Thomas Seibert, Philosoph und Autor, Vorstandssprecher des Instituts für Solidarische Moderne, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Rosa Luxemburg-Stiftung und seit vielen Jahren politischer Aktivist schlägt vor, einen Plan für eine Perspektive linker Intervention in Europa zu erarbeiten.
Der soll einem von ihm vorgelegten Strategiepapier zufolge „das dissidente Drittel“ der Gesellschaft ermutigen, seine Stimme zu erheben auf dass dies „die Idee der Demokratie“ bereichern möge. Bezugnehmend auf ein von der griechischen Sypras-Partei angekündigten aber dann doch nicht ins Feld geführten Plan B, schlägt Seibert vor, diesen Plan, Plan A zu nennen.
Es folgt der zweite Teil meiner Bedenken zu dem Papier, mit dem Seibert eine Diskussion um ein solches Projekt anschieben möchte. Den ersten Teil gibt es hier…
Meine Bedenken richteten sich bisher vor allem auf die vermutliche Inhaltsvergessenheit einer Suche nach Gruppen akut Unzufriedener in die dann alle Hoffnung auf Überwindung „selbstverschuldeter Unmündigkeit“ gelegt wird. Das trägt m.E. eher dazu bei, die Größe der Herausforderung zu übersehen, die es bedeutet, in durchaus absehbaren Zeiträumen neue Interaktionsbedingungen zu etablieren, die auf mitmenschliche Übereinkommen und ökologische Kompetenz aufbauen.
Immerhin sieht Thomas Seibert Europas „dissidentes Drittel“nicht durch eine rosarote Brille:
„… das dissidente Drittel dieser Gesellschaft ist in sich und in seinen Verbindungen zu anderen Milieus diffus, seine Zusammensetzung wechselt je nach Anlass, es verfügt über keine gemeinsamen Orte, keine gemeinsame Agenda, keinen gemeinsamen strategischen Entwurf. Es ist also, auf den Punkt gebracht, weit entfernt davon, ein politisches Subjekt zu sein.“
Aber:
Und trotzdem: Nimmt man zur Kenntnis, was die Willkommensbewegung aus dem Stand zu tun in der Lage war und ist, wird ein gesellschaftliches Potenzial sichtbar, das auszuloten bleibt.
Sichtbar wird hier allerdings auch die Fragwürdigkeit eines „linken“ Starrens auf irgendwelche Bevölkerungsteile, weil deren – inhaltlich nicht näher bestimmte – „Dissidenz“ möglicherweise für einen noch zu formulierenden linken Plan nutzbar gemacht werden könnte.
Die Welle an Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen, die insbesondere in Deutschland Zuflucht vor Krieg, Verfolgung und Perspektivlosigkeit suchen, wie sie sich in diesem Jahr im ganzen Land entwickelt hatte, seit Bundeskanzlerin Merkel Züge für auf der „Balkanroute“ gestrandete Menschen bereit gestellt hatte und sich in einigen kurzen Momenten gefühlter Anarchie dafür hat – zurecht – feiern lassen, ist großartig. Über nationale und religiöse Grenzen hinweg geübte Solidarität ist zweifellos eine Produktivkraft, die für die Bewältigung der großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte ebenso unverzichtbar sein wird wie etwa technologischer und sozialer Erfindungsreichtum bei der Bewältigung der ökologischen Menschheitsaufgaben.
Der Globalisierung unseres produktiven Für- und Voneinanders, d.h. der Handlungsketten von Produktion und Konsum, Freizeit, Bildung, Kommunikation und damit von Wissen auch um die Schattenseiten des freien Warenverkehrs muss eine Institutionalisierung globalisierter Mitmenschlichkeit folgen.
Tatsächlich gehört deshalb alles in Richtung globale Mitmenschlichkeit Gehende oder unter Umständen Bewegbare „unter die Lupe genommen“. Es ist auch mehr als in Ordnung, strategische Überlegungen darüber anzustellen, welche Chancen für weitergehende Perspektiven sich aus der Welle der Hilfsbereitschaft ergeben könnten. Nur sollten der Eindruck vermieden werden, eine mit ihren „verschiedenen Sozialismen“ (Seibert) gescheiterte „Linke“ hätte sich ein neues revolutionäres Subjekt auserkoren, das nun anstelle des Proletariats seine Träume verwirklichen soll.
Es sollte vor allem nicht übersehen werden, dass der Impuls, den Zuflucht suchenden Menschen zu helfen, sich aus sehr unterschiedlichen Motiven speisen dürfte, die mit einer grundlegenden Dissidenz nicht unbedingt viel zu tun haben. Da sind die Fernsehbilder über ertrinkende Flüchtlinge, Hilflosigkeit beim Betrachten der Berichte über den Krieg in Syrien, Entsetzen über die Grausamkeiten der bärtigen Arschgesichter vom IS. Viele fühlen sich von den Hassattacken der Pegidaisten und Nazis und deren Brandschatzenden peinlich berührt und empfanden Rufe nach einer Willkommenskultur als befreiend. Einige erinnern sich an eigene Fluchterlebnisse, andere an die Wochen und Tage vor und nach dem Mauerfall.
Und sicher betrachten auch einige, die die für so viele Menschen in vielen Teilen der Welt bestehenden riesigen Defizite hinsichtlich Sicherheit, Demokratie und Wohlstand schon länger im Blick haben und sehen, dass ihr eigenes besseres Leben unter diesen Voraussetzungen nicht Bestand haben kann, die nun plötzlich sichtbar werdende Einheit der Welt, mit Wohlwollen und hoffen, dass hiervon Impulse für grundlegende Veränderungen ausgehen könnten.
Was sollten nun „Linke“ dazu sagen?
Vielleicht erst einmal beim Thema Flucht und Migration bleiben und sehen, was hier zu tun bzw. zu fordern wäre. Dazu gehört m.E. dass
1.) allen Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung fliehen müssen, in adäquater Weise geholfen werden muss, und dass das eine Aufgabe der ganzen (!) Weltgemeinschaft ist. Dass es auch nicht damit getan ist, das nackte Überleben zu ermöglichen. Es müssen überall, wo Menschen auf der Flucht vorerst landen, menschenwürdige Bedingungen geschaffen werden, d.h. auch Möglichkeiten der berufliche oder schulische bzw. universitäre Ausbildung, Verdienstmöglichkeiten bzw. Vermittlung in Jobs usw. Es muss also etwas dafür getan werden, dass eine menschliche Gemeinschaft, die dieser Verantwortung tatsächlich gerecht werden könnte, keine Utopie bleibt.
2 .) Nach den Anti-Flüchtlings Pogromen der 1990er Jahre hatte Deutschland mit dem Dublin-System die Verantwortung für die Aufnahme der in Europa Zuflucht suchenden Menschen an die ökonomisch schwächsten Randstaaten der EU abgeschoben. (Die schmutzige Zusammenarbeit in der Frage mit etwa dem Gaddafi-Regime sei einstweilen außen vor gelassen). Die größer werdende Zahl der inzwischen dort Gestrandeten und nicht zuletzt die über 3500 im Mittelmeer ertrunkenen Menschen allein im Jahr 2015 haben die mediale Aufmerksamkeit auch auf die miserable Lage von Flüchtlingen in Ländern wie Ungarn, Griechenland aber auch in Italien gelenkt und gezeigt, dass das Dublin-System nicht menschlich ist, nicht gerecht, und angesichts der fast eine Millionen Menschen, die in Deutschland 2015 Asyl beantragt hatten offensichtlich auch nicht nachhaltig wirksam.
Es muss also für eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik gestritten werden, die den Betroffen eine Perspektive für sich uns ihren Familien ermöglicht und die die dabei zu tragenden Lasten gerecht verteilt.
3.) Nicht zuletzt wäre „Linke“ wohl nicht schlecht beraten, wenn das gestiegene Interesse für die Gründe von Flucht und Migration sie ermutigte, herausarbeiten, was zu Verbesserungen der Menschenrechts- und Sicherheitslage sowie der materiellen Existenzgrundlagen weltweit beiträgt oder unter Umständen beitragen könnte und sich entsprechend zu engagieren.
Allerdings müssten sie schnell einsehen, wie Unsinnig eine Einteilung der Bevölkerung ist in zweidrittel Menschen, die das falsche Leben befürworten und einem „dissidenten Drittel“, das mit linker Hilfe mit den Bedrängern Schluss machen (oder zumindest die Idee der Demokratie bereichern) könnte, wenn sie nur zu einem „sich artikulierenden Drittel“ (Seibert) würde. Das Gleiche dürfte für fast alle der zu lösenden Menschheitsprobleme gelten. Geht man diese ernsthaft an, wird man sich immer wieder unversehends auf Seiten von Teilen der etablierten Politik, Medien oder Administration sehen, während sich die wirklich „artikulierenden“die Dissidenten sich immer wieder als die ärgsten Feinden einer „solidarischen Moderne“ entpuppen
Und was heißt das nun für Thomas Seibert? Es heißt für ihn erst einmal strategisch gefasst:
Strategisch gefasst heißt das nicht weniger, als das wir von (und mit) Leuten sprechen, deren gesellschaftliche Bedeutung auf gar keinen Fall unterschätzt werden darf. Finden sie eine gemeinsame politische Artikulation, dann wird in den herrschenden Verhältnissen absehbar mehr nach links rücken als nur dieses Drittel. Wenn es einen Plan A geben wird, dann hängt er maßgeblich an diesem, seinem subjektiven Faktor.
Und weiter:
Erste Auslotung eines Versprechens Sehen wir deshalb genauer hin: Das schon zur Griechenland-Krise vernehmbare und in seinem Verhältnis zur Bewegung der Geflüchteten noch deutlicher hör- und sichtbar gewordene dissidente Drittel ist nicht „links“ im Sinn einer aktiven Zustimmung zu den theoretischen Kategorien, den strategischen Hypothesen und der überlieferten Programmatik der traditionellen Linken, weder der moderaten noch der radikalen. Schärfer noch: Die Organisationen und Diskurse, die Rhetorik und das Auftreten von Linken sind für dieses Drittel kein wirklich attraktiver Bezugspunkt. Dem widerspricht nicht, dass gar nicht so wenige selbst aus dieser Linken stammen und ihr im Wahlverhalten oder sonst wie aus der Ferne verbunden geblieben sind.
Was immerhin einigermaßen realistisch klingt – aber fixe Idee vom dissidenten Drittel nicht anzutasten scheint:
Damit konkretisiert sich eine nächste Bestimmung der möglichen politischen Artikulation des Drittels: findet die dissidente Minderheit dieser Gesellschaft eine gemeinsame Stimme, dann wird das zwar eine linke Artikulation, aber keine Artikulation (nur) von Linken sein. Sie wird links sein, weil sie die Griechenland-Krise, die von den Geflüchteten geschaffene Krise und die vom – wie am – islamistischen Terror exekutierte Krise als ebenso viele Krisen des Sozialen und damit „irgendwie“ des Kapitalismus erfährt.
Die „Wir schaffen das“ – Herausforderung wird also (Passivform!) wie viele andere Krisen, die da noch so herum wimmeln „irgendwie“ (!) als Krisen des Kapitalismus erfahren. Aha. Und nun?
Dem entspricht dann, dass sie mögliche Lösungen dieser Krisen in der Lösung sozialer Fragen sucht – man kann an dieser Stelle nicht nur auf die 250.000 Teilnehmer*innen der Berliner Anti-TTIP-Demonstration, sondern auch auf die 3,3 Millionen Unterschriften verweisen, die binnen eines Jahres europaweit gegen das Abkommen gesammelt wurden.
Das Handelsabkommen TTIP hat gewiss auch irgendwas mit einer Krise des Sozialen und damit des Kapitalismus“ zu tun. Gut, dass wird das jetzt auch wissen. Was wir allerdings nicht wissen, ist, welche weitergehende Vorstellungen der irgendwie linke „Plan A“ hier zu artikulieren hätte. Etwa hinsichtlich einer ökologischen Reform des Welthandelsregimes, die es möglich machten, die jüngst von den UN verabschiedeten Nachhaltigkeitszielen oder die Klimaziele von Paris 2015 zu erreichen. Dinge, mit denen man dann hoffentlich auch die Mitläufer der TTIP Demo vom Hals schaffen könnte, die ihre „Dissidenz“ gegen die von ihnen als „Volksverräter“ identifizierten Politiker durch mitgeführte Papp-Guillotine zum Ausdruck bringen.
Seiberts Sorgen sind aber andere:
Nur eine Minderheit dieser Minderheit aber würde die Lösung der sozialen Fragen heute noch in der Klassenfrage suchen. Nicht, dass der Klassencharakter der bestehenden Verhältnisse verkannt oder übergangen würde – dass wir in Klassenverhältnissen leben, ist ja mitgemeint, wenn der Grund aller Krisen im Kapitalismus ausgemacht wird.
Es scheint, als habe die linksradikale Passivform es mal wieder geschafft, konkret handelnde Subjekte und deren konkrete Ziele (und damit auch eine Diskussion darüber, wie es damit weitergehen könnte oder sollte) in eine an den Klassenverhältnissen des Kapitalismus leidende Masse zu verwandeln, mit dem Spezifikum, dass die hier „den Kapitalismus“ zwar als „Grund aller Krisen ausmachen“, aber „soziale Fragen“ (?) nicht mehr in „der Klassenfrage suchen“.
Daraus werde schlau, wer will. Gemeint scheint, dass Seiberts Plan A offenbar dazu verhelfen soll, Dissidenz gegen den Kapitalismus zu artikulieren (weil der Grund aller Krisen ist) , aber über eine Perspektive, die auf die Aufhebung der Notwendigkeit baut, sein Arbeitsvermögen an Sachverwalter fremder Produktionsinteressen zu vermieten, soll in dem Zusammenhang lieber nicht geredet werden.
Würde man aber sagen, dass deren Lösung an der Arbeiter*innenklasse hängt, könnte man kaum auf Zustimmung rechnen.
Deren Lösung? Ist die Welle an Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen noch Thema, oder war das nur der Aufhänger um bei der Gelegenheit einmal darüber aufklären zu können, dass es vielen Krisen gibt und die alle ihren Grund im Kapitalismus haben? Ich möchte zwar auch nicht erklären müssen, wie „die vom Kapitalismus geschaffene Flüchtlingskrise an der Arbeiterklasse hängt“ , allerdings ließe sich über die Bedeutung von Einwanderung für die Lage lohn- und gehaltsabhängig Beschäftigter oder deren historische Perspektiven vermutlich eine Menge sagen, das auf so einem Plan A einen gewissen Raum finden könnte. Vielleicht, wie das Engagement von Wirtschaftsvertretern für eine liberale Einwanderungspraxis zu werten ist? Kann guten Gewissens mit deren Begeisterung für die ökonomischen Vorteile von mehr Einwanderung argumentiert werden? Ihr liegen natürlich auch die Erwartung zugrunde, dass die Vermeidung derzeitiger oder künftiger Arbeitskraft-Engpässe Lohnerhöhungen vermeiden hilft,was dem Exportmodell Deutschland natürlich schaden täte.
Das bestätigte sich, würde man dem die These unterlegen, dass die Arbeiter*innenklasse ein objektives Interesse an der eigenen und darin der Emanzipation aller habe, das sich subjektiv-praktisch in der Macht bewähre, alle Räder zum Stillstand zu bringen: fände man überhaupt Zuhörer*innen, schlüge einem bestenfalls milde Ironie entgegen. Im Vorausblick auf einen Plan A darf dieser „Abschied vom Proletariat“ (Gorz) nicht mehr als Schwäche, sondern muss als erfahrungsgesättigte Stärke gewertet werden. Sie ist das, was das dissidente Drittel nicht wenigen bekennenden Linken voraus hat.
Ohweh, welch ein Kuddelmuddel! Klar scheint jedenfalls zu sein: Ein Plan A nach Seiberts Wünschen soll ein klares Ätsch Arbeiterklasse! Ihr seid uns nicht dissident genug! Wir setzen nun auf das dissidente Drittel, denn das ist sogar nicht wenigen bekennenden Linken voraus!“
Dazu gehört, dass die sozialen Fragen in einem radikalen, hier noch zu klärenden Sinn als Demokratiefragen, d.h. als politische Fragen im eminenten Sinn des Worts gestellt werden. Dass darin ein kategorial wie im Konkreten entscheidender Fortschritt liegt, wird in den ökologischen Krisen zum Tragen kommen: Sie sind heute einerseits das Ferment aller anderen Krisen, und sind andererseits Krisen, die nur gelöst werden können, wenn ihr universeller, jede und jeden einzelnen von uns betreffender Charakter begriffen wird. Dem Verweis auf die TTIP-Demonstration entspricht hier ein Verweis auf den Leipziger Postwachstumskongress, zu dem im September 2014 3.000 Teilnehmer*innen zusammenkamen. Weil die meisten von ihnen heute schon der Einsicht folgen, dass die Ökologie nicht partikular, sondern nur im (politisch erst zu schaffenden)„Gattungsinteresse“ politisiert werden kann, könnte ihnen in einer neuen Linken eine maßgebliche Rolle zukommen.
Der Jargon nervt einfach, und man ist versucht, die darin – allerdings sehr gut – versteckten Aussagen zu übersehen, die emanzipationsperspektivisch entwicklungsfähig sein könnten. Aber nun gut, der Reihe nach:
Dazu gehört, dass die sozialen Fragen in einem radikalen, hier noch zu klärenden Sinn als Demokratiefragen, d.h. als politische Fragen im eminenten Sinn des Worts gestellt werden.
Natürlich müssen soziale Probleme als politische Fragen gestellt werden und berühren Fragen der Demokratie. Sie sind z.B. eine Frage sozialer Kräfteverhältnisse. Abhängigkeitsverhältnisse spielen eine entscheidende Rolle, Behauptungsbedingungen.
Dass darin ein kategorial wie im Konkreten entscheidender Fortschritt liegt, wird in den ökologischen Krisen zum Tragen kommen:
Ein entscheidender Fortschritt? Wobei und wohin? Vielleicht bin ich nur wieder zu ungeduldig.
Die ökologischen Krisen …
… sind heute einerseits das Ferment aller anderen Krisen, und sind andererseits Krisen, die nur gelöst werden können, wenn ihr universeller, jede und jeden einzelnen von uns betreffender Charakter begriffen wird.
Du liebe Güte, gibt es tatsächlich Menschen, die bei solchen Sätzen nicht die Krise kriegen?
Ein Enzym, früher Ferment, ist ein Stoff, der aus biologischen Riesenmolekülen besteht und als Katalysator eine chemische Reaktion beschleunigen kann. Erscheinungen der aus dem kapitalistischen Ruder gelaufenen menschlichen Schaffenskräfte wie die Erderwärmung, der bedrohliche Verlust an Wäldern, fruchtbaren Böden und biologischer Vielfalt, Überfischung und Versauerung der Meere, sollen in dem von Seibert gewünschten Plan A also als Katalysator vorgestellt werden, der die anderen Krisenerscheinungen (Hunger und Hungerlöhne, Megastädte , organisiertes Verbrechen, Krieg, Demokratieverachtung, Emanzipationsverweigerung, ungleiche Entwicklungschancen usw.) Was klar macht, dass das alles nur in den Griff zu bekommen ist, wenn alle verstehen, dass sie selbst zugleich Teil des Problems und dessen Lösung sind und etwas dafür tun, dass sich dieses Verhältnis zugunsten letzterem verschiebt.
Das geht in die richtige Richtung.
Dem Verweis auf die TTIP-Demonstration entspricht hier ein Verweis auf den Leipziger Postwachstumskongress, zu dem im September 2014 3.000 Teilnehmer*innen zusammen kamen.
Und jetzt wieder so ein rätselhafter Satz.
Auf dem langen Weg zur Formierung einer Menschheit, die in der Lage wäre, ihre Produktivkräfte zur Vernunft zu bringen, war der Postwachstumskongress sicher ein Meilenstein. Auch wenn die nächste Meile, nämlich die zur Erkenntnis, dass es auf die Erringung der Möglichkeit ankäme, in (welt-) gemeinschaftlich verantworteten Ermittlungs- und Abstimmungsprozessen darüber entscheiden zu können, was (wie und wie weit) wachsen und was (wie und in welchem Maße) schrumpfen sollte, noch einiges an Anstrengungen kosten dürfte. (Siehe: Wachstum oder Post-Wachstum ist nicht die Frage.Es kommt darauf an, der Nötigung zur sozialökologischen Rücksichtslosigkeit zu entwachsen – 10 Thesen)
Ob Thomas Seibert schon in diese Richtung denkt? So richtig klar wird das nicht.
Weil die meisten von ihnen heute schon der Einsicht folgen, dass die Ökologie nicht partikular, sondern nur im (politisch erst zu schaffenden)„Gattungsinteresse“ politisiert werden kann, könnte ihnen in einer neuen Linken eine maßgebliche Rolle zukommen.
Der Plan A scheint erst einmal zu sein, den Postwachstumsenthusiasten „in einer neuen Linken eine maßgebliche Rolle zukommen“zu lassen. Das verrät zwar erneut einen gewissen Mangel an inhaltlicher Bestimmtheit, was illusionäre Machtfantasien begünstigt, aber in der Begründung steckt immerhin ein Stückchen (öko-) kommunistischer Humanismus. Ob der sich noch als ein Solcher artikulieren wird?
Fortsetzung folgt