„Reproduktionsarbeit“ ökologisch oder tauschwertökonomisch betrachtet?


Begriffe sind Griffe, die wir an die Wirklichkeit heften, um sie für uns handhabbarer zu machen. Sie können helfen, auch nicht unmittelbar Sichtbares  in den Griff zu bekommen.  Aber sie sollten natürlich einigermaßen passend sein.

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Der in linken und feministischen Texten gebräuchliche Begriff von „Reproduktionsarbeit“ (gleich unentgeltliche bzw. informell bezahlte Familien- bzw. Hausarbeit), erleichtert das Begreifen unserer sozialen bzw. ökologischen Reproduktionsverhältnisse  nicht. Er hilft keineswegs dabei, sich die sich „hinter dem Rücken herstellenden“ Verhältnisse durch den Kopf gehen zu lassen.

Ökologisch betrachtet, (d.h. die bedeutungsgebenden stofflichen Wechselwirkungen lebendiger Organismen mit ihrer Umwelt betrachtend), ist die Unterscheidung von „Reproduktion“ und „Produktion“ keineswegs durch „formelle oder informelle“ bzw. „bezahlte oder unbezahlte Arbeit“ bestimmt. Dient die Produktion einer Windel – sozial bzw. ökologisch betrachtet – etwa nicht der Reproduktion von Menschen? Schützt die soziale Wertschätzung des Windelwechselns davor, in Kauf zu nehmen, dass für die Herstellung (und Wiederherstellung!) des Windelangebots 2000 Jahre alte Bäume aus den boralen Regenwäldern Kanadas gefällt werden?

Ökonomische Werte sind eine Funktion des monetären (durch Geld vermittelten) Tauschgeschehens, das privaten (d.h. konkurrierende Akteure ausschließenden) Besitz an (Re-)Produktionsmitteln voraus setzt. Die entsprechend privaten Rechte bzw. Möglichkeiten zur Entwicklung, Veräußerung und Aneignung des zu (Re-)Produzierenden sind – mehr oder auch weniger – durch die Mögichkeiten der Konkurrenz anderer Privatakteure begrenzt.

Entsprechend begrenzt ist der Einfluss sozial reflektierter Ethik auf die Preisgestaltung.

Was zu welchen sozialen bzw. ökologischen (also nicht in Geld ausdrückbaren!) Kosten der Mühe oder der Aufmerksamkeit wert, erhaltenswert, begehrenswert, oder auch verdammenswert ist, ist etwas anderes, als der den Warenwert bestimmende Grad an Arbeitsaufwand, der für die (Re-) Produktion eines auf einem Markt gehandelten Tauschguts notwendigerweise aufzubringen ist.

Letzterer wird unter der Bedingung freier (auch von sozial reflektierter Ethik befreiter) Märkte von der Konkurrenz der Anbieter (dem Spiel privater Angebote und Nachfragen) ermittelt (ermittelt, nicht verursacht!). Noch so hohe „moralische Wertschätzung“ bestimmter Angebote durch Kunden oder Anbieter kann nicht verhindern, dass die Konkurrenz es billiger macht, wenn es ihr gelingt, ökonomischer, d.h. kostspielige Aneignungsmittel (z. B. Lohn und Gehalt) sparender zu produzieren, egal ob durch intelligentere Produktionsverfahren und effizientere Maschinen, durch motiviertere Arbeitskräfte oder im Gegenteil durch Raubbau an menschlicher Arbeitskraft und anderen Naturkräften , wenn also im Gegensatz zur Konkurrenz ! – warum auch immer – weniger Geld für die Reproduktion der ausgebeuteten Naturkräfte (z. B. zur Aufforstung geplündeter Wälder, ja und natürlich auch fürs Windelwechseln) ausgegeben werden muss.

Ergänzung am 22.5.13:

Was mit dem Begriff der „Reproduktionsarbeit“ in der Regel gemeint ist, wäre also unmissverständlicher mit „häuslicher (Re-)Produktionsarbeit“ bezeichnet. Das würde sich nicht mehr einseitig auf die Reproduktion der (für Geld zu vermietenden) Arbeitskraft beziehen. Obwohl die natürlich innerhalb der den heutigen Produktionsbeziehungen unabhängig von der Benennung Bestandteil dessen Ausbeutung bleiben. Insofern die häuslichen Eigenarbeit die Notwendigkeit zum Erwerb von Waren (zum Geldausgeben) senkt oder erhöht, beeinflusst sie auch die in der kapitalistischen Waren(wert)produktion hergestellten  Warenwerte. Und die Mehrwertrate.  Insofern unentgeltlich geleistete Hausarbeit Geld spart, erhöht sich die Mehrwertrate, insofern sie Geld kostet verringert diese sich. Anm. siehe Kommentar

Häusliche Arbeit erneuert bzw. produziert aber nicht nur die Geld einbringende Mietsache Arbeitskraft. Sie produziert, reproduziert und entwickelt alles Mögliche – einschließlich einen bestimmten Anteil an der (Wieder-) Herstellung der gesamten, also globalen (Re-)Produktionsverhältnisse.

Zum Unterschied von Tauschwertökonomischer und ökologischer Betrachtung siehe auch Ökologischer Humanismus!

 

3 Responses to „Reproduktionsarbeit“ ökologisch oder tauschwertökonomisch betrachtet?

  1. Kleine Korrektur: Von Häuslicher (Re-) Produktionsarbeit zu sprechen, also von häuslicher Produktion (eingeschlossen Reproduktion, also Wiederherstelung in dieser oder jener Hinsicht) ist eben nicht mehr – unbedingt – auf die Reproduktion von Lohn- und Gehaltsarbeiter/innen fixiert.

    Interessant wäre ein Nachdenken darüber, wie für den Bereich der häuslischen Produktion eine Gewinn- und Verlustrechnung im Lichte eines ökohumanistischen Kommunismus / eines ökokommunistischen Humanismus aussähe. Die also auch einbunden wäre in Fragen eines globalen (am Ende weltgemeinschaftlichen) Nachhaltigkeitsmanagement.

  2. hhirschel sagt:

    Komme hoffentlich bald dazu, die Reflexionen zu dem Komplex fortzusetzen. Vorab eine Bemerkung grundsätzlicher Natur zur Bedeutung des Mehrwerts bzw. dessen Grenzen:

    Die Kenntnis von Veränderungen in der Mehrwertproduktion halte ich für das Verständnis der Herausbildung und Reproduktion von Klasseninteressen bzw. -bedürfnissen in Staat und Gesellschaft (inklusive des sogenannten Privatlebens) zwar für bedeutend, aber als Gradmesser von Ausbeutungund einem daraus erwachsenen Auf- oder gar Revolutionsbegehren ist die Aufdeckung von Mehrwertraten doch von begrenztem Erkenntniswert. Es ist wohl heute auch unstrittig, dass in der Geschichte des „Marxismus“ diesbezüglich oft Unsinn verzapft wurde.

    Bezüglich der selbst bzw. unentgeltlich geleisteten häuslichen Produktion ist der im häuslichen Bereich verausgabte Arbeitsaufwand „stofflich“ gesehen also in seinen sozialen bzw. ökologischen Bedeutungen Teil dessen, was für die „Reproduktion der (Lohn-) Arbeitskräfte“ also des „variablen“ Kapitals geleistet wird. Sie wird nicht für die Herstellung (Wiederherstellung und Vermehrung) des außerhalb menschlicher Körper (einschließlich deren Köpfe) vergegenstädigten „konstanten“ Kapitals verausgabt.

    Das kann die Ware Arbeitskraft zwar billiger haben, insofern es weniger Geld für gesellschaftlich notwendiges Arbeitsvermögen ausgeben muss. Aber das beeinflusst die gesamtgesellschaftliche Ausbeutungsrate zwischen Kapital und Arbeit aber nur insoweit wie das eingesparte Geld tatsächlich für die Vermehrung des konstanten Kapitals oder des Luxuskonsums dessen Aneignungsagenten verausgabt werden kann und nicht als Preisvorteil an die Haushalte der Lohn- und gehaltabhängig Beschäftigten weitergegeben werden muss (wobei dann auch ein Teil an informell entgoltende Haus arbeit fließt)

    Das wird von der marxfernen Kapitalismusririk am meist übersehen. Sie beschreibt und beklagt den Ausbeutungscharakter der geschlechtlichen Arbeitsteilung im Haushalt natürlich richtig bzw. zurecht, nur ist das nicht immer und überall der Vorteil des Kapitals im Hinblick auf die in ökonomischen Werten „gemessene“ gesellschaftliche Ausbeutungsrate. Die ist allgemein von begrenzter Aussagekraft und liegt auch ziemlich quer zum Potenzial soziologisch (psychologisch, ökologisch, politologisch usw.) erfassbarer Anlässe, Gründe, Bedingunge usw. des Begehrens nach neuen Grundregeln des menschlichen Fürenanders. Etwa dass die per Warenpreis geleistete Vermittlung von Produktionsaufwand und dem Vermögen privater Haushalte zum Erwerb der von ihnen benötigten bzw. begehrten Gebrauswerte Raubbau an Arbeitskraft und anderen Naturkräften in das einkaufsparadiesische Vergnügen „purzelnder Preise“ verwandelt! Wenn, dies bedenkend oder ahnend behauptet wird, dass „das System“ die Hausarbeit wie eine Naturkraft ausbeutet, so ist das zwar nicht ganz verkehrt, hilft aber die Tatsache zu verdrängen, dass dies nicht außerhalb der (wie immer kapitalistisch formatierten) menschlichen Beziehungen exstiert bzw. profitiert und gerade auch finanziell knappe Haushalte, die Segnungen des Raubbaus jeder Art schätzen lernen sobald sie die eigene Kaufkraft stärken (oder zu schwächen vermeiden)

    Eine an den Mehrwert gekoppelte Empörung geht m.E. auch fehl, wenn die teilweise Naturwesenhaftigkeit „unbezahlter“ Sorgearbeit zwar zu Recht kritisiert wird, andererseits aber jede „In-Wert-Setzung-von Natur“ (ob per Ökosteuern, Verschmutzungsrecht-Vergabe, oder bezahlter Diensteitungen anstelle unbezahlter Haus- bzw. Famiienabeit) als „Landnahme“ der Kapitalakkumulation usw. kritisiert und abgelehnt wird.

    An der Stelle sehe ich einen unhistorischen (moralistischen) Antikapitalismus als Teil des Problems.

    Müsste das menschliche Füreinander nicht mehr auf Grundage nationalstaatlich formierter Konkurrenz privateigentümlicher Agenturen zur Vermehrung des eigenen (privateigentümlichen) Aneignungsvermögen sondern könnte im auf Grundlage eines – am Ende weltgemeinschaftlichen – Nachhaltigkeitsmanagements geleistet werden, könnte sie als soziale Eigenarbeit zu Buche schlagen (mehr oder auch weniger gern geleistet) und mit den sozialen bezehungsweise ökologischen Anforderungen, Voraussetzungen und Ergebnissen (Wirkungen) in Beziehung gesetzt werden.

    Die Problematik der geschlechtlichen Arbeitsteilung im häuslichen Bereich, daraus resultierenden Abhängigkeiten, Entfaltungsmöglichkeiten und -weisen und die Frage der (Überwindung von) Ausbeutung wäre im Rahmen eines Füreinanders auf Basis eines gemeinsamen Nachhaltigkeitsmanagements jedenfals Gegenstand von Entwicklungsplänen und entsprechender Umsetzungsstrategien und -praxen.

    Ein Meienstein in deren Entwicklung ist womöglich das Vier-in-Einem Perspektive Frigga Haugs

    Soweit erst einmal

  3. Habe am letzten Kommentar heute Korrektruren vorgenommen, darunter auch eine inhaltiche.

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