Auch Illusionen sind eine Produktivkraft und können sich am Ende in eine rationale Antriebskraft (öko-)kommunistischer Perspektiven verwandeln

Die scheinbare Radikalität vieler Kapitalismusgegner, die sich bei näherem Hinsehen nicht selten in Warnungen erschöpft, irgendwelchen sozialen Reformprojekten (die ja zwangsläufig immer kapitalistisch sind) ja nicht auf dem Leim zu gehen, verweist m.E. auf einen Mangel an Vorstellungen darüber, wie dieser schreckliche Kapitalismus denn nun zu überwinden wäre, und dass das – wie auch immer – mit einem zielbewusst, (d.h. als ein Projekt) zu verfolgenden gesellschaftlichen Prozess der Herausbildung einer als solche handlungsfähigen Menschheit zu tun hat.

Die mag am Ende jenseits von Staat und Markt agieren. Aber eine wie auch immer gestaltete menschliche Gemeinschaft, die als solche zu einem sozial bzw. ökologisch verantwortlichen Handeln fähig wäre (bzw. befähigen könnte), kann nur als Ergebnis sozialer Bewegung innerhalb der derzeit bestehenden Verhältnisse erwachsen. Und die Ansichten derer, die sich heute in Richtung sozialer bzw. ökologischer Vernunft bewegen, werden im Hinbick auf solch weitreichende Perspekiven immer bunt gemischt sein MÜSSEN und niemals (bereits) in Gänze „ökokommunistisch“ gesonnen sein KÖNNEN. Deren Projekte, Erfolge usw. müssen notwendig Phasen der Institutionalisierung (in Staat und Marktgeschehen, wo sonst?)  durchlaufen, um bessere Handlungsbedingungen zu erreichen – und manchmal auch bessere Institutionen. Wesentlich ist zum einen, dass sich zunehmend mehr Menschen und Institutionen zu selbstbewussten Subkjeten des Geschehens entwickeln / entwicklungsfähig sind bzw. werden, und andererseits, dass die Perspektive der als solche handlungsfähigen Menschheit allmälich hinzukommt, und deren Möglichkeit wie Notwendigkeit erst Schritt für Schritt klarer, plausibler  und machbarer wird.

Ob anfänglich Illusionen bestehen in die Möglichkeiten, Probleme wie die Klimaentwicklung allein mit technischen Mitteln und ganz und gar kapiatlismuskonform in den Griff zu bekommen, ist einfach nicht entscheidend. Erstens schaffen die Lebensbedingungen, d.h. die Zwänge, unter denen sich die Menschen und Institutionen zu behaupten haben, diese Illusinen  wie sie sie immer wieder auch zerstören, zweitens kommt es allein darauf an, wie sich  der illusionierte „Geist“  weiter entwickelt. Wären die radikalen Illusionswarner wirklich so überzeugt von der Alternativlosigkeit ihrer eigenen radikalen Perspektiven und der Aussichtslosigkeit  jeglicher Versuche, mit einer Green Economie usw.  voran zu kommen,  dann sollte es doch ein Leichtes sein, die (wirklich oder vermeintlich) „naiven Reformisten“ davon zu begeistern, niemals stehen zu bleiben, immer neue Grenzen des Möglichen auszutesten, nach immer neuen Ufern zu streben und schlußandlich auch zu teilzunehmen am Projekt „Herausbildung einer als solche tatsächlich handlungsfähigen Menschheit“ die die Menschen und deren Institutionen in die Lage versetzt,  das globale wie regionale Miteinander  auf Basis freier Übereinkünfte und optimierter Verfahren zur Sicherstellung ökologischer Kompetenzen zu regeln.

Ulrich Brand schreibt im Infobrief Weltwirtschaft & Entwicklung:

Von linksliberaler Seite wird das Argument vorgebracht, dass unter den gegebenen Bedingungen realpolitisch nicht viel anderes übrig bleibt, als grüne Kapitalfraktionen zu stärken. Das ist aber kein Argument gegen Versuche, die Gesamtkonstellation genauer zu begreifen. Sonst gehen wir dem erfahrungsresistenten renovierten Steuerungsoptimismus der Strategien einer Grünen Ökonomie („die politischen Rahmenbedingungen müssen stimmen“) auf den Leim. Gesellschaftliche Veränderungen, darauf ist analytisch zu bestehen, finden eben nicht nur statt, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Ganz abgesehen davon, dass Politik nicht voluntaristisch gegen herrschende Interessen und tief verankerte Produktions- und Lebensweise vorgehen kann.

Das lässt sich auch umgekehrt formulieren: Von Seiten linksradikaler Kapitalismusgegner wird das Argument vorgebracht, dass Kapitalismus die großen Menschheitsprobleme nicht lösen  kann. Das ist aber kein Argument, unter allen Umständen das Menschenmögliche zu versuchen – und sei es, durch Veränderung der Umstände. Kapitalismus ist ein äußerst starker Goliat. Um so einen Kolloss niederzuringen, muss danach geschaut werden, wo dessen eigenen Energien in die gewünschte Richtung gehen um MIT deren Schwung zum großen Umschwung zu kommen. Anders geht es nicht.

hhh

2 Responses to Auch Illusionen sind eine Produktivkraft und können sich am Ende in eine rationale Antriebskraft (öko-)kommunistischer Perspektiven verwandeln

  1. Ja, auch mit Illusionen kann man durch die Gegend laufen und darauf warten, dass der Kopf nicht immer wieder mit der Wand zusammen donnert, sondern eine Lücke findet.

    Ich wundere mich, dass Du Dich immer wieder positiv auf Marx beziehst. Marx hat sich doch gegenüber den Illusionen, z.B. die sozialen Probleme durch eine „gerechte Bezahlung“ zu lösen, sehr kritisch verhalten statt einfach zu hoffen, dass die Bewegungen dann schon irgendwie richtig funktionieren?

    Du musst natürlich nicht wie Marx agieren, mich wundert nur, dass Du ansonsten eben oft so etwas wie marxistische (ich sehe den Begriff „ökomarxistisch“) Perspektiven beziehst.

    • hhirschel sagt:

      Ja, auch mit Illusionen kann man durch die Gegend laufen und darauf warten, dass der Kopf nicht immer wieder mit der Wand zusammen donnert, sondern eine Lücke findet.

      Das Bild ist ein wenig schief. Treffender wäre, sich ein Labyrinth mit vielen Kammern vorzustellen vor denen eine Schar Menschen steht, die von einem Unheil bedroht sind. Um zu überleben, müssen sie hindurch. Einge wissen, dass in die erste und zweite Kammer zu gelangen, nicht reicht. Eine zweite Gruppe weiß auch noch, dass man in die jeweils nächste Kammer nur gelangen kann, nachdem es genug Menschen in die vorherige geschafft haben. Nun rufen die Leute der ersten Wissenden-Gruppe denen, die sich auf den Weg machen (darunter Illusionisten und Bescheidwisser beider Klassen) zu:

      Halt! Ihr Illusionisten! Ihr braucht da gar nicht erst reinzugehen. Das bringt gar nichts. Erst hinter dem Labyrint seid ihr in Sicherheit und ihr gelangt nur in eine erste Kammer, in der ihr nur ein wenig später zugrunde gehen werdet.

      Aber es gibt keinen Weg, der um das Labyrinth herum führen könnte. Nun ist der Mensch ein eher träges Tier und viele sagen jetzt: Ach so schlimm wirds nicht kommen und wir bleiben einfach hier stehen. Dazu gesellen sich die Warner, die auch fürchten, selbst als Illusionisten angesehen zu werden, wenn sie in die erste Kammer gehen würden obwohl sie wissen, dass sie dort noch lange nicht in Sicherheit sind.

      Sie hoffen, dass ihre Gruppe der Illusionswarner jetzt Zulauf bekommen. Und die Gruppe derer, die wissen, dass es nur vorangeht, nachdem ersteinmal genug Menschen in die erste Kammer gelangt sind? Sie wissen, dass Aufklärung allein nichts bringt und erst recht dann nicht, wenns keiner hören will. Aber was sollen sie machen? Sie versuchen es nun selbst mit Aufklärung können aber gegen all die Verharrungskräfte nicht an. Klingt wie ein Alptraum? Ist wohl einer.

      A propo Marxs:

      Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf.

      Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, MEW Bd. 1, S. 379

      Da bei diesen Junghegelianern die Vorstellungen, Gedanken, Begriffe, überhaupt die Produkte des von ihnen verselbständigten Bewußtseins für die eigentlichen Fesseln der Menschen gelten, gerade wie sie bei den Althegelianern für die wahren Bande der menschlichen Gesellschaft erklärt werden, so versteht es sich, daß die Junghegelianer auch nur gegen diese Illusionen des Bewußtseins zu kämpfen haben.

      Da nach ihrer Phantasie die Verhältnisse der Menschen, ihr ganzes Tun und Treiben, ihre Fesseln und Schranken Produkte ihres Bewußtseins sind, so stellen die Junghegelianer konsequenterweise das moralische Postulatan sie, ihr gegenwärtiges Bewußtsein mit dem menschlichen, kritischen oder egoistischen Bewußtsein zu vertauschen und dadurch ihre Schranken zu beseitigen.

      Diese Forderung, das Bewußtsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das Bestehende anders zu interpretieren, d.h. es vermittelst einer andren Interpretation anzuerkennen. Die junghegelschen Ideologen sind trotz ihrer angeblich »welterschütternden« Phrasen die größten Konservativen.

      Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 19-20

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