde aus Umweltgründen Benzin sparen, wenn der Preis bei 50 Cent pro Liter läge. Ich glaube das nicht. Und ähnliche Beispiele gibt es viele.
    Und jetzt zu der Engelschen Alternative:
    Daß man im 19.Jh. auf eine vollständige Umwälzung = Revolution setzte, zumal man sich als Vollstrecker einer gesetzmäßig verlaufenden Geschichte sah, ist erklärlich, heute aber für mich, nach dem Beispiel der gescheiterten Unternehmungen (Stalismus, Maoismus, Pol Potismus, u.a) völlig undenkbar. – Ich schätze Marx und Engels, weil sie zu denen im 19.Jh. gehörten, die die Menschen für die soziale Frage sensiblisiert haben, glaube aber, daß ihre Rezepte nicht mehr die unseren sind.
    Viele Grüße
    *

  6. hhirschel sagt:

    Guten Tag Leuchtspur,
    du schreibst:

    „zum Handeln gehört Motivation, und die hat mit Emotionen, mit Unterbewußtem, mit kleinräumigen Erfahrungen zu tun. Nimm nur als Beispiel den Benzinpreis. Glaubst Du man würde aus Umweltgründen Benzin sparen, wenn der Preis bei 50 Cent pro Liter läge. Ich glaube das nicht. Und ähnliche Beispiele gibt es viele.“

    Materielle Bedingungen des Denkens und Handelns unter die Lupe zu nehmen und notfalls zu ändern ist ja eine der Kerngedanken des marx/engelschen Herangehens. Emotionen und Gedanken, ob grad unbewusst oder deutlich spürbar bzw. höchst reflektiert, erwachsen aus Erfahrungen mit Handlungen und deren Verarbeitung – zum Beispiel durch einen Vergleich von Motiven und Erwartungen einer Handlung mit dessen letztendlicher Wirklichkeit.

    Die realen Globalisierungsprozesse werden zwar aus bestimmten Gründen nicht ausreichend nachvollzogen, geschweige denn im Sinne sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit beherrscht, aber sie bringen doch eine Erweiterung in der emotionalen und gedanklichen Anteilnahme am (in der Zukunft noch möglichen) Glück oder Unglück von Menschen und dem Zustand ihrer Naturumwelt, auch wenn sich das Wahrgenommene in weit entfernten Gegenden abspielt..

    Es gibt außerdem schon eine Vielzahl Menschen, die ganz (zukunfts-) bewusst aufs Auto verzichten, wo es nur geht und selbst dann Waren aus ökologischem Anbau oder fairem Handel bevorzugen, wenn diese mehr Geld kosten.

    Aus der Einsicht, dass sich dieser freiwilligen Öko-Avantgarde bisher nur Minderheiten angeschlossen haben und eine als Notwendig erkannte Anpassung des Verbrauchs an sozial und ökologisch bestimmte Vorgaben so nicht ausreichend schnell erreichbar ist, erwachsen wiederum politische Ideen wie die Ökosteuer. Die dagegen von interessierter Seite entfachte „Benzinwut“ – Kampagne (unter Beteiligung unserer heutigen Kanzlerin) zeigt nur die Notwendigkeit dieser „Provokation“. Und sie treibt wiederum zur Verstärkung der Aufklärungsarbeit. (Sollte es wenigstens!)

    Gruß hhirschel

  7. hhirschel sagt:

    Hallo und guten Tag Leuchtspur,
    die Frage der Notwendigkeit einer sozialen (weltgemeinschaftlichen) Steuerung der Entwicklung und Anwendung menschlicher Produktivkraft ist eine, wie das geschehen könnte und wie das auf keinen Fall angepackt werden darf, eine andere.

    Die gescheiterten Unternehmungen wie Stalismus, Maoismus, Pol Potismus, u. a. sagen über Grundlagen und Möglichkeiten sozialistischer Perspektiven genauso viel oder wenig, wie die bitteren Erfahrungen mit dem deutschen Nazifaschismus gezeigt hatten, dass es nunmehr keinerlei Grundlagen mehr gibt, das kapitalistische Experiment fortzusetzen. Es kommt entschieden auf die jeweils daraus gezogenen Lehren an.

    Gruß hhirschel

  8. hhirschel sagt:

    Liebe Leuchtspur,
    du hattest geschrieben:

    „Die Natur wird ihren Objektstatus (Beherrschung!) behalten.“

    Engels wollte allerdings nicht „die“ Natur beherrschen (die wäre dafür zu groß und eigensinnig. Es wird z.B. keinem Menschen je gelingen, nach Belieben die Sonne aus und an zu knipsen.). Er konstatierte, dass wir in sehr schwierigen, langwierigen Prozessen lernen, auch die entfernteren Auswirkungen der Produktion und des Konsums zu kalkulieren.

    Das können wir heute bestätigen.

    Aber wir sehen auch, dass sich die Erkennbarkeit späterer Schäden einen Wettlauf mit Handlungszwängen, die zur Herstellung immer neuer Schäden nötigen, liefert. Das ähnelt dem „Wettlauf zwischen Hase und Igel“. So sehr sich unsere Erkenntnisse auch beeilen: Nach jeder Runde rufen ihnen neu entfesselte Destruktivkräfte frech frohlockend zu: „Ick bün al door!“

    „Ist es nicht heute so, daß in der modernen Naturwissenschaft / Medizin der Mensch Objektcharakter bekommt wie die übrige Natur auch?“

    Die moderne Medizin ermöglicht immerhin sehr vielen Menschen, die durch einen Unfall oder einer Krankheit handlungsunfähig wurden, wieder einigermaßen (im Rahmen des kapitalistisch Möglichen) Subjekt zu sein oder deren Sein überhaupt zu verlängern.

    Wieso „der“ Mensch durch „die“ Naturwissenschaft einen „Objektcharakter“ bekommen soll, kann ich auch nicht recht nachvollziehen.

    „Herrschaft“ und „Mensch als Teil der Natur“ scheint mir ein Widerspruch zu sein.

    Wieso das? Igel, die das sich Einigeln beherrschen, bleiben Naturwesen. Menschen, welche die Kunst beherrschen, Wärme zu erzeugen, ohne zugleich den Treibhauseffekt zu verstärken, sind genauso Teil der Natur, wie Menschen, die diese Kunst nicht beherrschen und womöglich auch kein Bewusstsein ihrer Natur-Teilhaftigkeit besitzen.

    Aber ich glaube, das hatte Engels auch nicht im Sinn. Wenn er den Menschen als Teil der Natur bestimmt, so meint er damit wohl ein materialistisches/physikalistisches Menschenbild.“

    Engels bildete sich keineswegs ein, das Tun der Menschen naturwissenschaftlich ergründen und aus den Lebensbedingungen „mechanisch“ ableiten zu können.

    Sich als Teil der Natur „nicht nur zu fühlen, sondern auch zu wissen“ ist für ihn Ergebnis von sozialen Lernprozessen – zu denen Naturwissenschaften allerdings sehr viel beizutragen haben, etwa, wenn es darum geht, die Folgen des Klimawandels auf die Artenzusammensetzung abzuschätzen.

    Gruß hhirschel

  9. Leuchtspur sagt:

    Lb.hhirschel, verzeihen Sie, daß ich Ihnen erst jetzt antworte. Ich habe noch einige Schwierigkeiten mit dem Blog-Medium und eben erst gesehen, daß Sie schon mehrmals auf meine Kommentare geantwortet hatten.
    Ich teile nach wie vor nicht den Engelschen Optimismus, der ja auch der Ihre ist. – Es ist etwas zweierlei, theoretisch festzustellen, daß der Mensch Teil der Natur ist und sich als Teil der Natur zu verhalten. Wenn die Menschen sich so verhalten würden, wie es ihrer Rolle als Teil der Natur entspräche, so würden sie sich in ihrem Herrschaftsanspruch zurücknehmen. Sie würden ein Lebensrecht auch anderer Lebensformen anerkennen, sie würden sich nachhaltig verhalten, etc.etc. Das alles wird aber in unserer Gesellschaft als Romantik abgetan. Die durch den Kapitalismus entfesselte Technik zielt wesentlich auf Beherrschung der Natur, was nur zu legitimieren ist, wenn man die Natur zum Objekt erklärt. Ich erinnere nur an das „Elend der Nutztiere“ und an die Verwüstung ganzer Landschaften durch die Industrie. Diese Tendenz macht selbst vor dem Menschen nicht halt, der auch zum Objekt gemacht wird. Ich will gar nicht die Verdienste der Medizin schmälern. Immerhin hat die Medizin noch ein Ethos, das die Person in den Mittelpunkt stellt, aber im Alltagsgeschäft z.B. in den Kliniken tritt dieser Gesichtspunkt, so befürchte ich, mehr und mehr in den Hintergrund.

  10. Leuchtspur sagt:

    Noch ein Nachtrag:
    Auch in den verbliebenen kommunistischen Staaten sieht man kein andere Einstellung der Natur gegenüber. Ich weiß nicht,ob man China noch als einen kommunistischen Staat betrachten kann. Aber auch dort ungezügelte Ausbeutung der Natur. Gibt es irgendeinen kommunistischen Staat, der auch nur ansatzweise aus Einsicht seinen Frieden mit der Natur gemacht hat?
    Ich glaube nicht an das Paradies auf Erden, nicht an „Zuckererbsen für jedermann“ (Heine)

  11. hhirschel sagt:

    Liebe Leuchtspur,

    moralistisches Aufladen des Begriffs „Natur“ hindert eher am Erkennen der Anforderungen, die an die menschlichen Verhältnisse zur Naturumwelt derzeit zu stellen sind.

    Natur ist nicht das an und für sich Gute. Und es lässt sich allein aus der Erkenntnis, Teil der Natur zu sein, noch keine Pflicht zum ökologisch korrekten Denken und Handeln ableiten.

    Auch Ziegen sind „Teil der Natur“ und können als solche „Natur zerstören“:

    Engels:

    „… die Ziegen in Griechenland, die das junge Gestrüpp abweiden, eh‘ es heranwächst, haben alle Berge des Landes kahlgefressen. Dieser »Raubbau« der Tiere spielt bei der allmählichen Umwandlung der Arten eine wichtige Rolle, indem er sie zwingt, andrer als der gewohnten Nahrung sich anzubequemen, wodurch (…) die ganze Körperkonstitution allmählich eine andre wird, während die einmal fixierten Arten absterben. Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Raubbau mächtig zur Menschwerdung unsrer Vorfahren beigetragen hat.

    Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 448-449

    Und zwei Seiten weiter:

    „Die Tiere, wie schon angedeutet, verändern durch ihre Tätigkeit die äußere Natur ebensogut, wenn auch nicht in dem Maße wie der Mensch, und diese durch sie vollzogenen Änderungen ihrer Umgebung wirken, wie wir sahen, wieder verändernd auf ihre Urheber zurück. Denn in der Natur geschieht nichts vereinzelt. Jedes wirkt aufs andre und umgekehrt, und es ist meist das Vergessen dieser allseitigen Bewegung und Wechselwirkung, das unsre Naturforscher verhindert, in den einfachsten Dingen klarzusehn.

    Wir sahen, wie die Ziegen die Wiederbewaldung von Griechenland verhindern; in Sankt Helena haben die von den ersten Anseglern ans Land gesetzten Ziegen und Schweine es fertiggebracht, die alte Vegetation der Insel fast ganz auszurotten, und so den Boden bereitet, auf dem die von späteren Schiffern und Kolonisten zugeführten Pflanzen sich ausbreiten konnten. Aber wenn die Tiere eine dauernde Einwirkung auf ihre Umgebung ausüben, so geschieht dies unabsichtlich und ist, für diese Tiere selbst, etwas Zufälliges. Je mehr die Menschen sich aber vom Tier entfernen, desto mehr nimmt ihre Einwirkung auf die Natur den Charakter vorbedachter, planmäßiger, auf bestimmte, vorher bekannte Ziele gerichteter Handlung an. Das Tier vernichtet die Vegetation eines Landstrichs, ohne zu wissen, was es tut. Der Mensch vernichtet sie, um in den freigewordnen Boden Feldfrüchte zu säen oder Bäume und Reben zu pflanzen, von denen er weiß, daß sie ihm ein Vielfaches der Aussaat einbringen werden.

    Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 451

    Die von Engels formulierte Aufgabe ist (wie bereits erwähnt) gewiss nicht, sich Ziegen gleich „die Erde Untertan zu machen“.

    Er konstatiert, dass wir (erst) in langwierigen geschichtlichen Prozessen lernen, die gezielte Umwandlung von Naturgegenständen und -prozessen zum eigenen Nutzen (Arbeit = Produktion) in einer Art und Weise zu beherrschen, dass einem anvisierten und kurzfristig vielleicht auch erreichten Nutzen auf lange Sicht nicht ein um so größerer Schaden gegenüber steht.

    Und er behauptet, dass dies letztlich eine Veränderung der Spielregeln erfordert, in deren Rahmen die Menschen die Entwicklung und Anwendung ihrer Möglichkeiten (und Bedürfnisse!) zur Umwandlung von Naturgegenständen und -prozessen (also ihrer Produktion und Aneignung der Produktionsergebnisse) vorantreiben.

    Du scheibst:

    „Die durch den Kapitalismus entfesselte Technik zielt wesentlich auf Beherrschung der Natur, was nur zu legitimieren ist, wenn man die Natur zum Objekt erklärt.“

    Die kapitalistischen Weisen der „Entfesslung“ menschlicher Möglichkeiten und Bedürfnisse zur planvollen Umwandlung von Naturgegenständen und -prozessen zu einem (als solchen) bestimmten Nutzen oder Schaden (= die kapitalistischen Produktionsverhältnisse) brachten Atomkraftwerke und die Nutzung der Solarkraft hervor. Sie veranlassen den Präsidenten der Supermacht USA bei den Erdölförderländern des Nahen Ostens um günstigere Rohölpeise zu betteln oder stacheln den menschlichen Erfindergeist zur Konstruktion von Null-Energie-Häusern an.

    Ist also die bloße Möglichkeit oder Tatsache der Beherrschung von irgendwelchen Techniken der Natur-Bearbeitung (=“Beherrschung“) als solche von Interesse? Oder vielleicht nicht doch die (Mit-) Bestimmung des dabei erreichten Nutzens bzw. Begrenzung oder Vermeidung eines Schadens?

    Leuchtspur:

    „Ich erinnere nur an das “Elend der Nutztiere” und an die Verwüstung ganzer Landschaften durch die Industrie.“

    Es wird aber auch hier (natürlich innerhalb des kapitalistisch Möglichen bzw. Denkbaren) mehr Kommunismus gewagt. Es gibt heute Fleisch aus „artgerechter Tierhaltung“ und Alternativen zum industriellen Landbau, welchen die Landschaften unverwüstet lassen. (Siehe http://www.iydd2006.de/) Weil bei der (Mit-) Bestimmung eines bei der Produktion zu erzielenden Nutzens (bzw. der dabei zu erreichenden Schadensbegrenzung oder -vermeidung) zunehmend langfristige Perspektiven und die (kurz- und langfristigen) Perspektiven anderer Menschen (und sogar auch anderer Lebewesen) einbezogen werden.

    Gruß hhirschel

  12. hhirschel sagt:

    Leuchtspur schrieb:

    „Auch in den verbliebenen kommunistischen Staaten sieht man keine andere Einstellung der Natur gegenüber.“

    Der Satz enthält zwei fragwürdige Unterstellungen

    Erstens:

    Nach Marx/Engels Verständnis kann es „kommunistische Staaten“ ebenso wenig geben wie schwarze Schimmel oder weiße Rappen. Sie bestimmen Kommunismus ja grad als Prozess der Aufhebung staatlicher Gewalt bzw. Gewaltandrohung.

    Ihre These: Je mehr sich die Menschen in die Lage versetzen (können), die Entwicklung und Anwendung ihrer Produktivkräfte (die in bestimmter Hinsicht ja immer auch Destruktivkräfte sind bzw. in sich bergen) nach gemeinsam entwickelten bzw. vermittelten Interessen und Bedürfnissen auszurichten, desto weniger wird die Dazwischenkunft einer aus dem zivilen Findungsprozess herausgelösten besonderen Staatsmacht notwendig sein, welche die Spielregeln des Miteinander fürsorglich herstellt und garantiert.

    Wiederum Engels:

    „Es hat Gesellschaften gegeben, die (…) von Staat und Staatsgewalt keine Ahnung hatten. Auf einer bestimmten Stufe der ökonomischen Entwicklung, die mit Spaltung der Gesellschaft in Klassen notwendig verbunden war, wurde durch diese Spaltung der Staat eine Notwendigkeit.

    Wir nähern uns jetzt mit raschen Schritten einer Entwicklungsstufe der Produktion, auf der das Dasein dieser Klassen nicht nur aufgehört hat, eine Notwendigkeit zu sein, sondern ein positives Hindernis der Produktion wird.

    Sie werden fallen, ebenso unvermeidlich, wie sie früher entstanden sind.
    Mit ihnen fällt unvermeidlich der Staat. Die Gesellschaft, die die Produktion auf Grundlage freier und gleicher Assoziation der Produzenten neu organisiert, versetzt die ganze Staatsmaschine dahin, wohin sie dann gehören wird: ins Museum der Altertümer, neben das Spinnrad und die bronzene Axt.“

    Engels: Der Ursprung der Familie, S. 281 MEW Bd. 21, S. 168

    Das war allerdings in der Tat sehr „fortschrittsgläubig“, denn dass es jemals ganz ohne Staat gehen könnte, darf natürlich bezweifelt werden. Es macht allerdings Sinn, Kommunismus nach wie vor – unbedingt – als System außerstaatlicher, freiwilliger, ziviler Übereinkünfte eines „Vereins freier Menschen“ (Marx: Das Kapital, MEW Bd. 23, S. 92) zu bestimmen.

    Zweitens:

    Auch in China gibt es neben ungehemmten Raubbau von Naturkräften (vor allem auch der menschlichen Arbeitskraft) ökologische Gegenbewegungen und zwar sowohl außerhalb als auch innerhalb der „Allmächtigen“. Eine Zustandsbeschreibung welche das für den Natur- und Umweltschutz notwendig zu Tuende begründen soll, darf so eine Differenzierung natürlich nicht unbeachtet lassen.

    Leuchtspur:

    „Ich glaube nicht an das Paradies auf Erden, nicht an “Zuckererbsen für jedermann” (Heine)“

    „Paradies auf Erden“ oder „Zuckererbsen für jedermann“ sind allerdings als Beschreibungen der marx/engelschen Perspektiven ziemlich daneben.

    Vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen konnten die ja nicht genug bekommen. Zurück zur paradiesischen Unschuld? Nö! Aber über die Früchte der Erkenntnis, dass es nicht gut ist, dass die Kinder, die auf den Kakaoplantagen Westafrikas für den geilen Geiz europäischer Leckermäuler schuften müssen, selbst nicht wissen, wie Schokolade schmeckt, lohnte sich eine Unterhaltung schon, oder?

    (Siehe http://www.welthungerhilfe.de/2627.html)

    Gruß hhirschel

  13. Leuchtspur sagt:

    Hallo!
    Es geht nicht um moralische Aufladung des Begriffs Natur. Wenn man die Aussage, der Mensch ist Teil der Natur ernst nimmt, dann hat die Natur im und durch den Menschen eine ethische Komponente. Diese ethische Komponente hat etwas mit der Besonderheit des Naturwesen Mensch und dessen Freiheit zu tun. Diese ethische Komponente ist ein intersubjektives menschliches Phänomen, d.h. betrifft nicht gleichermaßen alle Naturwesen (z.B. Ziegen) oder anders formuliert, Ethik tritt in der Natur erst mit einer bestimmten Organisationshöhe auf. Sie hat aber dann Bedeutung für die gesamte Natur insoweit, als der Mensch sich ihrer bemächtigt kann und dieses Tun dann rechtfertigen muß.
    Soweit nun in den Marx/Engels Texten ein Streben nach Gerechtigkeit ausgedrückt ist, Gerechtigkeit zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur – bei Letzterem meine ich damit vor allem eine Selbstbeschränkung des Menschen gegenüber unseren Mitgeschöpfen – erkenne ich das beachtenswerte Ethos dieser Texte an, auch wenn die Schaffung des „Paradieses der Werktätigen“ sicher als ein Zukunftsprojekt gesehen wurde. Ich bin jedoch nach wie vor der Meinung, daß durch die bisherigen Feldversuche sich diese Anleitung zu mehr Gerechtigkeit in der Welt nicht empfohlen hat. Ich würde also vorschlagen, den Titel des Blogs von „mehr Kommunismus wagen“ in „mehr Gerechtigkeit wagen“ zu ändern 😉
    Viele Grüße

  14. hhirschel sagt:

    Leuchtspur behauptete:

    „Es geht nicht um moralische Aufladung des Begriffs Natur.“

    Lud dann aber noch einmal nach:

    „Wenn man die Aussage, der Mensch ist Teil der Natur ernst nimmt, dann hat die Natur im und durch den Menschen eine ethische Komponente.“

    Nein, die Erkenntnis unserer Naturteilhaftigkeit enthält an sich ebenso wenige „ethische Komponenten“ wie die Erkenntnis unserer Zweibeinigkeit.

    Natürliche Behauptungsordnungen sind definitiv unmenschlich. Sich als Teil einer unmenschlichen Welt zu wissen bedeutet an sich keinerlei ethische Verpflichtung. Welche soll das sein? Wie wolle man diese begründen? Ökologische Ethik ist eine Reaktion auf die (aber auch eine Funktion der) ungeheure(n) Entwicklung menschlicher Produktivkräfte (die zugleich Destruktivkräfte sind) und erwächst (außer aus Klugheitserwägungen in Sachen Zukunftsgestaltung) aus der gefühlten Notwendigkeit zur Verallgemeinerung von Mitleid oder des Gefühls von Verlust von Dingen, die zunächst lediglich von einer wissenschaftlich gebildeten grünen Avantgarde des Mitmenschlichen als „natürliche Reichtümer“ wahrgenommen und bewundert werden. Ökologisches Bewusstsein zu einer intersubjektiven Kraft des (Mit-)Menschlichen zu machen ist folgedessen Arbeit = Naturumwandlung zu einem vorher bestimmten menschlichen Zweck. (Zum Beispiel gilt es im Schoße unserer Gesellschaft keimende Ent-Entfremdungsprozesse aufspüren und zu fördern, wie etwa Ansätze eines sozial und ökologisch reflexiven Konsums.)

    Leuchtspur:

    „Ethik tritt in der Natur erst mit einer bestimmten Organisationshöhe auf. Sie hat aber dann Bedeutung für die gesamte Natur insoweit, als der Mensch sich ihrer bemächtigt kann und dieses Tun dann rechtfertigen muß“

    (Mit-)Menschliche Behauptungsordnungen erwachsen aus der Notwendigkeit und aus sich entwickelnden Fertigkeiten, Naturdinge und -prozesse zu einem vorher bestimmten Nutzen umzuwandeln. Arbeit (und die Notwendigkeit der Verständigung über deren Ergebnisse) schuf den Menschen. Steigende Produktivkräfte stellen die Nachhaltigkeit vieler vorschnell gefeierter „Siege über die Natur“ in Frage und schufen zugleich Wissen über und Empathie gegenüber Mitmenschen und natürliche Reichtümer. Dies aber versetz die Menschen zugleich in die Lage, Gegenkräfte der Natur, die sich als zu schwach erweisen oder allzu unangenehm zu werden drohen, durch eine Ethik der Selbstbegrenzung und entsprechendem „moralisches Tun“ zu ersetzen, das aber nur dann wirksam werden kann, wenn es gleichermaßen für alle eine Verpflichtung bedeutet – und alle dieser „Verpflichtung“ auch nachkommen können.

    Insofern ließe sich sagen, dass ein bestimmter Naturvorgang, nämlich den der Begrenzung des „Raubbauvermögens“ einer Spezies „Mensch“ bzw. „menschlich“ gewordene Natur ist, (die das Raubbauvermögen“ ihrer Elemente ansonsten eher durch äußere Umstände, Gegenkräfte oder genetische Programme im Zaum hält).

    Ein hinreichendes Bedürfnis, diese Begrenzung auch als eigene „Verpflichtung“ zu sehen, entwickelt sich aber erst mit dem Vermögen, dieser Verpflichtung auch nachkommen zu können und erfordert die Emanzipation des lohn- und gehaltsabhängigen Arbeitstiers zu einem sozial und ökologisch reflektiert produzierenden (Mit-)Menschen, dem die Arbeit(sergebnisse) und deren Voraussetzungen und Wirkungen in der Naturumwelt nicht egal sein können.

    Die Verspottung einer solchen Perspektive als „Schaffung des Paradies der Werktätigen“ kann seine moralische Kraft in der Tat „der Natur“ entlehnen, nämlich jener natürlichen Behauptungsordnung, die per Definition eben nicht menschlich ist.

    Grüße hhirschel

  15. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    du meinest:

    „Ich würde also vorschlagen, den Titel des Blogs von “mehr Kommunismus wagen” in “mehr Gerechtigkeit wagen” zu ändern ;-)“

    Damit wären die zu diskutierenden Perspektiven aber allzu schwach beleuchtet. Zwar geht es beim „Kommunismus wagen“ immer auch um Entwicklungsgerechtigkeit (zwischen den Generationen, Geschlechtern und sexuellen Orientierungen oder Menschen verschiedener Regionen, Phänotypen bzw. Herkünfte). Doch dies sind nur untergeordnete Aspekte.

    Marx .nannte die Suche nach „Gerechtigkeit“ den untauglichen Versuch …

    „… die Gesellschaft auf einer Basis rekonstituieren zu wollen, die selbst nur der verschönerte Schatten dieser Gesellschaft ist.“

    Marx: Das Elend der Philosophie, MEW Bd. 4, S. 105

    Denn im Verhältnis zwischen „Kapital“ und „Arbeit“ (dem außerhalb und dem innerhalb des eigenen Körpers vergegenständlichten Produktionsvermögen, das im Übrigen auch das Denken und Handeln der jeweiligen Subjekte gegenüber ihrer Naturumwelt bestimmt), geht es Marx nicht um mehr Gerechtigkeit innerhalb der erwähnten Gegensätze sondern um die Aufhebung dieser Gegensätze überhaupt.

    Ziel ist eher so etwas wie die (Möglichkeit zur) artgerechten Haltung des Menschen, die allerdings nichts anderes sein kann, als der aufrechte Gang bzw, die Fähigkeit der einzelnen Individuen, für das eigene Tun auch gerade stehen zu können. (Was allerdings Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsordnungen ausschließt, worin sich lohn- und gehaltsabhängig Beschäftigte – in aller „arbeiterparadiesischer Unschuld“ und deshalb „gerechterweise“! – auf zur Naturverwüstung nötigende Sachzwänge berufen können).

    Wiederum Engels:

    Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird.

    Hiernach sind die letzten Ursachen aller gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Umwälzungen zu suchen nicht in den Köpfen der Menschen, in ihrer zunehmenden Einsicht in die ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, sondern in Veränderungen der Produktions- und Austauschweise; sie sind zu suchen nicht in der Philosophie, sondern in der Ökonomie der betreffenden Epoche. Die erwachende Einsicht, daß die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein Anzeichen davon, daß in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Verändeungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische Bedingungen zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt.

    Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19, S. 210

    Gruß hhirschel

  16. Leuchtspur sagt:

    Hallo hhirschel!
    Was die Ethik betrifft habe ich mich vielleicht unklar ausgedrückt, jedoch halte ich meinen Gedanken für richtig. In Kürze also eine Präzisierung:
    In der Evolution tritt ethisches Denken beim Menschen auf (vielleicht in Vorformen auch bei anderen Tieren; das sei dahingestellt). Da der Mensch Teil der Natur ist, tritt somit ethisches Denken und die damit verbundene Problematik in der Natur auf. – Jetzt ist die Frage, ob die Ethik nur eine menschliche Angelegenheit ist oder ob sie auch Konsequenzen für die nichtmenschliche Natur hat. Daß das Letztere der Fall ist, glaube ich partiell begründen zu können.
    Nun wieder zum Kern: Ich wüßte nicht, wie man aus dem Materialismus(1), der ja die Philosophie von Marx und Engels war, die Entwicklung zu einer klassenlosen Gesellschaft geschweige denn eine gerechte Gesellschaft ableiten könnte. Warum sollte ich also einer Entwicklungsgesetzlichkeit, wie der Marxismus sie beschreibt, glauben. Dann ist es doch wichtiger zuerst sich einmal um Gerechtigkeit zu kümmern.
    Ich grüße Sie!
    (1) Materialismus: Das empirisch beschreibbare natürliche Sein ist das erste und einzige Sein
    PS

    Lb. hhirschel!
    In Ihrem Text sprechen sie einmal von Verspottung. Ich möchte keine Ideen verspotten und Menschen schon gar nicht. Wenn Sie das so aufgefaßt haben, so seien Sie versichert, daß das nicht in meiner Absicht lag.

  17. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    Sie sagten:

    „Da der Mensch Teil der Natur ist, tritt somit ethisches Denken und die damit verbundene Problematik in der Natur auf.“

    Ok! Meine Behauptung, dass die Natur unmenschlich ist, muss entsprechend relativiert werden. Sie gilt nur für „die Natur“ im Sinne von „soweit nicht vom Menschen gestaltet“. Richtig muss es natürlich heißen: Außerhalb der Menschen ist die Natur definitiv unmenschlich.

    Aber ok, einverstanden! Doch leider bedeutet die Tatsache, dass wir Menschen von Natur aus ethisch denkende und handelnde Wesen sind, noch keine Verpflichtung zur Anwendung bestimmter ethischer Grundsätzen – wie etwa dem Naturschutz.

    „Jetzt ist die Frage, ob die Ethik (…) auch Konsequenzen für die nichtmenschliche Natur hat. Daß das Letztere der Fall ist, glaube ich partiell begründen zu können.“

    Insofern Menschen sich zu einem Verhalten entscheiden, weil sie es unabhängig von vordergründigen bzw. egoistischen Klugkeitserwärungen gut finden, damit zum Schutz bestimmter Lebensbedingungen für bestimmte Lebewesen beizutragen, hat Ethik definitiv Konsequenzen für die nichtmenschliche Natur.

    Aber nicht die bloße Erkenntnis, „Teil der Natur“ zu sein macht uns zu Naturschützern, sondern genau die von Engels geschilderten Lernprozesse, die Erfahrung, dass es bei zu vorschnell gefeierten „Siegen über die Natur“ oft so war, dass der kurzfristig erzeugte Nutzen auf lange Sicht (oder in anderer Hinsicht) durch einen um so größeren Schaden erkauft wurde oder dass sich die Menschen mit Hilfe von Wissenschaft und Technik (und des damit vermittelten Wissens) zunehmend in die „Wunder der Natur“ verlieben.

    Gruß hhirschel

  18. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    zunächst zu ihrer Bestimmung von „Materialismus“

    „Materialismus: Das empirisch beschreibbare natürliche Sein ist das erste und einzige Sein“

    Warum sollten Materialisten behaupten, dass sich alle (!) Wirkungszusammenhänge auch bereits empirisch beschreiben lassen. Und da sind wir auch schon beim „historischen Materialismus“ den sich Marx/Engels auf die Fahnen geschrieben hatten, denn hier steht im Vordergrund, dass die Erkennbarkeit (und damit möglicherweise die Beeinflussbarkeit) bestimmter Wirkungszusammenhänge nicht nur voraussetzt, dass diese auch wirklich schon (oder immer noch) existieren, sondern auch, dass die Menschen bereits die entsprechenden Fähigkeiten (und sozialen Möglichkeiten) entwickelt haben, diese zu erkennen bzw. zu nutzen oder herzustellen.

    Leuchtspur:

    „Warum sollte ich also einer Entwicklungsgesetzlichkeit, wie der Marxismus sie beschreibt, glauben.“

    Glauben wird ja auch nicht verlangt 🙂

    Sehen wir uns noch einmal Engels Text an:

    „Die materialistische Anschauung der Geschichte geht von dem Satz aus, daß die Produktion, und nächst der Produktion der Austausch ihrer Produkte, die Grundlage aller Gesellschaftsordnung ist; daß in jeder geschichtlich auftretenden Gesellschaft die Verteilung der Produkte, und mit ihr die soziale Gliederung in Klassen oder Stände, sich danach richtet, was und wie produziert und wie das Produzierte ausgetauscht wird.“

    Lässt sich das widerlegen?

    Die derzeitige Praxis der Produktion und Aneignung menschlichen Reichtums (bzw. Umwandlung von Naturdingen und -prozessen zum menschlichen Wohl) gibt nun zweifellos diesem oder jenem kritischen Geist zu denken.

    Man fragt sich zum Beispiel, wie wir aus Zwängen heraus kommen, welche die Eindämmung des Treibhauseffektes verhindern und die am Wirtschaftsgeschehen beteiligten Menschen zur Verschwendung, Verwüstung, Unwissenheit oder Verlassensein nötigen?

    Falls man zu dem vorläufigen Ergebnis kommen sollte, darüber ernsthaft nachdenken zu wollen, wird man in Erfahrung bringen müssen, welche Notwendigkeiten und Möglichkeiten sich aus der derzeitigen Entwicklung menschlicher Produktivkräfte ergeben oder welche historischen Erfahrungen diesen oder lieber jeden Weg ratsam erscheinen lassen und welche Sackgassen zu vermeiden sind, kurz, es werden die „materiellen Bedingungen“ für Veränderungen gecheckt, damit das Wünschenwserte am Ende auch ein echter Lernerfolg wird.

    Gruß hhirschel

  19. Leuchtspur sagt:

    Lb.hhirschel!

    “Da der Mensch Teil der Natur ist, tritt somit ethisches Denken und die damit verbundene Problematik in der Natur auf.”

    Ok! Meine Behauptung, dass die Natur unmenschlich ist, muss entsprechend relativiert werden. Sie gilt nur für “die Natur” im Sinne von “soweit nicht vom Menschen gestaltet”. Richtig muss es natürlich heißen: Außerhalb der Menschen ist die Natur definitiv unmenschlich.

    Ich weiß nicht, wie Sie das meinen, wenn Sie „unmenschlich“ sagen. Wenn sie damit nichtmenschlich meinen, so sehe ich das auch so.
    Die Frage, ob denn der Mensch, da er ein ethikfähiges Wesen ist, ethische Maßstäbe auch gegenüber der Natur anwenden muß, ist wohl eine Schicksalsfrage und wer eine überzeugende Begründung dafür hätte, daß die Natur einen eigenen Rechtsstatus hat, wäre ein großer mann oder eine große Frau. Es gibt in der Philosophie Begründungsversuche, aber die gehen stets vom Menschen aus. Nach Kant ist es verwerflich Tiere zu quälen, weil der Tierquäler in seinem Menschsein hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibet. Hans Jonas sagt, man müße die Natur schützen um unserer Nachkommen willen. – Es wäre also ein Desiderat einen Eigenwert der Natur zu begründen.
    Dazu hilft die von Engels beschriebene Hoffnung doch nicht. Daß, was er sagt kann ich glauben oder bestreiten.

  20. Leuchtspur sagt:

    Der Materialismus behauptet ja nicht, daß sich jetzt alle Sachverhalte beschreiben lassen, er behauptet, daß es nur physikalische Sachverhalte gibt, bzw. daß man alles auf physikalische Sachverhalte reduzieren kann. Was den historischen Materialismus angeht, so glaube ich, daß die Marxsche Darstellung eine kluge Analyse der wirtschaftlichen Bedingungen seiner (und, mit Vorbehalt,vielleicht auch unserer) Zeit war. Aber ich glaube nicht an den umgestülpten Hegel, an die Entwicklung einer kommunistischen Gesellschaft. D.h. nicht, daß diese Gesellschaftsform nie existieren wird, vielleicht im Jahre 3500. Aber jetzt ist nicht die Zeit Utopien nachzulaufen. Kleine Schritte sind gefragt: Gerechtigkeit, Armutbekämpfung, Bildung, kurz Kärnerarbeit!
    Viele Grüße!

  21. hhirschel sagt:

    Liebe Leuchtspur,
    Sie sagten:

    „In Ihrem Text sprechen sie einmal von Verspottung. Ich möchte keine Ideen verspotten und Menschen schon gar nicht. Wenn Sie das so aufgefaßt haben, so seien Sie versichert, daß das nicht in meiner Absicht lag“

    Ach, manchmal ist Spott ja auch eine angemessen.Antwort. Hätte ich hier die „Partei der Werktätigen“ und deren „Realen Sozialismus“ verteidigt, würde mir ja ganz zu Recht die Vokabel „Arbeiterparadies“ um die Ohren fliegen.

    Aber an so einem „Arbeiterparadies“ liegt mir wirklich nichts. Hatte ja schon angedeutet, dass ich den „Sündenfall“ für einen Akt sozialer Emanzipation halte (Danke Eva!). Sehnsucht nach paradiesischer Unschuld ist doch reaktionär, oder?

    Gruß hhirschel

    .

  22. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    Sie meinten:

    „Die Frage, ob denn der Mensch, da er ein ethikfähiges Wesen ist, ethische Maßstäbe auch gegenüber der Natur anwenden muß, ist wohl eine Schicksalsfrage und wer eine überzeugende Begründung dafür hätte, daß die Natur einen eigenen Rechtsstatus hat, wäre ein großer Mann oder eine große Frau“.

    Der „eigene Rechtssatus“ der außermenschlichen (und deshalb eben auch unmenschlichen) Natur ist die Macht des Faktischen. Das Recht zu fressen und gefressen zu werden!. Krokodile morden nicht. Und Enten gehen höchstens als Hauptspeise vor Gericht. Der am „Mitgeschöpf“ interessierende Wert ist dessen Nährwert. In der außermenschlichen Welt ist erhaltenswert, was sich zu verteidigen weiß oder fliehen kann.

    Ob Menschen diese oder jene Naturerscheinung erhalten müssen kann natürlich (!) auch einfach von einer zu geringen Zerstörungskraft diktiert sein. Ein menschengerechter (also moralischer) Zwang aber muss erst erarbeitet werden.

    Wer gelernt hat, die fantastischen Ergebnisse der evolutionären Prozesse wahrzunehmen; wer diesen ungeheuren Reichtum an Behauptungstricks schätzen oder auch bewundern gelernt hat, wird vielleicht den von Kant erwähnten Zuwachs an Menschlichkeit spüren. Und gegenüber den geliebten Mitgeschöpfen, insofern bedroht, wird er oder sie vielleicht ein Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein für dessen Überleben entwickeln.

    Aber dann gilt es, Strategien zu entwickeln für Überzeugungsarbeit, der Gewinnung von Ressourcen für die wissenschaftliche Beschreibung oder die journalistische Aufbereitung und Verbreitung. Soziale Bewegung muss erfacht werden! Politische Initiativen gestartet!. Am Ende der politischen Überzeugungsarbeit steht vielleicht ein Gesetz oder Übereinkommen, das das Existenzrecht der Naturerscheinung sichern soll – was aber nur funktionieren kann, wenn sich alle ! daran halten müssen.

    „Eigenwert“? Es gibt eine Milbenart, ohne die ein bestimmter Baumsteigerfrosch kein Gift produzieren kann. In der Beauptungsordnung dieses Frosches ist die Existenz dieser Milbenart wohl von unverzichtbarem „Wert“. Da beide Naturwesen sind, kann man den Wert der Milbe für das Überleben dieses Frosches einen „Eigenwert der Natur“ nennen.

    Wenn aber die Frage ansteht, ob der Lebensraum beider dem Anbau von Biosprit weichen soll oder lieber nicht, dann hilft dieser so genannte „Eigenwert“ (der ja immer eine Ansammlung von gegenseituigen Abhängigkeiten und also „Eigenwertreihen“ ist) nur dann, wenn die menschlichen Entscheidungsträger sich freiwillig der „Bedeutung dieser Naturwesen füreinander“ zu eigen machen. Denjenigen, die sie „romantisch“ empfinden, etwa weil sie es für eine großartige Leistung der Evolution halten, einen Frosch hervor zu bringen, der die befruchteten Eier einzeln in Epiphyten hoch oben in den Baumkronen der Urwaldriesen befördert, muss es erst gelingen, das von Ihnen erreichte Level an ökologisch reflektierter Menschlichkeit zu verallgemeiner und so zu einem allgemeinen Gebot der Menschlichkeit zu machen. Dies geht aber nur im Rahmen langwieriger Überzeugungs- und Bildungsarbeit und in dessen Verlauf das Gebot zum Erhalt dieser Symbiose positives Recht wird und insgesamt menschliche Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsordnungen (auch ökonomischer Art) geschaffen werden, bei denen es keine Frage mehr ist, dass die Freude über den Erhalt dieser Naturerscheinung mehr Wert ist als die Freude über den in der Autobrennstoff-Herstellung gewonnene Mehrwert oder die damit angetriebene Freude über mehr freie Autofahrt für ökologisch reflexionsfreie Bürger.

    Leuchtspur:

    „Es wäre also ein Desiderat einen Eigenwert der Natur zu begründen.“

    Wie gesagt: Ente und Krokodil sind Naturwesen, die Ente hat fürs Krokodil Nährwert. Also hat „die Natur“ hier hier einen eigenen Wert.

    „Dazu hilft die von Engels beschriebene Hoffnung doch nicht. Daß, was er sagt kann ich glauben oder bestreiten.“

    Es ist aber nicht der Hoffnungszeufzer eines Gläubigen sondern die Beschreibung historischer Prozesse, deren Existenz – und vor allem deren Relevanz – belegt oder ach meinetwegen wiederlegt werden können. Mit „Glauben“ hat das überhaupt nichts zu tun.

    Entsprechend Egels Intention danach zu fragen, welche sozialen und ökologische Voraussetzungen und Wirkungen etwa die EU Richtlinie hat, nach der 10 Prozent des Benzins aus Biokraftstoff stammen soll, um heraus zu bekommen, wie die Produktion von Mobilität in einer Weise gestaltet werden kann, dass der gewonnene Nutzen nicht durch um so größere Schäden erkauft werden muss, kann den Beweis des „Eigenwertes“ der Natur in Gestalt der Beziehung von von Milbe und Frosch nicht erbringen, hilft aber, den Wert, den außermenschliche Naturwesen füreinander besitzen, als Faktor der Entscheidung für oder gegen Biosprit (und einer bestimmten Quantität Automobilverkehr) ins Feld zu führen.

    „Da, wo die Spekulation aufhört, beim wirklichen Leben, beginnt also die wirkliche, positive Wissenschaft, die Darstellung der praktischen Betätigung, des praktischen Entwicklungsprozesses der Menschen. Die Phrasen vom Bewußtsein hören auf, wirkliches Wissen muß an ihre Stelle treten.“

    Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 278

  23. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,
    Sie meinten:

    „Der Materialismus behauptet (…), daß es nur physikalische Sachverhalte gibt, bzw. daß man alles auf physikalische Sachverhalte reduzieren kann“

    Das wäre in der Tat ein sehr dummer Materialismus. Es kann beim Materialismus jedoch nicht darum gehen, etwa Ideale auf pysikalische Sachverhalte zu reduzieren.

    Es geht hier darum, zu verstehen, was bestimmte Ideale und deren Verallgemeinerung notwendig und möglich machen, welche Behauptungsordnungen und -kräfte zu ihrer Verallgemeinerung notwendig wären und was diese hervorbringen könnte.

    Leuchtspur:

    „Was den historischen Materialismus angeht, so glaube ich, (…) nicht an den umgestülpten Hegel, an die Entwicklung einer kommunistischen Gesellschaft. D.h. nicht, daß diese Gesellschaftsform nie existieren wird, vielleicht im Jahre 3500. Aber jetzt ist nicht die Zeit Utopien nachzulaufen. Kleine Schritte sind gefragt: Gerechtigkeit, Armutbekämpfung, Bildung, kurz Kärnerarbeit!“

    Es geht ja, wie schon öfters gesagt, nicht ums Glauben. Auch ich bin in Sachen „Kommunismus“ ganz und gar ungläubig. Es geht hier auch nicht darum, Utopien hinterher zu rennen, sondern um das Verorten von – sich aus einer unbeherrschten Produktivkraftentwicklung ergebenden – Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines sozial und ökologisch reflektierten Tuns, also darum, das gemeinsam als „das zu Tuende“ bestimmte in Raum und Zeit einzuordnen ohne sein eigenes Problembewusstsein auf das derzeit bzw. unter den derzeitigen Umständen Denk- und Machbare zu beschränken.

    „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt Bestehenden Voraussetzung.“

    Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 35

    Gruß hhirschel

  24. hhirschel sagt:

    Hallo Leuchtspur,

    „Materie“ oder „Geist“ erscheinen ja nur als Gegensätze, weil sie jeweils Abstraktionen wirklicher Gegensätze sind.

    Unter guten Bedingungen kann sich ein guter Geist gut, unter weniger guten Bedingungen weniger gut entfalten.

    Gruß hhirschel

  25. Leuchtspur sagt:

    “Materie” oder “Geist” erscheinen ja nur als Gegensätze, weil sie jeweils Abstraktionen wirklicher Gegensätze sind.

    Muß es nicht heißen:…weil sie nur Abstraktionen eines Ganzen sind?

  26. hhirschel sagt:

    Eine mehr oder minder geistreiche, verwerfliche oder ehrenwerte (ganze!) menschliche Tätigkeit wird als Tätigkeit als solche gefasst, womit das ganze Element als elementares Ganzes vorgestellt ist.

    Nun streiten sich die Geister ….? heißt konkrete Menschen mit widerstrebenden Interessen und Vorstellungen von Ehrenhaftigkeit, ob die Gänze menschlicher Tätigkeiten „Materie“ oder „Geist“ ist, laden das eine oder andere den eigenen Interessen gemäß moralisch auf oder ab und schon haben sie treffliche „Beweise“ für die Verworfenheit einer „materialistischen“ oder „idealistischen“ Weltsicht.

    Historisch-materialistisch werden die konkreten Tätigkeiten auf ihre historischen Voraussetzungen und Möglichkeiten hin untersucht (etwa welche Erfindungen gemacht wurden und ob bzw. wie deren Anwendung die Produktivität (und damit auch Destruktivkraft) der menschlichen Tätigkeiten vergrößerten aber auch welche „gewachsenen“ kulturellen Praxen konterkarierend oder fördernd wirksam sind), dies, um die Tätigkeiten und ihre Veränderung mehr oder minder nachvollziehbar oder vorhersagbar zu machen. Nicht, um bewusstes, die historischen Erfahrungen reflektierendes Handeln überflüssig sondern um diese möglich bzw. wirksam zu machen.

    Engels Behauptung, dass die Menschen in langen, unter Umständen sehr schmerzhaften, historischen Prozessen lernen, die ökologischen Rückwirkungen ihrer Produktionstechniken zu berücksichtigen lässt sich empirisch überprüfen.

    Wenn wir dabei feststellen, dass die als „Schäden“ bestimmten Rückwirkungen (Verwüstung, Artenschwund, Landflucht oder der alle diese Erscheinungen noch verstärkende Klimawandel) in beunruhigendem Tempo steigen, beweist das allerdings nicht unbedingt einen Mangel an Erkenntnis langfristiger Schäden unserer zu vorschnell gefeierter „Siege über die Natur“. Das Unglück kann auch daher rühren, dass das menschliche Vermögen zur Produktion und Aneignung menschlichen Reichtums so gewaltig gesteigert wurde, dass die Bestimmungsverhältnisse bzw. Behauptungs- bzw. Rechtfertigungsordnungen innerhalb denen wir Menschen derzeit genötigt sind, unsere Reichtümer zu produzieren und anzueignen bzw. innerhalb denen wir Produktionsmittel entwickeln und anwenden können, nicht mehr ausreichen um unsere Tätigkeiten in dem Sinne beherrschbar zu machen, dass ökologische (bzw. soziale) Folgeschäden möglichst ausbleiben. Und dass es vielleicht an der Zeit ist, mehr (Öko-) Kommunismus zu wagen :-).

    Gruß hhirschel

  27. Leuchtspur sagt:

    Eine mehr oder minder geistreiche, verwerfliche oder ehrenwerte (ganze!) menschliche Tätigkeit wird als Tätigkeit als solche gefasst, womit das ganze Element als elementares Ganzes vorgestellt ist.

    Hirschel, hirschel, welch ein Satz! Ich versteh ihn nicht.

    Aber etwas Grundsätzliches: Wir scheinen in vielen Sichten übereinzustimmen, was die Ökologie, die Gerechtigkeit u.a. betrifft. Wir stimmen nicht in der überein in der Beurteilung des historischen Prozesses, wie er im Marxismus vorhergesagt wird. Das ist meiner Meinung auch zweitrangig, insofern die nahe liegenden Ziele gemeinsam gesehen werden.

  28. hhirschel sagt:

    Hirschel, hirschel, welch ein Satz! Ich versteh ihn nicht

    Heißt: Spekulationen über angebliche Gegensätze der Aspekte „Geist“ und „Materie“ oder gar ein Streit, was davon nun „das Ganze“ sein soll sind müßig. Historischer Materialismus untersucht die menschlichen Beziehungen und fragt, welche historischen Bedingungen soziale Emanzipation fördern oder hemmen, notwendig machen, ermöglichen oder verunmöglichen. Er reduziert die Beziehungen nicht auf physikalische Gegebenheiten sondern erforscht historische Notwendigkeiten und Möglichkeiten einer Verallgemeinerung (und in sofern Vermenschlichung) des Vermögens, die Entwicklung und Anwendung von Produktionsmitteln (regional und global) miteinander abzustimmen.

    Gruß hhirschel

  29. hhirschel sagt:

    Wir scheinen in vielen Sichten übereinzustimmen, was die Ökologie, die Gerechtigkeit u.a. betrifft.

    Nunja, Gerechtigkeit ist ja erst einmal nicht mehr als ein wohlklingendes aber unbestimmtes Verlangen. Was wäre denn für Sie ein Beispiel für eine zu erreichende Gerechtigkeit?

    Wir stimmen nicht überein in der Beurteilung des historischen Prozesses, wie er im Marxismus vorhergesagt wird. Das ist meiner Meinung auch zweitrangig, insofern die nahe liegenden Ziele gemeinsam gesehen werden.

    In seiner Schrift in „Dialektik der Natur“ über die „Menschwerdung des Affen“ , aus der ich hier mehrfach zitiert hatte, hatte Engels ja schon erkennen lassen, dass Zukunftsprognosen nicht leicht sind.

    „Hat es aber schon die Arbeit von Jahrtausenden erfordert, bis wir einigermaßen lernten, die entferntem natürlichen Wirkungen unsrer auf die Produktion gerichteten Handlungen zu berechnen, so war dies noch weit schwieriger in Bezug auf die entfernteren gesellschaftlichen Wirkungen dieser Handlungen. Wir erwähnten die Kartoffel und in ihrem Gefolge die Ausbreitung der Skrofeln. Aber was sind die Skrofeln gegen (…) die Hungersnot, die 1847 im Gefolge der Kartoffelkrankheit Irland betraf, eine Million Kartoffel- und fast nur Kartoffel essender Irländer unter die Erde und zwei Millionen über das Meer warf? Als die Aaber den Alkohol destillieren lernten, ließen sie sich nicht im Traume einfallen, daß sie damit eins der Hauptwerkzeuge geschaffen, womit die Ureinwohner des damals noch gar nicht entdeckten Amerikas aus der Welt geschafft werden sollten. Und als dann Kolumbus dies Amerika entdeckte, wußte er nicht, daß er damit die in Europa längst überwundne Sklaverei zu neuem Leben erweckte (…) Die Männer, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert an der Herstellung der Dampfmaschine arbeiteten, ahnten nicht, daß sie das Werkzeug fertigstellten, das mehr als jedes andre die Gesellschaftszustände der ganzen Welt revolutionieren und namentlich in Europa durch Konzentrierung des Reichtums auf Seite der Minderzahl, und der Besitzlosigkeit auf Seite der ungeheuren Mehrzahl, zuerst der Bourgeoisie die soziale und politische Herrschaft verschaffen, dann aber einen Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat erzeugen sollte, der nur mit dem Sturz der Bourgeoisie und der Abschaffung aller Klassengegensätze endigen kann.“

    Engels: Dialektik der Natur, MEW Bd. 20, S. 453 – 454

    Letzteres mag man für agitatorisches Wunschdenken halten. Wichtig erscheinen mir allerdings zwei Fragen:

    1) Gibt es heute Entwicklungen, welche eine Überwindung von Klassengegensätzen notwendig erscheinen lassen?
    2) Gibt es heute Entwicklungen, die eine Überwindung von Klassengegensätzen möglich machen?

    Was spricht gegen die These, dass sich im Schoße des kapitalistischen Mit- und Gegeneinanders Notwendigkeiten und auch Möglichkeiten entwickeln, den kapitalistischen Gegensatz zwischen gesellschaftlichem Inhalt der Produktion und der privaten Form ihrer Aneigung aufzuheben?

    Gruß hhirschel

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