In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, in welche Richtung sich diese Gesellschaft bewegt. Sie steht an einem Scheideweg: Zwischen rechter Hetze und neoliberaler Konkurrenz auf der einen Seite, Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit auf der anderen Seite.
Das klingt erst einmal nach Altgewohntem: all das unzweifelhaft Gute, mit dem die Partei die LINKE identifiziert werden möchte, ist in Gefahr: Demokratie, Solidarität, soziale Gerechtigkeit usw. In der schreckgespenstigen Gestalt rechter Hetze und neoliberaler Konkurrenz droht das Böse. Wird es dem Bösen gelingen, alle Macht an sich reißen? Kann die Linke das Ruder noch herumreißen?
Werden größere Teile der Erwerbslosen, Prekären, Geringverdienenden und die abstiegsbedrohte Mittelschicht sich den Rechtspopulisten zuwenden und damit den Weg für eine noch unsozialere, autoritäre und antidemokratische Entwicklung bereiten? Oder gelingt es, Konkurrenz und Entsolidarisierung zurückzudrängen und ein gesellschaftliches Lager der Solidarität zu bilden?
Was fehlt?!
Globale Herausforderungen wie die dringende Notwendigkeit, Erderwärmung und Überfischung zu stoppen, den Verlust an Böden, Wäldern, biologischer Vielfalt , chaotische Urbanisierung, Hunger, Missachtung basaler Menschenrechte usw., alles Dinge, die die Gesellschaft (die Weltgesellschaft) in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit – offensichtlich – nicht bewältigen kann, scheinen erst einmal keiner Rede wert zu sein. Der Rechtspopulismus ist in der Tat besorgniserregend. Aber ist es den LINKE Chefs wirklich nicht klar, dass der nur im Zusammenhang mit den Entwicklungsproblemen im globalen Stoffwechsel hinreichend erklärbar ist und auch nur über die Zuversicht, die begründete Hoffnung auf gangbare (und attraktive) Wege zur Bewältigung der großen Menschheitsprobleme auslösen kann, tatsächlich unschädlich gemacht werden kann?
Rechtspopulismus ist auf der einen Seite zweifellos von gestern, Rückzuggefecht derer, die sich in den patriarchal-autoritären Behauptungsbedingungen vergangener Herrlichkeit heimisch fühlen, die zu den heutigen Möglichkeiten und Anforderungen der Existenzsicherung und Bereicherung immer weniger passen. Er ist aber auch Ausdruck einer strukturellen Überforderung, die alle betrifft.
In stetig rasanter werdendem Tempo beschleunigt die Konkurrenz privater Bereicherungsagenturen um die günstigsten und besten Angebote der zur menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung notwendigen Mittel die Entwicklung der individuellen Anlagen und Möglichkeiten der Menschen, ihre Lebensumstände zu verbessern, ohne dass die – alles in allem – tatsächlich reicher und kompetenter werdenden Individuen (und deren Institutionen) ihre wachsenden Möglichkeiten (und Erkenntnisse der Notwendigkeit) dafür einsetzen könnten, die Kehrseiten der ihnen nach wie vor als eine Naturgewalt gegenüber tretenden Fortschrittsmaschinerie in den Griff zu bekommen. Die sich im Sauseschritt entwickelten Produktivkräfte in Wissenschaft, Technik, Kommunikation, Bildung usw.befreien, obwohl sie die individuellen (wie institutionellen) Fähigkeiten und Spielräume tatsächlich entwickeln, keineswegs unser alltägliches Handeln und Bedenken aus der privateigentümlichen Borniertheit kapitalistischer Handlungszwänge, -motive, -muster, -perspektiven usw.. Die wesentlichen Entscheidungen über Wohl und Wehe bleiben Mechanismen überlassen, die sich einer wirksamen Kontrolle entziehen.
In den sich trotz aller Entwicklungsprobleme mit ihren vielfältigen Erscheinungen menschlichen Elends weltweit durchaus ausdehnenden Zonen des relativen Wohlstands verlangen die kapitalistischen Behauptungsbedingungen heute stets gebildetere, teamfähigere, sozial kompetentere, ökologisch sensiblere und dabei durchaus auch genussfähigere Auszubeutende. Aber deren Möglichkeiten, mit der Vermietung ihres Arbeitsvbermögens an Institutionen, die es für ihre privateigentümlichen Zwecke zu nutzen wissen, für sich selbst eine lebenslang verlässliche Existenzgrundlage zu verdienen (zu erdienern?), die ihren gehobeneren Ansprüchen (und den gewachsenen Schaffenskräften der Gesellschaft) angemessen wäre, wachsen ebenso wenig mit wie der Anteil des Arbeitsentgelt am Zugewinn gesellschaftlichen Reichtums. Zurück bleiben auch die strukturellen Möglichkeiten, das gewonnene Mehr an soziale Kompetenz in ein hinreichendes Plus an der Wahrnehmung globaler Verantwortung zu verwandeln. Das hätte eine entsprechende Steigerung des Vermögens bzw.dessen Anwendung zur Voraussetzung, gemeinschaftlich (letztklich auch weltgemeinschaftlich) entscheiden zu können, mit welchen Mitteln welche (welt-) gesellschaftliche Ziele zu erreichen sind.
Die bürgerliche Freiheit ist nicht allein die Freiheit von Diskriminierung aufgrund von Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Herkunft, Phänotyp usw.und nicht nur die Freiheit vom Zwang, sich religiösen Vorschriften unterzuordnen. Sie ist nicht zuletzt auch die Freiheit von der gesellschaftlichen Möglichkeit (bzw. Notwendigkeit), für die sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen des produktiven wie konsumtiven Tun und Lassens gerade zu stehen. Die (privat-) eigentümliche Form der lohn- und gehaltsabhängigen Produktion für den Wettbewerb der (auch von gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Verantwortung) freien Konkurenten um die augenscheinlich besten und mit dem augenscheinlich gerigsten Aufwand zu produzierenden / zu erwerbenden Mittel zur Befriedigung privater (von gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Verantwortung befreiter) Bedürfnisse bestimmt die Art, wie weltweit Arbeit, Bildung, Wissenschaft, Genuss, das Aufstellen und Durchsetzen allgemeinverbindlicher Regeln usw. aufzuteilen und miteinander zu vermitteln sind. Mit der Entwicklung der sowohl in den Individuen als auch in den wissenschaftlich-technologischen Möglichkeiten der Gesellschaft angelegten Produktivkräfte spitzen sich ab einem bestimmten Grad der Entwicklung aber auch deren Widersprüche zur Unterworfenheit unter Entwicklungsbedingungen, die den Menschen als eine unbezwingbare Naturgewalt gegenübertreten.
Die Entwicklung der über das Kaufen und Verkaufen vermittelte Vergesellschaftung lässt die Individuen sich einerseits immer mehr berufen und kompetent fühlen, auch über das eigene Leben hinaus soziale Verantwortung zu übernehmen, bietet aber nicht die dazu notwendigen Interaktionsbedingungen. Die nationalpolitischen Instanzen, die das privateigentümliche Konkurrenzchaos mit der Setzung und Garantie zivilisatorischer Standards zur gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Vernunft zu bringen haben, leben vom Geschäftserfolg und Zufriedenheit ihrer nach wie vor von gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Unvernunft abhängigen Steuerzahler. Eben dieses Dilemma äußert sich in verschiedenen Symptomen struktureller Überforderung, Omnipotenzfantasien, Weltuntergangszynismus, Sucht nach moralischer Reinheit (die aber nicht möglich ist), ein auf Kritik fixierter hilfloser Anti-Kapitalismus, und eben auch der regressive Rückzug auf Fantasien nationaler oder sonst wie gruppenspezifischer Überlegenheit.bzw. Vorteilsnahme und sonstige Äußerungen des Rechtspopulismus.
Es scheint deshalb naheliegend, für alles Unglück dieser Welt den Siegeszug der „neoliberalen Konkurrenz“verantwortlich zu machen. Steigert diese doch in der Tat die Abhängigkeit nationalstaatlicher Institutionen von der sozio-ökologischen Unvernunft ihrer ökonomischen Basis und treibt damit den Widerspruch zwischen den erreichten Fortschritten an weltzivilisatorischer Tatkraft, guten Absichten und Reflexionsvermögen und deren anhaltende Ohnmacht gegenüber den Zwängen internationaler Konkurrenz auf die Spitze.
Die Frage ist, ob sich aus der Zentralität der Anklage „neoliberaler Konkurrenz“ eine (welt-) gesellschaftliche Zukunftsperspektive entwickeln lässt, die den gegenwärtigen Herausforderungen gerecht wird. Dafür wären wesentlich die Kräfte, Ansätze, Ziele usw. zu stärken, die – notwendig im Rahmen des kapitalistisch Möglichen – um ein Mehr an gesamtgesellschaftlicher bzw. ökologischer Vernunft ringen. Nur aus einer entsprechenden Praxis heraus gewinnen Fragen nach den strukturellen Hindernissen sozio-ökologischer Vernunft, wie sie der freien Konkurrenz privateigentümlich bornierter Bereicherungsagenturen eigen sind, (welt-) gesellschaftliche Relevanz.
Dabei gilt es aber zu vermeiden, abstrakte Prinzipien, Logiken usw. als mit eigenem Geist beseelte Subjekte vorzustellen bzw. zu „bekämpfen“. Fundierte Kritik und tatsächliche Aufklärung der grundlegenden Mechanismen kapitalistischer Vergesellschaftung und Fragen nach historischen Bedingungen, unter denen diese – in welcher Weise – aufgeweicht und überwunden werden können (bzw. müssen!), werden so leicht durch eine irgendwie mystische Jagd auf unympathische böse Geister ersetzt, die vor allem die eigene Identität als Feind des Bösen stützen und Anhänger kurzfristig zu begeistern vermag, aber politisch-praktisch systematisch (bzw. symptomatisch für dieses Herangehen) ins Leere greifen lässt. Wenn das Papier der LINKE-Chefs zunächst das Gespenst der „neoliberalen Konkurrenz“ bemüht und wenige Sätze später „die Konkurrrenz“ als solche als das identifiziert, für dessen Überwindung die LINKE streiten soll, mag das vielleicht die Ahnung signalisieren, dass die privateigentümliche Borniertheit kapitalistischer Konkurrenz nicht erst in ihrer „neoliberalen“ Gestalt zum Problem wird, aber es es signalisiert ebenso Ahnungslosigkeit hinsichtlich der zu bewältigenden Herausforderungen einer tatsächlichen Transformationsperspektive..
Wenn die LINKE erklärt, dass die Konkurrenz als solche durch ebenfalls nicht näher bestimmte Solidarität ersetzen werden müsste, darf sie sich nicht wundern, wenn sie damit Erinnerungen an die Art und Weise provoziert, wie Konkurrenz in der DDR bezwungen und durch Solidarität ersetzt worden war: Da die westliche Systemkonkurrenz bekanntlich die Unverschämtheit besaß, Zweifel der Behauptung der Partei- und Staatsherrlichkeit der DDR zu erlauben, sie sei von niemand geringerem als der Menschheitsgeschichte in Person mit der historischen Mission betraut, die ihnen unterstellten Massen in eine leuchtende Zukunft zu führen, musste bei den Wahlen zur Volkskammer natürlich Solidarität mit den Genossen geübt werden. Es war also geradezu die solidarische Pflicht, mit der Teilnahme am kollektiven Jasagen zur vorbereiteten Liste, den eigenen Glauben an die Schädlichkeit von Konkurrenz zu demonstrieren. Gleiches galt bekanntlich für Erkenntnisse, Ideen und Bekenntnisse jenseits der von der Staats- und Parteiführung ausgegebenen Phrasen.
Es sollte also klar sein, dass sich menschliche Emanzipation (aus der strukturellen Nötigung zur gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch betrachteten Unvernunf) nicht aus der Überwindung „der“ Konkurrenz zugunsten „der“ Kooperation bzw. „der“ Solidarität ergeben kann. Es käme vielmehr darauf an, die Bedingungen und Regeln des Einsatzes von sowohl Konkurrenz als auch Kooperation auf eine Weise (mit-) bestimmen zu können, dass am Ende alle gut leben können, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens alles zerstört.
Das könntedamit beginnen, die der eigene Konkurrenzsituation geschuldeten Unvernunft nachzusüren.
Der Wahlerfolg der AfD ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Wir erleben einen gefährlichen Anstieg rechter Gewalt. Der politische Diskurs der „Mitte“ verschiebt sich nach rechts.
Das kann in der Tat böse enden.
Die Große Koalition tut alles dafür, soziale Fragen aus der öffentlichen Diskussion herauszudrängen – das ist Wasser auf die Mühlen der AfD.
Schuld ist die Konkurrenz!
Als LINKE haben wir bei starkem Gegenwind im Wahlkampf eine Niederlage erlitten: In Sachsen-Anhalt haben wir deutliche Verluste hinnehmen müssen, in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hat sich gezeigt, dass die Verankerung der Partei in der Fläche noch zu schwach ist. Das Alarmsignal des Wahlsonntags ist, dass die AfD in Sachsen-Anhalt wie Baden-Württemberg stärkste Partei bei den Erwerbslosen und bei den Arbeiter_innen geworden ist, und auch viele gewerkschaftlich orientierte Beschäftigte AfD gewählt haben.
Diese Menschen sind nicht alle rassistisch oder nationalistisch – aber sie stärken eine rassistische und rechtspopulistische Partei.
Seit ihrer Gründung liegt die besondere Funktion der LINKEN darin, die Interessen der Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und Menschen mit geringen Einkommen stark zu machen und mit ihnen für Verbesserungen ihrer Lage zu kämpfen.
Konkurrenz belebt hier offenbar das Geschäft der Illusion, man könnte aus dem Sichstarkmachen für „die“ Interessen „der“ Erwerbslosen, prekär Beschäftigten und Menschen mit geringen Einkommen eine sozio-ökologisch vernünftige Zukunftsperspektive gewinnen.
Rico Gebhardt hat die zentrale Herausforderung auf den Punkt gebracht: „Den größten Beitrag, den wir als Linke gegenwärtig gegen den Rechtstrend leisten können, ist, wenn wir die Arbeiterschaft und die Arbeitslosen zurückgewinnen. Das ist eine soziale Herausforderung mit hohem antifaschistischen Effekt!“
Die größte Herausforderung? Ich hatte gedacht, das sei die dringende Notwendigkeit, neue Formen der Globalisierung zu etablieren, die auf grundlage eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagement funktioniert.
Was bedeutet es, wenn die Partei Die LINKE ihre größte Herausforderung in der Notwendigkeit sieht, verirrte Schafe zurückzugewinnen, die es für ihr Interesse halten, sich von der rechtspopulistischen Konkurrenz funktionalisieren zu lassen?
Zugleich hat sich mit den Wahlen vom März eine erfreulich Entwicklung der letzten Jahre fortgesetzt: DIE LINKE wächst in den Großstädten, wo sich ein junges linkes Milieu herausbildet. Gerade bei jungen Menschen erleben wir wachsenden Zuspruch und gewinnen neue Mitglieder.
Gut, Menschen meines Alters kann die LINKE natürlich verloren geben, aber der Jugend sollen selbsternannten Funktionäre der Solidarität, Demokratie und sozialen Gerechtigkeit naatürlich etwas bieten.
Entlang der Flüchtlingssolidarität, des Kampfes gegen Rassismus, rechte Gewalt, gegen TTIP und Waffenexporte, für Klimagerechtigkeit und eine Kritik am Kapitalismus politisieren sich gerade viele Menschen. Die Frage, ob wir nun in der Flüchtlingspolitik unsere Grundsätze aus zweifelhaften wahlstrategischen Überlegungen über Bord werfen sollen, stellt sich nicht. Dann würden wir nicht nur die vielen Menschen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren, wieder verlieren, wir würden auch unsere Grundwerte der Menschenrechte und Demokratie verraten – und den gleichen Fehler machen wie die SPD.Das würde am Ende nur die Rechten stärken. Unsere Positionen für Bewegungsfreiheit und gegen die Festung Europa sind klar, nicht erst seit dem Erfurter Programm. Sie stehen ebenso wenig zur Disposition wie unsere grundlegende Opposition zur Austeritätspolitik. Wir geben weder unsere Positionen auf noch die Menschen. Wir sind antirassistisch und antifaschistisch, das ist unverhandelbar.
Hoffen wir, mit dem Marx der „Pariser Manuskripte“, dass marktvermittelte Produktion und Aneignung auch im Falle politischer Perspektiven nicht nur Verstand in Blödsinn sondern ebenso gut Blödsinn in Verstand verwandeln kann. Am Ende könnten die Bekenntnisse zum Anti X Ismus ja tatsächlich politische Strategien anregen , die auf globale Interaktionsbedingungen zielen, die gemeinsame (weltgemeinschaftliche) Verantwortung für die sozio-ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen der globalen Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesse erlaubten., die die Existenzgrundlagen so vieler Menschen weltweit bedrohen.
Die Funktionäre des Guten könnten am Ende erkennen, dass gemeinsam mit rechten Populisten gegen TTIP demonstrieren allein keine wirklich tragfähige Strategie gegen den rechten Populismus ist und es vielmehr darauf ankäme, für die Etablierung eines Welthandelsregime zu streiten, auf dessen Grundlage eine globale Friedensordnung möglich wäre, die Menschenrechte nicht negiert sondern zur Geltung verhilft und um das Recht erweitert, (welt-) gemeinschaftlich vernünftige Nachhaltigkeitsziele durchsetzen zu können.
Fortsetzung folgt