Ökologischer Humanismus!


Grüner Marx

Einstieg

These: In hinreichender Breite und Tiefe können sich ökokommunistische Perspektiven nur durch Erfahrungen mit ernsthaften und alle gegebenen Möglichkeiten beherzt nutzenden Versuchen entwickeln, innerhalb (öko-)kapitalistischer Behauptungsbedingungen (bzw. Rechtfertigungsbeziehungen) voran zu  kommen. Zu meinen, dass allein der „objektive“ (per narzistischem Fehlschluss als „schon immer gewusst“ vorgestellte)  Mangel an Möglichkeiten, zu ökologisch rationalem Tun das ökokommunistische Denken beflügeln würde, wäre fatal.

Verelendungstheorien helfen auch hier nicht weiter. Mit dem kapitalistischen Alltag einher gehende Mängel in der Radikalität der Wahrnehmung gehören dennoch unter die Lupe. Beispiel: die vermeintliche „Ökologische Wahrheit von Warenpreisen“:

In ihrem Vorwort zum Wordwatch Institut Report 2008 (Auf dem Weg zur nachhaltigen Marktwirtschaft) schreiben Ralf Fücks und Kristina Steenbock (Böllstiftung bzw. Germanwatch) was sie für „das A und O einer ökologischen Marktwirtschaft“ halten, nämlich: „Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen!“

Externe Kosten, die durch Umweltschäden verursacht werden, mittels Vorschriften, Abgaben oder Nötigung zum Kauf handelbarer Verschmutzungsrechte in die Warenpreise zu „internalisieren“, ist notwendig. Dadurch transportieren die Preise gewiss auch zusätzliche ökonomische Wahrheiten (entsprechend dem, was für die (Re-)Produktion der betreffenden Ware nun zusätzlich an Arbeitsaufwand aufzubringen ist). Aber ebenso gewiss verraten sie keinerlei „ökologische Wahrheiten“!

Der Unterschied zwischen ökonomischen und sozialen / ökologischen Kosten wurde etwa durch Zahlen über die sozialen Kosten des Zigarettenkonsums deutlich. Anders als erwartet, offenbarten Studien, dass Raucher/innen wegen ihrer geringeren Lebensdauer die Sozialkassen entlasten. Dass die nun erkannte „ökonomische Wahrheit“ (die Entlastung der Kassen) nun aber „die soziale Wahrheit“ spricht, kann nicht behauptet werden. Denn deren „Währung“ ist beispielsweise Wohlergehen oder Leid. Und die lassen sich ökonomisch nicht darstellen. Mit sozialen bzw. ökologischen Absichten vorgenommene Manipulationen der Warenpreise erzielen – wenn alles gut läuft – eine Wirkung. Sie verändern die Wirklichkeit. Und darauf kommt es auch an. Aber über soziale bzw. ökologische Wahrheiten sagen Preise ihrer Natur gemäß nichts aus.

Die Unterscheidung ist für einen rationalen Diskurs über Mittel und Zwecke von Nöten. Übrigens sind „ökologische“ Wahrheiten ohne eine humanistische Perspektive nichts wert. Die Wahrnehmung und rationale Verarbeitung „Ökologischer Wahrheiten“ brauchen ökologischen Humanismus bzw. (mit-)menschlichen Ökologismus als Leitidee – und umgekehrt Siehe auch „Ökologischer Humanismus?“

Eine Kultur des ökologischen Humanismus kann allerdings ohne Herbeiführung ökonomischer, politischer und rechtlicher Verhältnisse, die umweltbewusste  Mitmenschlichkeit ermöglichen, fördern bzw. notwendig machen, keine allgemein akzeptierte Leitidee werden.

Das für eine ökologisch bzw. sozial zukunftsfähige Entwicklung der Mensch-Naturumwelt-Beziehungen notwendige Wissen (und Wissenwollen), Mitgefühl (Interesse) und Reflexionsvermögen kann  allein durch „grüne“ Aufklärung und Appelle an die Annahme eines umweltgerechen / menschenfreundlichen Lebensstils nicht hinreichend entwickelt werden. Dafür müssen wirksame Entscheidungen gesellschaftlicher Institutionen gefällt und Erfahrungen mit einer adäquaten Mitwirkung an diesen Entscheidungen und daraus folgender Maßnahmen gemacht werden können.

Die „grünen“ Momente  weiterer Menschwerdung (des weiteren Menschlichwerdens) können ohne eine entsprechende Menschheitswerdung, sprich ohne Herausbildung einer als solche handlungsfähigen (und ökologisch reflektierenden) menschlichen Gemeinschaft nicht hinreichend wachsen und gedeihen.

Die Momente dieser Herausbildung gilt es nach gegebenen Möglichkeiten wahr zu nehmen und  zu fördern ohne das ganze Ausmaß der Aufgabe und der  Notwendigkeit zur Ermittlung konkreter Zeiträume ihrer Bewältigung zu verdrängen.

hhirschel

cropped-marxbah.jpgDer Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichtums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Kommunismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz  und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.

Marx: Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, MEW Bd. 40, S. 536

2 Responses to Ökologischer Humanismus!

  1. Althussers Hinweis, dass die Pariser Manuskipte von 1844 eine von Marx selbst nie veröffentlichte Schrift seines (von Althusser so genannten) „Jugendwerks“ seien, aus der Zeit, als Marx die Welt noch durch die Feuerbachsche Philosophenbrille betrachtete und vergeblich bemüht war, dem Hegelschen Weltgeist kommunistische Beine zu machen, mag bedenkenswert sein.

    Wirklicher Glaube an ein zu lösendes „Rätsel der Geschichte“ wäre auch wirklich seltsam und klingt in der Tat sehr unmarxistisch. Es ist tatsächlich „nur“ Poesie.

    Marx selbst hat später auch gegen Abstraktionen wie die einer „wirklichen Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen“ geredet. Dessen Essenzialismus. ist heute zurecht in Verruf geraten weil es idealistische Projektion einschließt.

    Aber darin steckt auch keimformartig das, was Marx/Engels später als den (weltkommunistisch aufzuhebenden) Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charkter menschlicher Arbeit und der privaten Form seiner Aneignung erkannten.

    Damit ist aber der Knackpunkt gerade auch der gegenwärtigen Misäre benannt. Und nie war es angebrachter, die weltweite Verallgemeinerung einer hinreichenden Entwicklung und Weiterentwicklung der spezifisch menschlichen Fähigkeit (bzw. Notwendigkeit) zur vorausschauenden Herstellung eines gemeinsamen Nutzens im Auge zu behalten. Und danach zu schauen, wie aus dem kapitalistischen für- und voneinander Produzieren (Organisieren und Planen, Kümmern, Erfinden usw.), das keine gemeinsame Verantwortung erkennen lässt ein weltgemeinschaftliches Miteinander wird, das gemeinsame Verantwortung erlaubt

  2. Bezogen auf den letzten Absatz meines Kommentars ist „gemeinsamer Nutzen“ wohl noch etwas grobschlächtig und kann jedenfalls nur die halbe Wahrheit sein. Die kommunistische Frage ist schließlich die nach der Möglichkleit einer sozio-ökologisch vernünftigen (!) Setzung von Produktionszwecken, -methoden usw.. Weltgemeinschaftlich zu verantwortender Nutzen muss mit den Kosten sozio-ökologischer Natur ins Benehmen gebracht werden können. Da gehts um die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Setzung sozio-ökologisch vertretbarer Standards bzw. Grenzen.
    Was das bedeuten kann, wird ein wenig in Kate Raworths Doughnut Economics sichtbar. https://oekohumanismus.wordpress.com/2013/09/16/kate-raworth-doughnut-economics/

Hinterlasse einen Kommentar