Verschmutzungsrechtehandel – Keime einer sozialistischen Marktwirtschaft oder ökokapitalistischer Selbstbetrug?

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Global Umweltschutzziele festlegen, nach den lokal besten Aufwand-Nutzen Relationen schauen und die Umweltschutzmittel dort einsetzen, wo sie den größtmöglichen Nutzen bringen! Klingt wie ökosozialistisches Ressourcenmanagement, ist aber als Verschmutzungsrecht-Handel das ökokapitalistische Mittel der Wahl:

Die Unternehmen bekommen Verschmutzungsrechte  zugewiesen, deren Umfang  sich ans globale Umweltschutzziel orientiert. Haben sie ihr Kontiengent ausgeschöpft, müssen sie zukaufen. Geld fließt an die, die ihre Verschmutzungsrechte nicht ausgeschöpft haben.  Die staatlich bzw. zwischenstaatlich so getrimmte „unsichtbare Hand des Privatinteresses“ verteilt den Aufwand daher so, dass er den best möglichen Nutzen bringt.

So weit die ökokapitalistische Theorie. Im Jahr 2005 begann der Emissionshandel in der Europäischen Union, der zwei Drittel aller Anlagen in der Stromerzeugung und die vier Industriezweige mit dem größten CO2-Ausstoß betrifft (Stahl, Baustoffe, Keramik, Papier). Jeder Anlage in diesen Sektoren wurde eine bestimmte Menge an Zertifikaten zugeteilt, die dabei für das Recht auf den Ausstoß einer Tonne CO2 stehen.

Es lässt sich auch ohne Wissen um den real existierenden Karbonhandel wie das anfängliche Verschenken von Verschmutzungsrechten (bis 2013), Schonung gerade der enegieintensiven Branchen und Karbonhandelgelder für fragwürdige Palmölplantagen oder pflanzliche Kraftstoffe denken, dass die schöne Theorie von einer hässlichen Praxis heimgesucht wird. Schließlich ist Kapital immer noch nationalstaatlich organisiert bzw. reglementiert und kann seine Lobbyarbeit nicht zuletzt auf die Konkurrenz der Nationalstaaten um Standortvorteile aufbauen.

Alternativen wären, nationale oder internationale Verbote (gegebenenfalls über Jahre  sukzessive eingeführt),  oder nationale  bzw. internationale Abgaben auf Ressourcenausbeutung  mit denen Fonds – etwa bei der UN Kommission für nachhaltige Entwicklung – gespeist werden, aus denen Nationalstaaten ihre Nachhaltigkeitsstrategien verwirklichen könnten.

Was augenblicklich eine (ökokommunsitische?) Forderung der Wahl sein sollte, ist für mich nicht ausgemacht. Vielleicht eine Mischung! Jedenfalls spricht m. E. einiges dafür, Forderungen nach einer radikalen Ausdehnung des Verschmutzungsrechtehandels auf alle Branchen nicht von vornherein abzulehnen und sich stattdessen – in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele – die Bedingungen genauer anzuschauen. Dass die notwendige Globalisierung des CO2 Emissionsrechtshandels derzeit ausgerechnet der Sozialstaatsverächter und Photovoltaikhasser Prof. Hans-Werner Sinn propagiert  (gemeinsam mit dem Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, PIK Prof. Ottmar Edenhofer) macht die Orientierung nicht gerade einfacher. (Das PIK hat eine gemeinsame Podiumsdiskussion der beiden dokumentiert)

News zum Thema gibt es auf dem Portal Wir Klimaretter

Auf der Pro Seite erscheint mir die Position des WWF interessant:

Der Emissionshandel gestern und heute – Nicht nur heiße Luft!

Attac…

… hat einen kritischen Reader herausgebracht mit Beiträgen von unter anderem Elmar Altvater, der gegen „modernen Ablasshandel“ und  weitere „Inwertsetzung von Natur“ argumentiert.

Allerdings erscheinen mir einige der hier vorgebrachten prinzipiellen Einwände fragwürdig.

Es ist paradox, dass internationale Klimapolitik seit etwa einem Jahrzehnt den Eintrag von CO2 und anderer Treibhausgase in die Atmosphäre vor allem mit Instrumenten des Marktes begrenzen will. Denn ein Markt für CO2 existiert gar nicht. CO2 hat keinen Gebrauchswert, mit dem Bedürfnisse befriedigt werden könnten, im Gegenteil, es ist schädlich; der Stoff lässt sich also nicht in eine Handelsware verwandeln.

CO2 hat auch keinen Wert, der als Marktpreis ausgedrückt werden könnte, im Gegenteil, es handelt sich um einen Unwert, den man möglichst schleunigst loswerden möchte – wenn es denn so einfach wäre.

Also bietet es sich eigentlich an, die CO2-Emissionen ordnungsrechtlich, mit gesetzlichen Geboten und Verboten, mit Grenzwerten und technischen Auflagen zu unterbinden, nicht aber Marktmechanismen eines zunächst gar nicht existenten Marktes zu bemühen.

Elmar Altvater / Archim Brunnengräber in einem Beitrag zu dem genannten Attac Heft

Es ist aber sehr wohl ein Gebrauchswert definiert, dem durchaus auch ein Bedürfnis zugrunde liegt,  nämlich das Bedürfnis der Emissionsvermeidung. Nur bringt es die kapitalistische Form der (z.B. globalen) Arbeitsteilung, also die private (vom Zwang zur sozialen Rechtfertigung freie) Form der Aneignung eines (welt-)gesellschaftlich produzierten Nutzens mit sich, dass die Aufwertung von Waren (infolge des für die CO2 Emissionsvvermeidung zusätzlich zu leistenden Arbeitsaufwands) ein privates Ärgernis ist, das es aus dieser Perspektive zu vermeiden gilt.

Stattdessen auf  Aufklärung und Charakterbildung (wie weiter unten im Text gefordert wird) basierende Privatentscheidung gegen die soziale Zumutung der Verteuerung  oder zugunsten des sozial bzw. ökologisch Korrekten zu setzen, hat den bekannten Nachteil, dass  das Guttun der Einen die anderen nur um so größere Spielräume zum Schlechttun verschafft.

Also muss per staatlichem Zwang zur privaten „Billigung“ des sozial Notwendigen genötigt werden. (Für Freiheitsbegriffsastrologen sei erwähnt, dass auch das „Sich-Heraushalten“ des Staates „Herrschaft“ reproduziert und ein bestimmtes Verhalten erzwingt).  Dafür stehen neben der Definition von Emissionshöchstgrenzen, der Vergabe entsprechender Lizenzen und der Erlaubnis, diese zu verkaufen, wenn „der Plan übererfüllt“ wurde, die oben genannten Alternativen zur Verfügung.

Die Wahl sollte sich meines Erachtens danach richten, was kurz- mittel und langfristig am besten geeignet ist, das (sozial) definierte Ziel auch wirklich zu erreichen und dabei auch noch eine möglichst große Anpassung der Einstellungen an die sozialen Ziele ermöglicht (der Bildung  eines angemessenen sozialen Vermögens einschließlich der erwähnten Charakterbidung).

Unstrittig dürfte  sein, dass die – der Wirtschaftsmacht der „global Player“ und der mit ihnen verschränkten Nationalstaatsinteressen geschuldeten – Halbheiten, Betrügereien und Fehlanreizen entgegen gewirkt werden muss.

Es sollen hier deshalb – auch zur eigenen Selbstverständigung –  kritische Informationen aus dem real existierenden Ökokapitalismus zusammen getragen und unterschiedliche Positionen vorgestellt werden.

1.)

Kritisch begleitet wird der Emissionsrechthandel vom Blog Klima der Gerechtigkeit der Böllstiftung

(Bei nähere Hinsehen bisher aber noch nicht wirklich ergiebig)

2.)

Monitor Nr. 583 vom 04.09.2008

Gut gemeint, schlecht fürs Klima?

Das Milliarden-Geschäft mit C02-Zertifikaten

Sonia Mikich:Gut gemeint war es ja: Unternehmen aus reichen Industriestaaten investieren in Klimaschutzprojekte in der Dritten Welt und sorgen dort dafür, dass CO2 eingespart wird. Und haben auch selbst was davon. Sie bekommen zusätzliche Verschmutzungs-Zertifikate. Und inzwischen ist daraus ein Milliardengeschäft geworden. Der Markt richtet’s? Ach was!

Kristian Lüders, Tina Kießling und Kim Otto haben herausgefunden: Der Deal mit den Klima-Zertifikaten nützt immer vielen, nur nicht immer dem Klima.

Weiter

3.)

Taz vom 05.06.2009

Fragwürdige Gutachten

Zweifel an Klimaprojekten

Eine WWF-Studie bemängelt die Qualität und die fehlende Unabhängigkeit von Gutachtern, die vom Norden finanzierte Projekte in Entwicklungsländern bewerten.

weiter …

Das Forum Öko-Soziale Marktwirtschaft argumentiert prinzipiell für den Emissionsrechtehandel.

Diese Form des Handels mit den Zertifikaten führt zu einer hohen volkswirtschaftlichen Effizienz. Denn zwar werden alle Unternehmen bei denen die Kosten zur Einsparung von CO2 über denen zum Kauf von Zertifikaten liegen, kaufen, statt die Umwelt zu schonen. Aber dafür haben alle Unternehmen so lange einen Anreiz CO2 einzusparen wie die Vermeidungskosten unter dem Preis der Zertifikate liegen und somit beim Verkauf Gewinn erzielt werden kann. Somit werden die CO2-Einsparungen an der Stelle vorgenommen, an welcher sie für die gesamte Volkswirtschaft am kostengünstigsten sind.

Es werden aber eine Reihe von Defiziten aufgeführt:

  • Zu viele Zertifikate
    In der ersten Phase des EU-Emissionshandels wurde eine zu große Menge an Emissionsrechten vergeben. Dadurch fiel der Preis je Zertifikat auf wenige Cent. Außerdem verpflichteten sich lediglich Großbritannien und Deutschland zu einer geringen Reduzierung des CO2-Ausstoßes. In den nächsten Jahren wird die Anzahl der Zertifikate zwar gesenkt, aber nur in geringem Maße.
  • Falsche Zuteilung von Zertifikaten
    Die Verteilung der Zertifikate unter den verschiedenen Branchen und Anlagen liegt im Verantwortungsbereich der EU-Mitgliedsstaaten. Dabei macht Deutschland den Fehler, Kohlekraftwerken mehr Ausstoßrechte zuzuteilen, als den umweltfreundlicheren Gaskraftwerken. Dies setzt den Anreiz Kohlekraftwerke neu zubauen.
    • Zu viele Ausnahmen
      Die geringe Senkung der Ausstoßrechte wird durch Ausnahmeregelungen für die osteuropäischen Staaten noch einmal abgeschwächt. Dies ist nicht nur umweltschädlich, sondern wird auch die dortige wirtschaftliche Modernisierung verlangsamen.
    • Eine weitere Ausnahmeregelung ist die Möglichkeit, Emissionsgutschriften zu erhalten, indem man Umweltprojekte im Ausland fördert (CDM-Projekte). Dies könnte bedeuten, dass mehr als 50 Prozent der Emissionsreduktion außerhalb Europas stattfindet, obwohl die Standards dieser Projekte sehr fragwürdig sind.
    • Zu wenige Branchen einbezogen
    • Außer in den oben benannten Branchen ist der CO2-Ausstoß bisher unbegrenzt. Ab 2012 wird zwar der Flugverkehr in den Emissionshandel mit einbezogen, doch andere Transportmittel und Industriezweige bleiben weiterhin uneingeschränkt im CO2-Ausstoß.
    • Nur Kohlendioxid wird gehandelt
    • Neben Kohlendioxid gibt es weitere klimaschädliche Gase, vor allem Methan und Distickstoffoxid. Sie werden in der jetzigen Regelung des Emissionshandels nicht berücksichtigt.
    • Fehler bei der Ausgestaltung der Auktionierung
      Ein Teil der Zertifikate wird stets versteigert. Die Einnahmen, die daraus entstehen, sind jedoch nur durch eine Absichtserklärung zweckgebunden. Außerdem wird bisher nur ein geringer Teil der Zertifikate auf diese Weise verteilt, erst ab 2013 müssen zumindest die Kraftwerksbetreiber alle Emissionsrechte ersteigern. Aber auch hier gibt es Ausnahmeregelungen für die osteuropäischen Kraftwerke sowie Zypern und Malta.

Das FÖS fordert eine stärkere Senkung der Emisssionsgrenzen. Außerdem sollte auch der Ausstoß an Methan und Distickstoffoxid in den Emissionshandel integriert werden und die Verteilung der Zertifikate in den Branchen verbessert werden, damit es keine umweltschädlichen Anreize gibt, beispielsweise neue Kohlekraftwerke zu bauen.

In den Emmissionsrechtehandel einbezogen werden müsste auch der Schiffverkehr, der Straßenverkehrs (vor allem des Transportsektors), und die Landwirtschaft. Zum Beispiel könten die Emissionsrechte auf die Treibstofflieferanten, also die Mineralölkonzerne verteilt werden. Diese müssten dann für die in die EU importierte Menge Treibstoff (je nach Sorte und dadurch beim Verbrauch entstehenden CO2-Ausstoß) Zertifikate abgeben. Die Preise hierfür würden an den Verbraucher weitergegeben.

Die Ausnahmeregelungen sollten so weit wie möglich abgeschafft werden. Weiterhin müssten die Gewinne aus der Auktionierung vollständig in den Umweltschutz fließen. Ingesamt sollte die Auktionierung an Stelle eines Verschenkens oder günstigen Verkaufens der Zertifikate häufiger genutzt werden.

Quelle: FÖS Themen Emissionshandel

Zum sozialen Manipulation der Preisschraube siehe auch

Produktion ökologisch Steuern!

2 Responses to Verschmutzungsrechtehandel – Keime einer sozialistischen Marktwirtschaft oder ökokapitalistischer Selbstbetrug?

  1. Erich Richter sagt:

    Sehr treffend ist die Anmerkung zur notwendigen Globalisierung des Emissionsrechtshandels im Dialog zwischen Prof. Sinn und Prof. Edenkofer vom sog. PiK-Institut (Verein)…

    Ähnlich ist ja auch in der realen Politik, wo eine Kanzlerin Merkel sich sozusagen als Zugmaschine für die ganze Ökowelle um C02 usw. zur Verfügung gestellt hat und versucht mit der C02-Keule die EU weiter zu einigen, um im Schulterschluss mit Obama, diese ganze Geschichte als Milliardengeschäft vorantreiben zu können. Aufgebaut auf eine politisch strategische Lüge des IPCC -zusammengestellt in
    einem Bericht des früheren Weltbankökonams Nicholas Stern – präsentiert von Frau Merkel – nicht als Kanzlerin, sondern in ihrer Experteneigenschaft als ehemalige Umweltministerin zum besseren Verständnis für die Marionetten der EU !

    Mögliche Folge: Ab in die Ökodiktatur, die sich natürlich nicht so benennt, sondern gerade in Form des Lissabonvertrages, immer wieder das großartige demokratische Gebilde EU gefestigt sehen will.

    Anstatt (zunächst einmal) diese Politik mit allen Mitteln zu bekämpfen, steigt „Die Linke“ voll in den Ökozug ein und läst sich von der Kanzlerin nach „Nirgendwo“fahren…Es fährt ein Zug nach „Nirgendwo“ !

    Ich bin aus diesem Zug ausgestiegen, weil mir die Luft zu stickig wurde und ich nicht im sozialistischen Wagon abgekoppelt werden will !

    Gruß Erich Richter- Rheinbreitbach

  2. hhirschel sagt:

    Hallo Herr Richter-Rheinbach,
    ich teile Ihre Ansichten keineswegs, sondern empfinde im Gegenteil die Orientierung vieler linksradikaler Kapitalismusgegener auf Abgrenzung von Ökologismus und Klimapolitik fatal. Mir kommt das so vor, als ob hier der Schutz der eigenen sozialen Nische über alles geht. Erkenntnisse der Gestalt, dass der Erderwärmung nicht mit revolutionären Parolen Paroli gegeben werden kann, sind, stören offenbar die Desperadoillusion.

    Manches Mal treten „radikale Linke“ ja sogar in einen Wettlauf mit den Schurkenfirmen der Ölwirtschaft um die platteste Leugnung des Problems ein, versteigen sich in Verschwörungstheorien oder moralischer Empörung gegen das Geldverdienen an und für sich.

    Schrecklich!

    Momentan fehlt es mir leider an Zeit und Muße, näher darauf einzugehen. Vielleicht ein andersmal.

    Gruß Hans Hirschel

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