Grundgesicherte Zeitsouveränität ist wunderbar, aber sie hat auch ihre Fallen. Man kann an sich selbst studieren, wie gerade Reichtum zur Armutsfalle werden kann. Das gilt offenbar nicht nur für den Warenüberfluss im kapitalistischen Krisenparadox und auch jenseits der Herstellung und Garantie von Konkurrenzfähigkeit auf einem Markt. Zwar scheint die Entwicklung meiner frei umher assoziierenden „Produktivkräfte“ immer noch auf das Prächtigste vom Zeitreichtum zu profitieren. Aber trotz ihrer sozialen Brauchbarkeit, wie ich finde, lässt deren „(öko-) kommunistische“ Vergesellschaftung doch immer noch weitgehend auf sich warten. Höchste Zeit also, einmal verstärkt auch die höchstpersönlich eigenen „Produktionsverhältnisse“ unter die Lupe zu nehmen.
Die lassen sich so umschreiben. Wie der Ableger einer Zimmerpflanze, die in einem zu großen Topf gesetzt wurde und nun alle Kraft in die Ausbildung des Wurzelwerks investiert, statt ordentlich Stengel, Blätter und Blüten zu treiben, fülle ich immer öfter Ablagestellen für Begonnenes und bei Zeiten Fortzusetzendes. Auch wenn alles sehr spürbar hineinpasst ins anvisierte Buchprojekt über die brennende Aktualität des grünen Marx (und Engels), fehlen doch basale Dinge (abgezirkelter Zeitrahmen, organisiertes Feedback usw.), die all das am Ende auch sichtbar sprießen lassen und den ihm zugedachten Zweck des Eingreifens erfüllen helfen. Wirklich junge Pflanzen mögen sich mit der Aussicht zufrieden geben, irgendwann später mit um so üppigerem Blätterwerk zu überraschen. Aber mit 61 Jahren lässt die Illusion ewigen Lebens doch deutlich nach.
Eigentlich wollte ich diese Tage einige Gedanken zum „dritten Transformationstagung“ der Rosa Luxemburg Stiftung festhalten und zu deren Diskussion einladen. Notwendigkeit und Möglichkeiten einer „großen Transformation“ der derzeitigen Grundlagen, Regeln, Umstände usw. des menschlichen Für- und Voneinanders in solche, die ein solidarisches, faires usw. Zusammenleben erlaubten, sollten aus der Perspektive von Sorgearbeit (Care) heraus betrachtet werden, wobei es mir schien, dass die Fragen nach den Zielen und Umständen einer Strukturveränderung eher zurückgesteckt waren zugunsten von Fragen nach der richtigen Lebensweise („im falschen“ wie es im Titel hieß).
Aber es war mir während der Tagung nicht gelungen, auch nur mit irgendjemanden darüber ins Gespräch zu kommen. Eine vorbereitete „Einladung zur Diskussion“ im Rahmen dieses Blogs kam nicht wirklich zum Einsatz. Und bei näherer Betrachtung sehe ich nun, dass da wohl weiter auszuholen wäre, d.h. bis zur Materialmappe deren ersten Transformationstagung.
Wollte ich nicht längst auf den dort zu findenen Aufruf Dieter Kleins eingehen und Vorschläge für eine „neue linke Erzählung“ unterbreiten? (Solche die nicht nicht einfach die alten linken Märchen wiederholen oder legitimieren) In der Dokumentation der ersten T-Tagung der RLS findet sich z.B. auch, was Frigga Haug mit dem „Herrschaftsknoten“ meinte, den zu zerschlagen sie während der diesjährigen Transformationstagung empfahl. Da ist aber noch eine englischsprachige Version meines Blog-Abouts in der Pipeline, außerdem eine notwendige Reflexion über den falschen Gegensatz von „Gutem Leben“ und „nachhaltiger Entwicklung“, eine Fortsetzung meiner Auseinandersetzung mit Althussers „theoretischem Antihumanismus“ und, und, und.
Nun kommt auch noch die neue – jetzt komplett frei im Internet verfügbare – Ausgabe des „Prager Frühlings“ mit einem Commons-Schwerpunkt daher, der, wie mir scheint, einiges an Aufmerksamkeit verdient. Bevor die Zeitschrift ihr papierenes Dasein eingestellte, hatte ich sie abonniert, aber, ehrlich gesagt, am Ende so gut wie nicht gelesen. Mich hatte der Titel der Zeitung angesprochen, nachdem ich die von der Gruppe um Radovan Richta verfassten Textes zum 1969er Prager Frühling für mich entdeckt hatte. Aber … nunja. Es sieht aber so aus, dass ich die jetzige Ausgabe nun gründlichst studieren werde.
Also noch ein wenig Wurzel treiben. Auf meinem Aufruf zur Bildung eines „AK-Ökomarxismus“, den ich unlängst in einer einschlägigen Mailinglist verbreitetet hatte, hatte immerhin eine Person ihr Interesse bekundet und erklärt, voraussichtlich ab Juli auch über genügend Zeitreichtum zu verfügen. Mal sehen.