Mal ein gutes Zeitzeichen: Eine Politologin bekommt den Wirtschafts-Nobelpreis, die dem neoliberalen „Tragik der Allmende“ Dogma, (das stets private, also nicht sozial vermittelte = miteinander nicht abgesproche und abgestimmte Aneignung voraussetzt, als wäre das ein Naturgesetz), mittels interdisziplinärer Forschung mit öko-anthropologischen und psychologischen Ansätzen Substanzielles entgegen setzt. Wunderbar!
Dass sich die sozialdemokratisch-keynsianistische FR enttäuscht zeigt, sagt wohl mehr über den Kritiker (den ansonsten geschätzten Robert Heusinger) aus als über die als „harmlos“ geschmähte Elinor Ostrom.
Mehr Infos
CommonsBlog: Elinor Ostrom erhält den Wirtschaftsnobelpreis
Hier auch die Wiedergabe eines Ostrom Aufsatzes in Deutsch im Commens Buch „Wem gehört die Welt. Zur Wiederentdeckung der Gemeingüter„
Außerdem (am 8. Dezember 2009): Elinor Ostroms „Nobel Lecture“
FR vom 13.10.09: Ostom, die liberale Umweltökonomin
Süddeutsche Zeitung vom 12.10.09: Lady First
Focus online vom 12.10.09: Kommentar der Financial Times Deutschland zu Wirtschaftsnobelpreis – vorab
ND vom 13.10.2009: Konzept des freien Marktes hat ausgedient
taz vom 13.10.09: Signal in Richtung Kopenhagen
FDT vom 13.10.09 Wofür der Nobelpreis verliehen wurde
Junge Welt vom 15.10. 2009: Elinor Ostrom: Der dritte Weg der neuen Wirtschaftsnobelpreisträgerin
EMMA September/Oktober 2009: ELINOR OSTROM Ganz schön schlau.
SPIEGELonline Wissenschaft (Drei Artikel über E. Ostrom)
ZEIT ONLINE Wissenschaft: Eine lebensnahe Pionierin inmitten von Theoretikern
n-tv Elinor Ostrom: Jeder einzelne ist gefragt
oya: So funktioniert Gemeineigentum Zum Wirtschaftsnobelpreis für Elinor Ostrom von Achim Lerch
Neues Deutschland vom 15.06.2012: Ohne Vertrauen kein Gemeineigentum Interview mit Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom über Alternativen zu Markt und Staat
Es scheint mir von großem Interesse, heraus zu arbeiten, in wie weit sich die Erkenntnisse Ostroms über Funktionsbedingungen lokal begrenzter Communities / Allmendenutzer für die Frage produktiv nutzen ließe, wie sich überregional wirksame Produktionsverhältnisse (etwa die Hochseefischerei) auf der Grundlage mitmenschlicher Abkommen und Kontrollen gestalten ließen. So dass sie z.B. auch lokal begrenztes Gemeinwirtschaften, wo sinnvoll, nicht zerstören.
Der von mir geschätzte Matthias Greffrath bietet darauf in der Taz vom 3.3. 2010 nur eine sehr konservative Antwort: Lob des Staates. (Eine Auseinandersetzung mit dem Beitrag folgt in Bälde)
Einen ersten Einblick in die basalen Erkenntnisse Ostroms bringt keimform.de, wo Prinzipien der Bildung von Communities (nach Ostrom) zur Diskussion gestellt sind
Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom hat zahlreiche Beispiele für funktionierende Commons (Gemeingüter) und die sie tragenden Communities (Gemeinschaften) gesammelt. Aus dieser Erfahrung hat sie Prinzipien bei der Bildung von »Gruppen«, »Institutionen«, »Netzwerken« oder einfach »Communities« abgeleitet. Diese sind (nach Hartzog):
- Die Grenzen der Gruppe sind klar definiert.
- Die Nutzungsregeln der kollektiven Güter sind gut auf lokale Bedürfnisse und Bedingungen abgestimmt.
- Die meisten Individuen, die von solchen Regeln betroffen sind, können sich an der Veränderung der Regeln beteiligen.
- Die Rechte der Mitglieder der Gemeinschaft, ihre eigenen Regeln zu entwickeln, wird von externen Autoritäten respektiert.
- Es gibt ein System der Beobachtung des Verhaltens der Mitglieder durch die Mitglieder selbst.
- Es wird ein abgestuftes Sanktionssystem verwendet.
- Die Mitglieder der Gemeinschaft haben Zugang zu niedrig-schwelligen Konfliktlösungsmechanismen.
Das ist doch eine gute Grundlage für eine Diskussion!
Nur wer sich zusammen tut
genießt ein Gemeinschaftsgut
Lesenswerter Bericht auf dem COMMONSBLOG:
Ostrom über streunende Banditen, große Kerle und das Unbehagen, ein Dummkopf zu sein
Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom erklärt recht erfrischend, während der Stockholm Whiteboard Seminars, wie sinnvolles Ressourcenmanagement möglich ist und wie wir die „Tragödie der Gemeingüter“ vom Spielplan absetzen können.„Streunende Banditen“ (3.20′) gibt’s allerorten. Das sind solche, die Ressourcen plündern oder nichts für ihren Erhalt tun.
(…) Der andere Weg, oder genauer gesagt. die anderen Wege, die wir auch und in erster Linie anerkennen müssen, beschreibt sie so:
„Common property rights, get people involved, argue about it, talk about it, discuss it, find ways of adjusting their rules, so that they are adaptable over time … to make their systems resilient, … and they grow trust over time…„
„Trust„. Vertrauen. Das ist eines ihrer Schlüsselworte. Denn wenn ich die Ressourcen nicht übernutzen soll, muss ich darauf vertrauen können, dass der Andere sie auch nicht übernutzt. Wenn ich mich „gut“ verhalte und Andere mich derweil über den Tisch ziehen, bin ich ein Dummkopf. Ein sucker.
„And humans don’t like to be a sucker.“ (6.18′)
Brauchen wir also große Kerle, die uns davor bewahren, als Dummkopf dazustehen? Ostrom sagt auch hier: Die Leute finden ihre eigenen Wege und Regeln, die ihnen das ersparen. Was es gibt – jenseits von Markt und Staat – ist institutionelle Vielfalt. Und Ostroms Motto ist
„We must build up diversity to cope with the diversity of the world“.
Weiteres auf dem Commonsblog
Nachtrag:
Die Erdatmosphäre ist eben noch keine Allmende
Die Menschheit hat zwar viel Erfahrung mit Gemeingütern: Eine Nutzungsregelung der Erdatmosphäre als ultimativer Allmende bleibt jedoch fraglich Wird der Fluch der Allmende zum Fluch der Menschheit?
Falsche Frage! Was unter anderem „der Menschheit“ zum Fluch wird ist das private, der Konkurrenz um private Vorteile unterliegende (also eben nicht gemeineigentümlich kontrollierte!) Aneignen der Ergebnisse, sich kapitalistisch „hinter den Rücken“ der Akteure herstellenden Produktion.
Gegen die Ideologie der angeblichen Gemeingüter-Tragödie, die in Wirklichkeit die Tragödie der privaten Aneignung kapitalistisch vereinzelter Einzelner beschreibt, wendet sich auch Stephan Mz im Keimform-Blog
„Marxistische“ Kritik in Peinform!
An einer „marxistischen“ Kritik Elinor Ostroms und der Commonsbewegung versuchten sich Nikolaus Weihe und Conrad Kunze im Keimform-Blog. Dass das studentische Soziologie-Magazin diesen Beitrag „zu ideologisch“ fand und deren Widergabe verweigerte, finde ichallerdings durchaus nachvollziehbar. An einer zu großen Marx-Nähe hatte dies gewiss nicht gelegen, wie der folgende Abschntt verdeutlichen dürfte.
“ … die Entdeckung neuer gemeinschaftlicher Güter, dort wo ewiger Überfluss zu herrschen schien und die wissenschaftliche Erklärung des sozial-ökologisch-sozialen Rückkopplungsprozesses, in dessen Verlauf die Expropriateure selber ökologisch expropriiert werden, hat zum Aufstieg der Allmende-Theorie geführt, die wir Dank Ostrom im neuen Kleide vor uns haben. Doch wer von Allmende spricht, soll von Akkumulation und Enteignung nicht schweigen!
Klingt schon ein wenig wie ein mit Adorno-Lyrik aufgepepptes ML-Pamphlet der 1970er Jahre. Das Zu-Kritisierende ist hier in der Gestalt eines selbstgebastelten Pappkameraden vorgeführt, dem zunächst einal ein ordentlich ahnungslos dreinguckender Strohkopf verpasst wurde. Dann setzen die Autoren ihren „von Akkumulation und Enteignung schweigenden“ Pappstrohling mit „weltproleratischer“ Argumentationswucht als verwöhntes Bürgersöhnchen hin, der sich in Allmende-Theorie-Idyllen flüchtet, weil die von ihm bisher straflos Ausgebeuteten jetzt beginnen, ihm selbst ans Leder zu gehen.
Weiter heißt es:
Marx meinte, dass die kapitalistische Produktionsweise, die auf die Enteignung von Gemeingütern gründet, schließlich einen so hohen Grad der Akkumulation (und damit verbunden Ungleichheit) und Zentralisierung erreicht, dass sie sowohl der Mehrheit die Motivation nimmt, die Verhältnisse länger zu dulden als auch dass sie “unverträglich werden mit ihrer kapitalistischen Hülle” und dem Fortschritt der Produktionsverhältnisse zur Fessel (Marx 1867: 791).“
Kann das von hier aus grad nicht nachprüfen. Aber ich mag mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Marx irgendwann so einen Kraut- und Rübensalat angerichtet haben könnte.
Mit der Ansammlung und Zentralisation privater Verfügungsmacht über Mittel der gesellschaftlichen Reproduktion und Bereicherung sind gewiss immer wieder auch „mit Ungleichheit verbunden“, abervor allem auch mit dem Gegenteil, also der Angleichung von Lebensverhätnissen und Konsummuster.
Und wieso sollte zu viel angesammeltes Kapital ohne weieres ein Grund dafür sein, weniger duldsam gegenüber „den Verhältnissen“ (?) sein zu wollen? Was genau für Verhältnisse sind gemeint? Was senkt warum die Lust, diese „Verhältnisse“ erträglich zu finden wenn „so viel Kapital akkumuliert“ ist? Und wieso haben „die Verhältnisse“ eine „kapitalistschen Hülle“? Wie soll man sich das vorstellen? Und wie „den Fortschritt der Produktionsverhältnisse“ ? Was daran wird durch zu viel angesammeltes Kapital gefesselt? Es scheint, als sei hier nach dem Motto vorgegangen worden: Wer gute Phrasen weiß, braucht sich um gute Fragen nicht mehr zu scheren.
Das ist, abgesehen von dem bekannten 80 jährigen Intermezzo, nicht eingetreten.
Ah so! Das viele angesammelte Kapital wurde nur im „Intermezzo des Realen Sozialismus“ zur Fessel „der Verhältnisse“ und „des Fortschritts der Produktionsverhältnisse“. Solche Null-Aussagen scheinen mir das zwangsläufige Ergebnis, wenn man solcherart unbestimmten Begrifflichkeiten wie „die Verhältnisse“ als Dreh- und Angelpunkte operiert.
Zur Fessel ist vielmehr der Nationalstaat geworden, und der wird zunehmend entmachtet, ohne dass die Verkehrsform des Kapitalismus bisher darunter leidet. Zur zu engen Hülle aber wird nicht die kapitalistische Produktionsform sondern die Erde selber.
Die Erde als fessende Hülle der Verhältnisse und des Fortschritts der Produktionsverhältnisse? Nicht mehr das viele Kapital?
Da lobe ich mir doch zur Abwechslung mal Engels:
Die erwachende Einsicht, daß die bestehenden gesellschaftlichen Einrichtungen unvernünftig und ungerecht sind, daß Vernunft Unsinn, Wohltat Plage geworden, ist nur ein Anzeichen davon, daß in den Produktionsmethoden und Austauschformen in aller Stille Veränderungen vor sich gegangen sind, zu denen die auf frühere ökonomische Bedingungen zugeschnittne gesellschaftliche Ordnung nicht mehr stimmt.
Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19, S. 210
Nach Marx wird die kapitalistische Form der Reichtumsproduktion zu deren Fessel, und, so die Hypothese, am Ende gesprengt, sobald das menschliche Produktionsvermögen, (geistiger und technologischer Art, das im Übrigen immer auch in bestimmter Hinsicht Destruktionsvermögen ist), eine Stärke erreicht hat, die deren soziale (d.h. am Ende weltgemeinschaftliche) Steuerung notwendig und prinzipiell auch möglich erscheinen lassen. (Was etwa einen entsprechenden Globalisierungsgrad voraussetzt) Weil sie (die Produktivkräfte) eine Welt der Bildung und des Wohlstands geschaffen haben, die im offensichtlichen Gegensatz zu gleichfalls (von ihnen) produziertem Elend und Beschränktheiten stehen, solange sie nach den alten – privateigentümlichen – Regeln gemanaged werden müssen.
Dieser Einsicht scheinen Nikolaus Weihe und Conrad nicht sonderlich nahe gekommen zu sein. In ihrer Kritik an Elinor Ostrom und der Commonsbewegung heißt es weiter:
„Da sich die Enge aber immer als Enge für einige und zwar für die Ärmsten und Machtlosesten einstellt, kann sie vom Produktionssystem so weit ignoriert und integriert werden. Ressourcenknappheit und sich verschlechternde Lebensbedingungen werden durch ungleiche Verteilung von ökologischen in soziale Probleme weitergegeben, und erzeugen wiederum einen neuen Markt, zum Beispiel für sauberes Trinkwasser, Bio-Lebensmittel, frische Luft, ein Grundstück am Rand von Hamburg, das nicht von steigendem Wasserpegeln betroffen ist uns so weiter.“
Da ersetzt nun wirklich die „gute alte“ Kleinbürger-Denunziation die um eine dialektische Sicht bemühte Perspektive (bzw. öko-soziologische Forschungsperspektive in Sachen soziale Emanzipation). So können wir mit der Beantwortung der wichtigen Frage nicht weiter kommen, nämlich, wie die aus der Commons-Forschung gewonnenen Erkenntnisse über ein gemeineigentümliches Nachhaltigkeitsmanegement (ökologisch nachhaltiges Reproduktions- Bereicherungsmanagement), das zu funktionieren scheint, aber lokal und auf übersichtliche Gemeinschaften begrenzt ist, in einen Prozess eingehen können, den Marx als (Wieder-)Aneignung der Produktionsmittel durch die (Welt-)Gesellschaft selbst beschrieben hat? Was dann in der Tat – am Ende – darauf hinauslaufen müsste, dass die Völker selber den Kernbereich des kapitalistischen Weltwirtschaftens beherrschen – als Voraussetzujng einer Art kollektven Selbstbeherrschung.