Kulturalismus nervt. Schön, wenn mal wieder wer kritisiert, dass allzu oft „soziale Strukturen in menschliche Eigenschaften umgedicht“ werden. Das tat jüngst Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt (in der Wochenend-Taz vom 30.31./07. 11). im Hinblick auf gängige Erklärungsversuche für ökonomische Wachstumszwänge für die allzu oft „Neid, Machthunger, Sensations- oder Geldgier“ verantwortlich gemacht werden. Allerdings ist der Kritiker der Pappenheimer wohl selber einer. Denn er selbst nennt diese analytischen Kurzschlüsse schlicht „Dumpfbackenrethorik“ was den Gedanken nahe legt, dass Arlt selbst eben nicht nach sozialen Strukturen fahndet, die die falschen Schlüsse hervorbringen, sondern eine verbreitete Eigenschaft (mangelnde Intelligenz) als Erklärug anbietet.
Arit versteht unter „soziale Struktur“ offenbar auch keine basalen Existenz- und Entwicklungsbedingungen , ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse-, Konkurrenzbeziehungen und entsprechende Rechtfertigungszwänge. Er spricht stattdessen etwas geheimnisvoll von einer „Logik“, nämlich einer „Vatiante der Steigerungslogik, die alle Leistungsfelder unserer Gesellschaft durchzieht“. Und diese „Logik“ beruhe auf „Trivialisierung“. Also wieder eine Dumpfbackentat? Nein, denn hinter der stehe eine „absolut banale Automatik, die höchste Ektivität und größte Beschränktheit gleichzeitig verursacht“.
Damit ist in der Tat ein Strukturmerkmal kapitalistischer Vergesellschaftung benannt. Effektiv, von beschränkter Haftung und ohne hinreichende Möglichkeiten regulierend einzugreifen. Aber das meinte Arlt nicht. Ihn quält das kulturelle Phänomen eines „zwingenden Erwartungsfdrucks, mehr vom Guten und weniger vom Schlechtenzu zu produzieren“. Das sei aber fatal, wei das Gute (der Sieg des einen) zugleich das Schlechte (die Niederlage des anderen) erzeuge und Konsum zur Droge würde, die Begehren nach mehr Drogen hervorrufen würde.
Womit allerdings nicht sehr viel erklärt ist. Es müsste geklärt werden, was genau den Erwartungsdruck erzwingt und fatal macht, was genau Effektivität einerseits zu etwas Guten oder Schlechten werden lässt und wie das gegebenfalls beeinflusst werden könnte. Stattdessen lesen wir, dass die soziologische Systemtheorie solche binären Codes bereits nachgezeichnet hat (wie Recht und Unrecht, Regierung und Opposition). Aha.
Früher, schreibt Arit nicht weniger geheimnisvoll, sei Ökonomie noch in die Gesellschaft eingebettet und familiäre, politische, religiöse, militärische, rechtliche „Aspekte“ seien „zusammengeflossen“. Heute würde aber „schrankenloses Habenwollen zur strukturell vorgegebenen Erwartung“ und eren Steigerungsform sei, dass alles billiger sein müsse.
Ist also die soziale Struktur, die die Gier entfesselt, darin begründet, dass heute anders als in Zeiten des Feudalismus nicht mehr Familie, Militär, Politik, Religion und Inquisition „die Ökonomie“ in ihre hochmoralischen Anforderungen einbetten? Oha. Wie recht Marx doch mit seiner Warnung vor dem Utopismus hatte, der mangels Vorbilder genötigt ist, sich an Vergangenem zu orientieren.
Arits Zutaten für den Zaubertrunk, der gegen das allzu fatale Habenwollen schützen soll, sind denn auch – dem konservativen Allerweltsformel folgend – unbestimmte „Werte“, die diesem „einzigen Positivwert der Ökonomie“ entgegen gesetzt werden sollen. Die Parole heißt „Keine Wirtschaft ohne die Gesellschaft!“ Und die soll die längst begonnene Moralisierung der Unternehmenskultur fortsetzen und Unternehmen, Politik, Kunden, Arbeitskräfte und Investoren dazu bringen, „ökonomischen Erfolg von außerökonomischen Gesichtsunkten abhängig zu machen“.
Und jetzt kommts:
Alle vier sollten aufhören, die Beleidigten zu spielen ob der Tatsache, dass Unternehmen größtmögliche Gewinne machen wollen. Das ist der Sinn der „freien Wirtschaft“, einen anderen kennt sie nicht. Alle Verantwortung dafür, dass die Wirtschaft ökologische, soziale, kulturelle, familiäre, humanistische Gesichtspunkte gelten lässt, liegt bei den Arbeitskräften, den Kunden, den Investoren und der politik gleichermaßen. dass die Wirtschaft nicht von sich aus nichtwirtschaftlich handelt, ist für dieses Quartett kein Alibi, sondern dringender Anlass, tätig zu werden.“
Fehlt nur die Kleinigkeit, dass die Freiheit der „freien Wirtschaft“ eben darin besteht, dass sie eine gesellschaftliche Kontrolle von Investitutionen, Produktionsmethoden, -mitteln, -mengen oder -orte nicht zulässt und die Entwicklung der Freiheit, es trotzdem zu tun, foraussetzt, dass bestimmte Einschränkung der Investitutions- und Handelsfreiheitetabliert werden können.
Es fällt verdammt schwer, nicht den gleichen Fehler zu machen wie Arlt und hässliche Wörter hinaus zu posaunen. Angebrachter wären hierwohl Erklärungen, die den Zusammenhang zwischen unternehmerischer Freiheit und Wachstumszwängen aufzeigen, warum ein globales Ressourcenmanagement notwendig ist und sich zu dem Zweck eine als solche tatsächlich handlungsfähige Weltgemeinschaft herausbilden müsste.
Soweit ersteinmal
hh