Ich hatte neulich in aller Herrgottsfrühe den im Commons-Blog am 6. 6.13 eingestellten Beitrag mit dem Titel „Commons-Institutionen sind nur Hülle, nicht der Kern“ (Teil 2/4) kommentiert. Dem folgte neben einer Entgegnung die herzliche Bitte, mich in Zukunft etwas weniger verschachtelt auszudrücken.
Ja, manchmal drängt es mich, mal schnell etwas anzumerken, und es wird dann schnell komplizierter als dass es in der gerade zur Verfügung stehenden Zeit gebührend einfach gesagt werden kann. Und schon ist der Schachtelsalat angerichtet.
Deshalb lege ich meine „ökokommunistischen“ Gedanken zum Commons-Blog-Beitrag nun hier dar.
Ich erörtere den Text abschnittsweise. Das heißt, dass dies mehr ein öffentliches Nachdenken über diese oder jene Aspekte wird und keine Gesamtwürdigung. (Die Verdienste der Autorin stehen für mich sowieso außer Zweifel). Ich beginne mit eben jenem Teil 2. des vierteiligen Beitrags, den ich – ein wenig zwischen Tür und Angel stehend – kommentiert hatte.
Helfrich beginnt mit der folgenden Aussage:
Die vielfältigen sozialen Prozesse, die mit dem Commons-Begriff verbunden sind, lassen sich nicht in eine Form gießen. Schon gar nicht in eine Rechtsform.
Mir ist diese Sicht erst einmal symphatisch weil sie das Prozesshafte betont, mit dem allein „Commoning“ (verstanden als in gemeinsamer Verantwortung für die Herstellung und Nutzung gesellschaftlichen Reichtums getätigte Interaktionen) zur allgemeinen Grundlage des menschlichen Füreinanders werden kann. Zum anderen sollte „Form follows Funktion“ natürlich gerade dann als die Grundage jeder modernen Bauweise hervorgehoben werden, wenn epochale Formveränderungen anstehen.
Richtig, Fragen nach Veränderung der menschlichen Interaktionsformen in einer rationalen (d.h. zweckmäßigen) Weise zu behandeln, heißt natürlich, danach zu fragen, was (welche Inhalte) warum nicht (mehr) funktioniert aber funktionieren sollte. (Und wo was wie beginnt, besser zu werden oder das Besserwerden vorzubereiten).
Entwicklung und Verallgemeinerung gemeinsamer Verantwortung für die sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des menschlichen Schaffens geschehen zunächst notgedrungen – mehr oder weniger – innerhalb der historisch gewachsenen Formen der Arbeitsteilung bzw. der Teilung von Mühen, Genuss, Verantwortung usw. und der Instutionen, die das organisieren und absichern. Und sollte das Commoning einmal die allgemeine Grundlage des menschlichen Füreinanders geworden sein, dürften auch die neuen Formen sehr unterschiedlich sein, in die die vereinigte Menschheit dies dann so organisiert und absichert, dass dabei notwendige Standards einer ökologisch vernünftigen Mitmenschlichkeit nicht untergraben werden.
Meine Probleme mit dem Text beginnen mit der folgenden Aussage:
Institutionen, die wir kennen (lat. institutio, „Einrichtung, Erziehung, Anleitung“) sind schlicht Regelungsformen, die uns Rechte und Pflichten zuschreiben, um unser Handeln zu steuern. Deswegen tragen die Steuern, die uns das Finanzamt abverlangt, diesen Namen.
Hier wünschte ich mir eine größere Präzision.
Bei WIKIPEDIA heißt es zum Stichwort Institution
[Die letzten beiden Hervorrhebungen sind von mir]Als Institution (lat. institutio, „Einrichtung, Erziehung, Anleitung“) wird ein mit Handlungsrechten, Handlungspflichten oder normativer Geltung ausgestattetes Regelsystem bezeichnet, das soziales Verhalten und Handeln von Individuen, Gruppen und Gemeinschaften in einer Weise konditioniert, dass es für andere Interaktionsteilnehmer vorhersehbar oder zumindest erwartbar ist. Im weiteren Sinne werden unter Institutionen auch feste Einrichtungen verstanden, wie Behörden, Gerichte, Schulen, insoweit sie gesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen.
Institutionen sind sicher Ausdruck bestimmter Formen, in denen die kapitalistische Vergesellschaftung (bzw. Teilung) von Arbeit, Genuss, Verantwortung usw. geregelt ist, aber sie sind nicht diese Regelungsformen. Das ist ein wesentllicher Unterschied. Auch regeln Institutionen nicht nur das gesellschaftliche Leben, sie organieren bzw. koordinieren es auch. Beides ist ihr Inhalt. Aus der Selektion der Wahrnehmung folgt dann eine starre, sich gegenseitig ausschließende Gegenüberstellung (Dichotomie) von „Institutionen“ und „uns“.
Die im Kapitalismus notwendige Absonderung staatlicher Institutionen vom gesellschaftlichen Treiben ist gewiss auch Ausdruck der Entfremdung kapitalistisch vergesellschafteter Subjekte von einander und ihrer Naturumwelt. Aber staatliche Institutionen (und staatliche Funktionsgarantieren für private Institutionen) sind nicht „die Formen“ dieser Entfremdung. Sie regeln bzw. organisieren, koordinieren oder sichern ihre Inhalte entsprechend der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Sie können die Probleme der Entfremdung verschäften UND helfen, ihnen entgegenzuwirken.
Sollte das im obigen Abschnitt vielfach bemühte „UNS“ oder „WIR“ für die stehen, die nach Emanzipation aus sozialer Ohnmacht streben, d.h. aus der Unmöglichkeit einer sozial bzw. ökologisch rationalen (also in irgend einer Weise gemeinsam bestimmten) Steuerung des gesellschaftlichen Lebens, so sind die staatlichen Institutionen nicht nur deren („unser“) Vormund. Sie sind zugleich „unsere“ Ermöglichungsagenturen. Allerdings sind sie es auch für die, die ihre privateigentümlichen Freiheiten zur unbekümmerten Plusmacherei erhalten oder noch ausbauen möchten. Und die deshalb jedweder Emanzipation aus dem verbreiteten Unvermögen zu einer vernünftigen Steuerung des menschlichen Füreinanders entgegenstehen!
Im „Unser“ des staatlichen Vaterunsers sind eben tatsächlich alle eingeschlossen, nicht nur die – je nach Blickwinkel – „Guten“ oder „Bösen“. Nur „verdichten sich in den staatlichen Apparaten die (sehr ungleichen) gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse“ (Poulantzas). Zu der Verdichtung NICHT beizutragen ist unmöglich, egal, ob das eigene (Nicht-) Eingreifen auf Erkenntnisse über die Früchte der Verdichtung (und des eigenen Eingeifens oder Nichteingreifens darauf) beruht oder auf deren Unkenntnis.
Ökosteuern als ein Beispiel sind grundsätzlich sehr wohl geeignet, dem (kapitalistischen) Füreinander mehr SOZIALE Steuerung beizubringen (entsprechend dem, was als soziale bzw. ökologische Vernunft anerkannt und entspechend der politischen Kräfteverhältnisse durchsetzbar ist), auch wenn damit „nur“ Etappenziele zu erreichen sind.
Hier bestätigt sich, dass der Inhalt „keimförmige Entwicklung von Commoning im Schoße der alten Geselschaft“ tatsächlich nicht allein in Zusammenhängen geschieht, die – ich denke vermeintlich – außerhalb der kapitalistischen (Re-) Produktionsverhältnisse stehen und deren (Re-) Produktionsformen bereits mehr oder minder „astreines“ (vom sündigen Kapitalismus unbeflecktes) Commoning erlauben.
Auch Eigentumsrechte sind eine Institution oder genauer: viele Institutionen, über die gern intensiv gestritten wird. In diesem Streit stehen oft die Argumente für oder wider Gemeineigentum jenen für oder wider Individualeigentum gegenüber. Dabei ist, und das ist wichtig für die Commons-Debatte, der Unterschied zwischen Gemeineigentum und Individualeigentum nur graduell.
(…)
Beide, Individualeigentum und Gemeineigentum sind privateigentümliche Institutionen. Der graduelle Unterschied besteht darin, dass beim Individualeigentum eine Person allein über eine Sache verfügt und somit alle anderen von den Entscheidungsprozessen ausschließt. Beim Gemeineigentum tun dies mehrere Personen.
Doch Ausschluss gibt es grundsätzlich auch. Und dies führt zu einer Spannung zwischen dem grundsätzliche inklusiven Anspruch (niemand soll ausgeschlossen, von seinen Lebens-Mitteln getrennt werden) und der Notwendigkeit, Grenzen zu ziehen, damit etwa endliche Ressourcen nicht übernutzt werden. Hier wird klar, dass nicht die Institution entscheidend ist, sondern die Prinzipien, die in diese Institution eingeschrieben sind.
Als gelernter Marx-Brother sehe ich das natürlich ganz anders. Für Marx, und ich stimme ihm darin voll und ganz zu, war „Eigentum“ erst einmal die substantivierte Form, über den sozialen Prozess des Aneignens zu sprechen. Mit Substantivierungen stand Marx auf Kriegsfuß weil sie der – aus der Entfremdung resutierenden – Fetischsierung sozialer Prozesse entgegenkommen, hier mit dem Resultat einer falschen Verallgemeinerung bestimmter Formen des ansich (überhistorisch) lebensnotwendgen Aneignens von Naturstoffen und Artefakten.
Andererseits, ich sehe es ein, steht „Eigentum“ in seinen verschiedenen Formen zwischen privat (und in sofern nicht unbedingt sozial) und gemeinsam (und in sofern sozial) bestimmtem Aneignungsvermögen (= Privat- und Gemeineigentum) für eine gewisse Institutionalisierung der verschiedenen Formen der Aneignung im Sinne deren Verstätigung.
Die kann die Form der Gewohnheit, der ethischen Norm oder eines staatlich garantierten Privatvermögen annehmen mit seiner beschränkten Pflicht zur sozialen bzw. ökologischen Rücksichtnahme wie es die Warenwirtschaft mit ihrem krönendem Abschluss im Kapitalismus hervorgebracht hat – und tatsächlich eine eigentümiche Mischung aus alledem darstellt.
Eigentum im Sinne irgendwie verstätigter Vermögen zur Aneignung gesellschaftlich produzierter Existenz- und Bereicherungsmittel bezeichnet in der Regel das Vermögen zur Vergabe von Nutzungrechten und -pflichten (meist als Besitz bezeichnet). Und es ist ein wesentlichen Unterschied, ob die Vergabe von Nutzungsrechten und -pflichten weitgehend gemeinsam und nach gemeinsam bestimmten Regeln geschieht (und in so fern gemeineigentümlich) oder nicht. Individuelle Aneignung gesellschaftlicher Mittel zur Existenzsicherung und Breicherung, die sich nach gemeinsam bestimmten Regeln vollzieht, ist auch lediglich eine bestimmte Weise (eine bestimmte Form) der individuellen Aneignung .
Verfügen private Institutionen über den Einsatz der gesellschaftlichen Mittel zur individuellen Existenzsicherung und Bereicherung, die zu ihrem privaten Vorteil um die Gunst derer zu konkurrieren haben, die nach wiederum ihrem eigenen Privatvorteil suchend zum günstigsten Angebot greifen, so ist damit ein sich automatisch beschleunigender Fortschrittsmotor in Gang gesetzt , der gerade aufgrund seiner ungeheuren Effektivität in der Erzeugung immer neuer und mehr Mittel der privateigentümlichen Existenzsicherung und Bereicherung zum Problem wird. So dass irgendwann händeringend nach einem neuen Antrieb gesellschaftlichen Fortschritts gesucht wird, der sich steuern und zur Not auch einmal anhalten lässt, ohne dass dann gleich alles durchdreht.
Über Eigentum siehe auch https://oekohumanismus.wordpress.com/2013/02/14/ueber-eigentuemlichkeiten/
Wer Individualeigentum und Gemeineigentum gleichermaßen und zwar überhistorisch (!) zu „privateigentümlichen Institutionen„ erklärt, blockiert meines Erachtens die Gedankenbahnen, die zu den obigen Erkenntnissen führen.
Noch einmal zur Erinnerung:
Der graduelle Unterschied besteht darin,dass beim Individualeigentum eine Person allein über eine Sache verfügt und somit alle anderen von den Entscheidungsprozessen ausschließt. Beim Gemeineigentum tun dies mehrere Personen.
Aber nur, wenn man willkürlich als Tatsache setzt, was zu beweisen wäre (dass nämlich beides Privateigentum sei). Ich behaupte, dass miteinander über die Entwicklung und den Einsatz gesellschaftlicher (Re-) Produktionsmittel entscheiden zu können (oder es womöglich zu müssen) eine ganz andere Form der individuellen Entscheidungsbefugnis über (bzw. individuelle Verantwortung für) die Art der Herstellung und Nutzung gesellschaftlicher Potenziale bedeuten, als wenn das isoliert voneinander mit dem Zwang zur Wahrnehmung isolierter Interessen geschieht bzw. zu geschehen hat.
Dass Nutzer-/Produktionsgemeinschaften stets definiert gehören und es dabei unterhalb der Ebene eines weltgemeinschaftlichen Ressourcenmamagements auch sets ein Außen gibt, ist doch klar wie Kloßbrühe. Was soll daran schlimm sein? Das heißt doch nicht, dass gemeinsames Vermögen zur Vergabe von Nutzungsrechten nun bedeutet, dass Dinge, die mit verschwindend geringen gesellschaftlichen bzw. ökologischen Kosten beliebig reproduzierbar sind, nun weiterhin, wie unter privateigentümlichen Aneignungsbedingungen üblich, nur einer besimmten Ingroup zur Verfügung stehen sollen.
Was hinzu käme, wäre die gemeinsame Sorge um einen angemessenen Ausgleich für die, die sich für die Produktion der schönen Dingem, die mehr werden, wenn man sie teilt, mächtig ins Zeug gelegt haben.
Zu unterscheiden ist dafür einerseits das tatsächliche Vermögen, die Nutzung gesellschaftlicher Arbeit zu ermöglichen und über deren Zwecke, Umstände, Umweltverträglichkeit usw. zu entscheiden und andererseits die Art der juristischen Fixierungen dieser Ansprüche.
Ohne dass der Bevölkerung die Möglichkeit zu einem herrschaftsfreien, öffentlichen Diskurs gegeben ist, ohne Möglichkeit zum kollektiven Eingreifen in wesentlichen Entscheidungen oder zu deren Korrektur, kann es selbstredend kein Volkseigentum geben. Das „Volkseigentum“ an den „volkseigenen Betrieben“ (VEBs) der DDR war ganz offensichtlich keine gesellschaftiche Realität – und auch nicht auf dem Weg, eine zu werden. Das Gros der Menschen war aber von den Entscheidungen ausgeschossen weil die juristische Fixion des gemeinschaftlichen Bestimmungsvermögens nicht mit dessen Realität entsprach und nicht, weil „Gemeineigentum Ausgrenzung bedeutet“.
Doch Ausschluss gibt es grundsätzlich auch. Und dies führt zu einer Spannung zwischen dem grundsätzliche inklusiven Anspruch (niemand soll ausgeschlossen, von seinen Lebens-Mitteln getrennt werden) und der Notwendigkeit, Grenzen zu ziehen, damit etwa endliche Ressourcen nicht übernutzt werden.
Das ist einfach nur ein ideologisches Konstrukt jenseits konkteter Verhältnisse.
Notwendigkeiten aller Art, Grenzen der Nutzung (bzw. der Produktion) gesellschaftlicher Existenz- und Breicherungsmittel zu ziehen gibt es ganz unabhängig von den gerade vorherrschenden Aneignungsformen bzw. den historischen Formen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Um diese Grenzen überhaupt in hinreichender Breite und Tiefe erkennen und dann auch so ziehen zu können, dass alle Beteiligten damit nicht nur gut leben können sondern daran möglichst auch aktiv mitwirken, mag es aber gerade notwendig sein, gemeineigentümlich bestimmte Formen der Aufteilung von Arbeit, Genuss und Verantwortung zu etablieren.
Soweit ersteinmal
[…] https://oekohumanismus.wordpress.com/2013/06/15/einige-bemerkungen-zu-silke-helfrichs-reflexionen-ube… […]
[…] zweite Teil meiner Anmerkungen zu den Anmerkungen über meine Anmerkungen. Heute geht es um selbige von Hans Hermann Hirschelmann. Der erste Teil steht hier. Diese Notizen sind eine Erinnerungshilfe. Ich schreib’ also auch […]