Ordnung, Freiheit, Kommunismus! (1/2)

Von der (Un-) Ordnung kapitalistischer Freiheiten zur Freiheitsordnung eines (öko-) humanistisch bestimmten Kommunismus zu gelangen, verlangt die Freiheit, einen geordneten Übergang zu denken und mit Bedacht anzugehen.

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Der Transformationsexperte Michael Brie hatte einen Abend der gegenwärtigen Veranstaltungsreihe der Your Fixe Initiative gestaltet. Die Reihe ist verschiedenen Facetten des „Antikommunismus“ gewidmet. (Siehe meine Reflexionen über Anti-Anti-Kommunismus?). Fragen des Brie-Abends waren, inwieweit der als Vater des Konservativismus gesehene Edmund Burke,  als Ideengeber des gegenwärtigen Rechtspopulismus fungiert (Stephen Bannon soll ein eifriger Burke Leser sein), und was Linke bzw. Soziaist*innen von Burkes Gedanken über Ordnung und Freiheit lernen könnten.

Im Ankündigungstext heißt es::

Burkes Schrift will das Konzept einer Ordnung großer bürgerlicher und politischer Ungleichheit mit der Idee der Freiheit versöhnen. Bis heute muss sich die Linke an den von Burke gestellten Herausforderungen messen lassen, oder sie wird wieder für zu leicht befunden werden.

Die vom Referenten hervorgehobene Punkte waren Burkes Erschrecken über die in der Französischen Revolution erlebte „Frechheit“ des Volkes, sich der als  gottgegeben  vorgestellten Ordnung zu widersetzten, einfach die Nationalgarde zu überrennen, das Königspaar Marie Antoinette  und Ludwig den VI  nach Paris zu beordern usw. usf. und die für den modernen Konservativismus paradigmatischen Schlüsse, die er aus dem Ereignissen zog.  Für Burke führten die mit der französischen Revolution proklamierte Einheit von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zur ochlokratischen Ordnung (Herrschaft des Pöbels), die, gelänge es nicht, ihr erfolgreich entgegen zu treten, die Grundfeste aller natürlichen Ordnung zerstören würde, nämlich das Eigentum. Ordnung und Recht müssten deshalb stets vor Freiheit der Masse gehen bzw. müsse Freiheit stets von einer Ordnung eingehegt werden, die keine egalitäre Ordnung sein kann, sondern nur eine, in der eine dazu qualifizierte Elite aus Eigentümer und  Angehörige einer Bildungselite das Sagen habe.

Was die Linken bzw. Sozialist*innen von Burkes lernen könnten, bzw. worin genau die von ihnen zu bestehende „Herausforderung“ bestünde, wurde nicht wirklich klar. Brie wies darauf hin, dass „Freiheit“ ein von der sozialistischen Linken bisher vernachlässigtes Ideal gewesen sei. Dem widersprachen andere mit dem Hinweis, dass „Freiheit“ für die sich nach Ende der 1960er Jahre im Westen  formierende neue Linke im Gegenteil die alles bestimmende Leitidee war bzw. noch ist. Der  Referent gestand dies ein und ergänzte, dass der Anarchismus schließlich auch Teil der sozialistischen Linken sei.

Mein Problem: Stehen solcherart unbestimmte „Freiheit“ gegen eine ebenso unbestimmte „Ordnung“ (bzw. ebenso unbestimmte Staatlichkeit), verlieren sich Fragen nach Voraussetzungen, Charakter und Formen eines erfolgreichen Übergangs zu einer (öko-) kommunistisch bestimmten Ordnung des globalen Produktionsgeschehens (und welche Freiheiten oder Notwendigkeit das unter welchen Umständen für wen bedeuteten bzw. möglich machen soll).

Meine aus diesem Anlass gestarteten Reflexionen über Befreiung und Befreiungsordnung, Aufstände, Sozialismus und Liberalismus usw. sind Teil meiner Bemühungen, einen an Marx/Engels (öko-) humanistischen Kommunismus ansetzenden Faden zu einer praxistauglichen Textur zu verweben. Es wurde ein assoziatives Vorwärtstasten! Dabei wuchs das Gefühl, dass ich sehr bald etwas unternehmen sollte, meine mehr oder minder freiwillig gewählte Isoliertheit  aufzubrechen. Gut ein Jahr vor Erreichung der „Altersruhe“ scheint es nun höchste Zeit, mich verstärkt um Unterstützung für ein Publikationsprojekt für eine – am Ende – womöglich recht brauchbare Intervention zu bemühen,  An dem hier möchte ich zwar noch etwas weiter weben. Habe es jetzt unterteilt, der zweite Teil folgt i dem nächsten Wochen. Aber dann …

  Also zunächst der erste Teil:

Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft
höchstens die Freiheit der anderen.

Marx:  MEW Bd. 1, S. 51

Bzw. die Freiheit der anders Denkenden. Spielte Brie auf die historische Erfahrung mit der“realsozialistischen“ Weigerung an, der Bevölkerung basale Freiheiten wie Meinungs-, Koalitions-, Bewegungsfreiheit usw. zuzugestehen, und sieht gar Gemeinsamkeiten zwischen Burkes Kampf gegen „die Herrschaft des Pöbels“ und der nach 1917 etablierten Erziehungsdiktaturen sowjetischen Typs? Denkbar. Genaueres dürfte in Michael Bries demnächst erscheinenden Buch über Lenin nachzulesen sein, den Bannon bekanntlich  (nicht ganz richtig, aber dennoch interessant) als Vorbild für sein Alt Right-Projekt sieht, den Staat als eine Institution, deren Aufgabe die zivilisierende Vermittlung   gegensätzlicher Interessen ist, zu zerschlagen, um auf dessen Trümmern eine unmittelbare Diktatur des fossilen Kapitals zu etablieren.

Die anschließende Publikumsdiskussion bewegte sich vom Konkreten (dem Bemühen, Klarheit über Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Neoliberalismus und des Neokonservativismus) zum  Abstrakten (zum Gegensatz von Freiheit und Ordnung an sich). Die These des Referenten, dass Freiheit für Burkes (wie für seinen Jünger Bannon)  nichts  als eine leere Phrase sei, blieb unwidersprochen. (Bekam einmal wieder den Mund nicht auf)

Als offene Fragen bleiben

  1. die Frage nach den Freiheiten kapitalistischer Interaktionsbedingungen (Ordnung)  und bei all dem stets auch
  2. die Frage nach einer zeitgemäßen Betrachtung des Verhältnis von Reform und Revolution und welche bzw. wessen Freiheiten dabei gegebenenfalls zu beachten, zu achten oder auch (auf welche Weise)  einzuschränken sind,
  3. die Frage, welche und wessen Freiheiten die Neocons und Rechtspopulisten zu konservieren bzw. zu erreichen wünschen.

Die kapitalistische Freiheitsordnung

Mit der kapitalistischen Produktions- bzw. Vergesellschaftungsweise  kam das Prinzip der  Freiheit in die Welt,  über die Verwendung der im eigenen Körper (einschließlich des Kopfes) gebildeten Instrumente der Existenzsicherung und Bereicherung selbst entscheiden zu können. Die körpereigenen Produktivkräfte bzw. Produktionsmittel wurden Privateigentum der eigenen Person an der eigenen Person.

Die menschliche Würde der Person gilt nun als unantastbar und durch eine staatliche Garantie der als angeborene Menschenrechte bekannten Freiheitsgarantien (Meinungs,- Bewegungs- oder Koalitionsfreiheit, Schutzes von Leben und körperlicher Unversehrt,  vor Diskriminierung aufgrund Herkunft, Geschlecht usw.) zu schützten. Die neuen Freiheiten scheinen keine Klassen zu kennen. Bis auf exakt bestimmte Ausnahmen (Strafvollzug, Krieg) dürfen sie niemandem mehr verwehrt werden. Prinzipiell steht nun auch allen frei, über die Entwicklung und den Einsatz von außerhalb des eigenen Körpers vergegenständlichten Instrumenten der Existenzsicherung und Bereicherung zu verfügen, doch ist die überwiegenden Mehrheit der Menschen vom Besitz dieser Klasse Produktionsmittel befreit. Sie ist deshalb dem klassenspezifischen Zwang unterworfen, die Verfügung über das eigene Arbeitsvermögen freiwillig und menschenwürdig, d.h.   auf Zeit, an Eigner der außerhalb des Körpers vergegenständlichten Klasse Produktionsmitteln zu übertragen, um im Tausch über eine Menge Geld verfügen zu können, die zum Einkauf der Mittel befähigen, welche zur Bestreitung des eigen Lebensunterhalts (und damit der Wiederherstellung des eigenen Arbeitsvermögens) benötigt werden.

Mit der Gewerbefreiheit für die Eigner der zur eigenen Bereicherung befähigenden Klasse Produktionsmittel und der Freiheit der Arbeitskraftvermögenden, selbst auszuwählen, welchen Produktionsmitteleignern sie zum Erhalt des Lebensunterhalts wann und wie lange zu Diensten sind, ist die Freiheit des Wettbewerbs der Bereicherungsvermögenden um die kostengünstigste Her- und Bereitstellung immer begehrenswerterer Gebrauchswerte gegeben. Der durch die Konkurrenz vermittelte Zwang zur Einsparung notwendiger Arbeitszeit und zur qualitativen Verbesserung der Angebote, nötigt die Unternehmen zu ständigen Produktivitätsfortschritten und Produktinnovationen. Der auf dieser Basis notwendig wachsenden Freiheit der Wahl zwischen immer mehr Träger stets größerer Gebrauchswerte entspricht eine stets größer werdende Diversifizierung der gesellschaftlichen Produktion, Vertiefung von Spezialisierungen, die zunehmende Bedeutung von Bildung, Wissenschaft, Kultur, Sport  und (zwischen-) staatliche Regulierung. All das sind auch materielle Grundlagen von Fortschritten der menschlichen Emanzipation, Ausbildung freier, sozio-kulturell gebildeter Persönlichkeiten, Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten der sozialen bzw. politischen Mitgestaltung usw.

Das ist natürlich eine idealtypische Beschreibung. Es darf nicht vergessen werden, dass sämtliche zivilisatorischen Fortschritte opferreich erkämpft werden mussten. Die Trennung von den vorkapitalistischen Subsistenzbedingungen verlief nirgends idyllisch und war und ist heute noch meist durch Gewalt und Massenelend gekennzeichnet. Die kapitalistische Zivilisation begann ihren historischen Siegeszug mit der Barbarei des Kolonialismus. Er verhalf zunächst der Sklaverei zu einer bis dahin ungeahnten Blüte. Kapitalistische Staaten nahmen sich die Freiheit, Vernichtungskriege zu führen und Menschen in Todesfariken zu vergasen. Demokratien wurden zur Säuberung von gesellschaftlichen Kräften, die dem guten Investitutionsklima nach dem Geschmack des Kapitals im Weg standen, in Blut gebadet Selbst der für die Masse der Menschen tatsächlich gegebene Zuwachs an frohen Herzens genießbarer Freiheit, bleibt stets nur Element der den freien Vertragspartnern weitgehend als eine Naturgewalt gegenüber tretenden Abhängigkeitsverhältnisse, die  die eine gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftige Bestimmung der Produktionszwecke und Standards nicht zulässt.

Für die Freiheit, gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftige  Produktionsbeziehungen unterhalten zu können, die im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ihrer  Voraussetzungen und Wirkungen ergründet, durchdacht, erörtert und abgestimmt sind, müsste die Freiheit der gesellschaftlich bzw. ökologisch ahnungs- bis rücksichtslosen Bestimmung von Produktionszwecken oder -orten, Produktmengen oder die mögliche Schädlichkeit ihres Gebrauchs sukzessive eingeschränkt werden. Damit hinreichen viele Menschen und deren Assoziationen weltweit von der Freiheit eines solchen Freiheitswechsels einen höchstpersönlich eigenen Gewinn erwarten (können), müssen die Widersprüche zwischen den technologischen Möglichkeiten und der weitgehenden Unmöglichkeit, das damit gegebene Potenzial (auch Schaden anzurichten) auf  menschliche (d.h. u.a. auf mitmemenschliche) Art zu steuern, als himmelschreiend skandalös, verrückt und bedrohlich empfundenen werden – können.

„Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um: Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewußt werden und ihn ausfechten.“

(MEW 13, S. 8f)

Revolution und Kultur

Marx sah gewisse Gesetzmäßigkeiten in der bisherigen Geschichte epochaler Umwälzungen  der jeweils vorherrschenden Produktions- bzw. Vergesellschafungsweisen, und er ging davon aus, dass diese auch künftigen Wechseln der gesellschaftlichen Grundstruktur zugrunde liegen werden. Seine Analyse der kapitalistischen Interaktionsbedingungen galt nicht zuletzt der Suche nach Anhaltspunkten für die Notwendigkeit oder auch den Fortschritt der Entwicklung eines erneuten historischen Wendepunkts, an dem nicht nur die bis dahin geschaffenen Möglichkeiten, sich und andere zu bereichern sondern auch das Vermögen, Schaden anzurichten einen solchen Umfang und eine solche Qualität erreicht haben, dass vernunftbegabte Wesen nicht mehr um die Erkenntnis herum kommen, dass die Möglichkeit der gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch nachhaltigen Nutzung  und Weiterentwicklung des geschaffenen Potenzials zu einer existenziellen Notwendigkeit für die Menschheit als Ganzes geworden ist, dies aber mit der gewohnt privateigentümlich bzw. national bornierten Art der Vermittlung von Produktionskapazitäten -bedingungen und -zwecken nicht zu machen ist. Als Grundbedingungen der Möglichkeit, zur (welt-) gemeinschaftlich (= kommunistisch) bestimmten Vermittlung von Produktionskapazitäten -bedingungen und -zwecken überzugehen, erkannte Marx bereits sehr früh das Erreichen eines hohen Globalisierungsgrads und der prinzipiellen Fähigkeit, weltweit für ein akzeptables Maß an materiellem Wohlstand zu sorgen, dass sich ein Großteil der sich im Zuge von Produktivkraftentwicklung und Globalisierung herausbildenden Persönlichkeiten zu kulturell allseits gebildeten „Weltbürgern“ entwickelt haben, die ihr globales Zusammenwirken und ihr Verhältnis zur Naturumwelt endlich mitmenschlich, d.h. gemeinsam und im Hinblick auf die sozialen bzw. ökologischen Voraussetzungen und Wirkungen kompetent und reflektiert (mit-) bestimmen wollen und sich mit denen verbünden, die weltweit von Wohlstand, Bildung und Gestaltungsvermögen weitgehend ausgeschlossen geblieben sind.

„Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft.

Diese »Entfremdung«, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden.

Damit sie eine »unerträgliche« Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus »Eigentumslos« erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der »Eigentumslosen« Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat.

Ohne dies könnte

  1. der Kommunismus nur als eine Lokalität existieren,
  2. die Mächte des Verkehrs selbst hätten sich als universelle, drum unerträgliche Mächte nicht entwickeln können, sie wären heimisch-abergläubige »Umstände« geblieben, und
  3. würde jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben.

Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker »auf einmal« und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 34 – 35

Nach einer Verelendungstheorie sieht das nicht aus. Auch die verbreitete Ansicht, dass Marx/Engels Kommunismus darauf angelegt sei, der menschlichen Individualität den Garaus zu machen, findet keine Bestätigung im Marx-Engels Werk .

In der bisherigen Geschichte ist es allerdings ebensosehr eine empirische Tatsache, daß die einzelnen Individuen mit der Ausdehnung der Tätigkeit zur Weltgeschichtlichen immer mehr unter einer ihnen fremden Macht geknechtet worden sind (…), einer Macht, die immer massenhafter geworden ist und sich in letzter Instanz als Weltmarkt ausweist. Aber ebenso empirisch begründet ist es, daß durch den Umsturz des bestehenden gesellschaftlichen Zustandes durch die kommunistische Revolution (…) und die damit identische Aufhebung des Privateigentums diese den deutschen Theoretikern so mysteriöse Macht aufgelöst wird und alsdann die Befreiung jedes einzelnen Individuums in demselben Maße durchgesetzt wird, in dem die Geschichte sich vollständig in Weltgeschichte verwandelt.

Daß der wirkliche geistige Reichtum des Individuums ganz von dem Reichtum seiner wirklichen Beziehungen abhängt, ist nach dem Obigen klar. Die einzelnen Individuen werden erst hierdurch von den verschiedenen nationalen und lokalen Schranken befreit, mit der Produktion (auch mit der geistigen) der ganzen Welt in praktische Beziehung gesetzt und in den Stand gesetzt, sich die Genußfähigkeit für diese allseitige Produktion der ganzen Erde (Schöpfungen der Menschen) zu erwerben. Die allseitige Abhängigkeit, diese naturwüchsige Form des weltgeschichtlichen Zusammenwirkens der Individuen, wird durch diese kommunistische Revolution verwandelt in die Kontrolle und bewußte Beherrschung dieser Mächte, die, aus dem Aufeinander-Wirken der Menschen erzeugt, ihnen bisher als durchaus fremde Mächte imponiert und sie beherrscht haben.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 37- 38

Dass Marx an anderer Stelle einen kapitalistischen Verelendungsautomatismus zu entdecken meinte, der mit Naturnotwendigkeit die Kräfte hervorbringt, die die kapitalistische Ordnung am Ende stürzen müssten, sollte nicht weiter verwirren. Naturgemäß konnte Marx keine aus heutiger Sicht widerspruchsfreie und praktisch zwingende Theorie der Notwendigkeit, Möglichkeit und Richtigkeit einer Transformation der basalen Produktions- bzw. Vergesellschaftungsbedingungen liefern. Wie er richtig erkannte, stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie tatsächlich lösen kann, und  im 19. und, wie sich zeigen sollte, auch im 20. Jahrhundert war dies offenbar nicht gegeben. Heute werden die Grenzen der „Fortschrittlichkeit“ einer privateigentümlich bornierten Bestimmung dessen, was, wie, wie viel, zu wessen Last und für wessen sozialen Gewinn produziert, erhalten oder verdrängt wird, zunehmend deutlich. Es scheint sogar weitgehend unstrittig, dass die heutigen (Re-) Produktionsbedingungen eine gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch hinreichend vernünftige Steuerung der Entwicklung und des Einsatzes des bis heute entwickelten und in naher Zukunft zu erwartenden Potenzials nicht zulassen, obwohl Ausmaß und Tempo der ökologischen Abwärtsspirale, Überfischung, Verlust an Wald, Bodenfruchtbarkeit und biologischer Vielfalt und nicht zuletzt die sich zur globalen Existenzkrise entwickelnde Erderwärmung eben dies zwingend notwendig erscheinen lässt.

Aber nach wie vor erscheint die Frage nach einer (welt-) gemeinschaftlich bestimmten Entscheidungsstruktur als eine rein hypothetische. Nichts deutet darauf hin, dass der Menschheit die Schaffung der Möglichkeit, ihren Stoff(bedeutungs)austausch auf Grundlage gemeineigentümlich bestimmter Entscheidungsstrukturen zu regeln, bereits als eine praktische Herausforderung vor Augen schwebte.

Viele linke Kapitalismusgegner, darunter solche, die sich als „Anhänger der kommunistischen Idee“ verstehen, glauben, dass der wesentliche Grund für die mangelnde Revolutionsbereitschaft darin zu suchen sei, dass „die Unterdrückten“ auf Grundlage falscher Vorstellungen über ihre wahren Interessen „in den Kapitalismus integriert“ seien und auf Basis der Folgen ihrer Integrationsbereitschaft wiederum falsche Vorstellungen über ihre wahre Interessen hegen. Neben Aufklärung über die Verblendungszusammenhänge, die die falschen Vorstellungen hervorbringen, müsse gefragt werden, was ausreichend Bedürfnis nach entsprechendem Aufgeklärtwerden schaffen könnte. Sie wissen, dass dieses Bedürfnis nur aus der gesellschaftlichen Praxis hervorgehen kann. Im Ringen um Verbesserungen innerhalb der bestehenden Ordnung aber sehen sie eine Praxis, die nur immer mehr Integration also Verblendung und damit Entfernung zu deren wahren Interessen zur Folge hat. Einzig helfen könne möglichst radikales Aufbegehren derer, die am wenigsten „integriert“ sind oder ihrer „Integration“ tapfer trotzen.  Eines Tages, so die Hoffnung,  würden es den Diskriminierten aller Länder, Globalisierungs- bzw. Modernisierungsverlierern und linken  Systemgegnern gelingen, mit ihren radikalen Aktionen den „noch integrierten“ Unterdrückten (die sie seit der Occupy-Bewegung „die 99 Prozent“ nennen) die Augen zu öffnen indem sie sie in einen Akt der kollektiven Selbstbefreiung ziehen, mit dem diese endlich ihre wahren Interessen erkennen. Alles zusammen würden dann zu den 99 Prozent Revolutionäre, die die „befreite Gesellschaft“ schaffen.

Sie mögen sich insbesondere auf die vierte der von Marx und Engels (in der „Deutschen Ideologie“) genannten Voraussetzungen einer sozialistischen Transformation beziehen.

Schließlich erhalten wir noch folgende Resultate aus der entwickelten Geschichtsauffassung:

(…)

4. daß sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann; daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.

Marx/Engels: Die deutsche Ideologie, vgl. MEW Bd. 3, S. 69-70

Wie ist diese Erwartung heute zu beurteilen, d.h. auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen mit Revolutionen und Revolten und der Frage, welchen „Dreck“ sich bei künftigen Ereignissen dieser Art, wer, auf welche Weise vom Hals waschen könnte? Sinnvolle Antworten bedürfen neben eine Klärung der Frage, was eine Umwälzung der basalen Produktionsbedingungen künftig notwendig, erfolgreich und zu einem gelungenem Projekt der ökologisch reflektierten Mitmenschlichkeit machen könnte,  eine kritische Reflexion der Ambivalenz revolutionärer Selbstreinigung in Prozessen des Aufbegehren, mit Elementen oder dem Verständnis eines radikalen Bruchs mit der alten Ordnung.

Es muss in Rechnung gestellt werden, dass auch der Verlauf des menschlichen Teils der Weltgeschichte bisher keineswegs vom menschlichen Willen bestimmt ist. Eine als solche handlungsfähige Menschheit ist noch eine Utopie. Ihre Wirklichkeit setzte die Möglichkeit voraus, miteinander vereinbarte Ziele bewusst ansteuern und vereinbarungsgemäß erreichen zu können. Solange das nicht möglich ist, befinden wir uns – von der Idee eines (öko-) kommunistischen Ausgangs aus den gegenwärtigen Behauptungsbedingungen her gedacht – im Stadium der Vorgeschichte weltgemeinschaftlich organisierter Assoziationen freier Individuen und deren Institutionen.

Das Gefühl der Unmöglichkeit, die bis heute entwickelten oder in naher Zukunft realisierbaren „Produktivkräfte“ in einer zugleich individuell als gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftigen Weise einzusetzen und weiter zu entwickeln spiegelt die privateigentümlichen Bedingungen der Vermittlung (und Weiterentwicklung) sozial bzw. ökologisch bestimmter Bedürfnisse und Fähigkeiten. Was aus Sicht kapitalistisch vereinzelter Einzelner (Personen wie Gruppierungen) innerhalb der ihnen – historisch – gegebenen Spielräume nachvollziehbar zweckgerichtetes (und in so fern vernünftiges) Handeln ist, das im gewissen Umfang gewollt, und somit ein bedingt kulturell bestimmter Akt ist, erweist sich im Hinblick auf  dessen gesamtgesellschaftlichen bzw. ökologischen Dimensionen häufig genug als weitgehend irrational verlaufende Folge von Ereignissen. Gerade auf Basis des zielstrebigen Tun und Lassens kapitalistisch vereinzelter Einzelner, die sich im Rahmen kapitalistischer Interaktionsbedingungen zu behaupten haben, erweist sich das menschliche Wohl und Wehe und das der vom Menschen berührten Natur als weitgehend unplanbar. Da die Beteiligten ihr Zusammenwirken nicht als Ergebnis gemeinsamen Handelns erleben können, kommt ihnen  das Gesellschaftliche als Launen einer außer ihnen existierenden Naturmacht vor, die zu lenken oder auch nur einigermaßen zu zähmen für alle Zeit unmöglich scheint.

Das gilt auch für die sich periodisch aufbauenden Wellen der Empörung, von denen sich nicht wenige unserer „kommunistischen“ Integrationskritiker die Befreiung vom Übel des Unterdrücktseins und der Verblendung versprechen. In der Tat kann die trotzige Verweigerung von Mitverantwortung für ein allzu bequemes „Weiter so“, wie sie spontanen Ausbrüchen von Volkswut eigen sind, Bewusstseinssprünge beflügeln, neue Interessen begründen, Mut, neues zu denken und zu erfragen freilegen und letztlich sogar zum Wegbereiter einer besseren Ordnung werden. Mao Zedongs Behauptung, dass die ganze Wahrheit des Marxismus in dem Satz „Rebellion ist gerechtfertigt“ zusammengefasst werden könne, ist trotzdem ganz falsch. Das macht gerade die chinesische Kulturrevolution mehr als deutlich. Deren jugendlicher Anti-Autoritarismus entpuppte sich rasch als ein entgrenzter Autoritarismus. Die Rebellion gegen die alten Zöpfe hatte ein verstörend faschistoides Antlitz. Eine der daraus zu gewinnenden Erkenntnisse ist, dass keinesfalls alles Gute von unten kommt.

Nun könnte die Einsicht, dass die bisherige Emanzipationsgeschichte mitsamt ihrer mehr oder auch weniger gelungenen Befreiungsschläge noch kein nach Menschenart bewusst gestaltbarer Schaffensakt sein konnte, auch als Heiligsprechung eines unbekümmert destruktiven  „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ dienen.  Der Gedanke, dass Aufstände unvermeidbare Zornesausbrüche einer der menschlichen Natur mitgegebenen Allvernunft seien, die nicht anders kann, als sich am Ende aus der Unvernunft prviateigentümlicher Plusmacherei zu befreien, beflügelt der Natur dieses Gedankens gemäß zum Gottvertrauen in ein definiert gutes Ende. Einer realistischen Einschätzung der Herausforderung, die es bedeutet, zu einem globalen Für- und Voneinander zu kommen, das seine globalen Produktionsbedingungen und -zíele auf Grundlage eines weltgemeinschaftlichen Nachhaltigkeitsmanagements bestimmen kann, steht solch ein naiver Glaube an das Gute einer Dekonstruktion alles Kapitalistischen eher im Wege. Die Organisation der Transformation muss von hinreichend vielen Menschen weltweit als notwendig erkannt,  und aus gutem Grund für realisierbar und dazu auch noch für realisierungswürdig gehalten werden. Auch wenn sich eben dies nicht ohne spontane, chaotisch verlaufende und auch nicht wirklich planbare  Befreiungsakte einstellen dürfte,  so sollte doch klar sein, wie sehr es von der Menge und Qualität vorsorglich angebrachter Wegmarkierungen abhängt, ob beizeiten Wege gefunden und gewählt werden, die einen notwendig gewordenen Übergang zu einem wirklich kulturellen Akt der Mitmenschlichkeit und ökologischen Vernunft machen, der sicherstellt, oder es jedenfalls wahrscheinlich macht, dass aus einem Gutgewollt nicht erneut ein Schlechtgelaufen wird.

Aber wie entkommen die Menschen ihren Zwängen und -freiheiten ihrer Behauptngsbedingungen, die sie so erfolgbesessen Richtung Abgrund eilen lassen? Welche Wegmarkierungen gilt es für Zeiten aufzustellen, in denen es mit ungewissem Ausgang drunter und drübers gehen könnte, weil der Abgrund nicht mehr zu übersehen ist? Ist nicht auch der rot-grüne Reformismus von einem letztlich irrationem Gottvertrauen beherrscht, in seinem unerschütterlichen Glauben an die ewige Vernünftigkeit des freien Wettbewerbs um die Beschaffung privater Vorteile?

Linken Kapitalismusgegner*innen, die auf den heiligen Zorn der „Unintegrierten“ setzen und es deshalb für ihre Hauptaufgabe halten, vor Illusionen in die Möglichkeit eines „grünen Kapitalismus“ zu warnen, wäre jedenfalls mit einer Wegmarkierung gedient, die sie erkennen ließe, dass die größte und emanzipationsgeschichtlich am meisten kontraproduktive Illusion die irrige Vorstellung ist, es gäbe die Möglichkeit der freien Auswahl zwischen Integration in die historische Wirklichkeit und einer bereits in den Supermarktregalen der historischen Möglichkeiten bereit liegenden „befreiten Gesellschaft“. Obwohl letzteres zunächst einmal nur ein Schlagwort ist, das kaum definierte Freiheitssehnsüchte verbalisiert, halten es viele seiner Nutzer für eine wirklich bereit liegend Alternative. Die wirklich handfesten Existenzbedingungen, die die „Systemintegration“ in Wirklichkeit diktieren, wird dagegen für eine selbst verschuldete Fehlleistung gehalten. Beides scheint nun beliebig austauschbar.

Wenn aber die gute Zukunft nur noch vom Grad wahrer Aufgeklärtheit, Charakterfestigkeit, Verachtung des gegenwärtig Erreichbaren, Befreiungssehnsucht usw. abzuhängen scheint, erscheint es wohl auch müßig, über strukturelle („historisch-materielle“) Voraussetzungen eines sozialistischen Übergangs zu öko-kommunistisch bestimmten Interaktionsbedingungen nachzudenken. Und wer glaubt, nicht mehr darüber nachdenken zu müssen, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Formen und Stufen sich die Produktivkräfte herausbilden, die die weltweit interagierenden Menschen (und deren Institutionen) einerseits nötigen, andererseits aber auch befähigen, ihre bisherige Art der Vermittlung von Produktion, Aneignung, Pflege, Organisation, Weiterentwicklung der menschlichen Existenz- und Bereicherungsmittel zu revolutionieren, endet leicht in einem kruden Antireformismus. Reformismus wird dann nicht mehr kritisiert, soweit eine ideologisierte (sprich, sich gegen eine nüchterne Überprüfung wehrende) Fixiertheit auf das aktuell Machbare alles Nach- bzw. Vordenken darüber blockiert, unter welchen Umständen und auf welche Weise (und in welchen Zeiträumen) Dinge erreicht werden könnten, die zu erreichen zwar aktuell nicht möglich scheinen, aber die Notwendigkeit, sie zu erreichen bei  außer Frage steht.  Der emanzipationsproduktiven Kritik eines solchen Anti-Utopismus weicht  einem subjektiv revolutionaristischen, aber nicht selten erz konservativ bis reaktionär wirkenden Antireformismus, für den jeder Fortschritt an Mitmenschlichkeit und ökologischer Vernunft einer Aufhübschung des vermeintlich längst zum Ladenhüter gewordenen Kapitalismus gleichkommt, die nur die Verkaufschancen des vorgestellten Konkurrenzproduktes „befreite Gesellschaft“ mimdert.

Eine emanzipationsproduktive Kritik des Reformismus, die an Marx-Engels öko-humanistischen Kommunismus anknüpfte, wäre alles andere als Antireformismus. Sie zielte im Gegenteil auf tatsächliches Vorankommen in Richtung Verallgemeinerung von Bildung, Sicherheit, Chancengleichheit, ökologische Vernunft. Sich dem aus Furcht, als ein Reformist zu gelten, zu verweigern ist in etwa so rational wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod. So wie eine emanzipationsproduktive Kritik des Utopismus kein Anti-Utopismus ist, der öffentliches Nachdenken über wünschenswerte Zustände, die nicht unmittelbar realisierbar sind, von vornherein als Ideologieverliebtheit denunziert. Kritik am Utopismus einer vom Geiste eines öko-humanistischen Kommunismus geprägten Perspektive verlangte keine Freiheit von Visionen, sondern Anstrengungen, Wege zu ergründen und zu erörtern, die das Wünschenswerte erreichbar machen.

Engels erkannte genau das, und dass es darauf ankommt, die spezifisch menschliche Fähigkeit zur vorausschauenden Produktion sozialismusproduktiv auszubilden.

Die Zeit der Überrumpelungen. der von kleinen bewußten Minoritäten an der Spitze bewußtloser Massen durchgeführten Revolutionen ist vorbei. Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt, für was sie mit Leib und Leben eintreten. Das hat uns die Geschichte der letzten fünfzig Jahre gelehrt. Damit aber die Massen verstehen, was zu tun ist, dazu bedarf es langer, ausdauernder Arbeit, und diese Arbeit ist es gerade, die wir jetzt betreiben, und das mit einem Erfolg, der die Gegner zur Verzweiflung bringt.

Engels: Einleitung zu »Die Klassenkämpfe in Frankreich«, MEW Bd. 22, S. 522

Und das hat uns heutigen vor allem auch die Geschichte der real existierenden Sozialismusversuche des 20. Jahrhunderts gezeigt, deren Sachverwalter sch genöigt sahen, höchstpersönlich eigene Initiativen aus der Bevölkerung immer nur als Gefährdung der eigenen Machtbasis zu sehen.

Mit dieser erfolgreichen Benutzung des allgemeinen Stimmrechts war aber eine ganz neue Kampfweise des Proletariats in Wirksamkeit getreten, und diese bildete sich rasch weiter aus. Man fand, daß die Staatseinrichtungen, in denen die Herrschaft der Bourgeoisie sich organisiert, noch weitere Handhaben bieten, vermittelst deren die Arbeiterklasse diese selben Staatseinrichtungen bekämpfen kann. Man beteiligte sich an den Wahlen für Einzellandtage, Gemeinderäte, Gewerbegerichte, man machte der Bourgeoisie jeden Posten streitig, bei dessen Besetzung ein genügender Teil des Proletariats mitsprach. Und so geschah es, daß Bourgeoisie und Regierung dahin kamen, sich weit mehr zu fürchten vor der gesetzlichen als vor der ungesetzlichen Aktion der Arbeiterpartei, vor den Erfolgen der Wahl als vor denen der Rebellion.

Denn auch hier hatten sich die Bedingungen des Kampfes wesentlich verändert. Die Rebellion alten Stils, der Straßenkampf mit Barrikaden, der bis 1848 überall die letzte Entscheidung gab, war bedeutend veraltet.

 

Engels: Einleitung zu »Die Klassenkämpfe in Frankreich«, MEW Bd. 22, S. 519-521

Nun haben sich inzwischen nicht nur die Bedingungen für eine „sozialistische“ Transformation der basalen Interaktionsbedingungen sondern vor allem auch die Erwartungen an eine diesbezüglich vorwärts treibende Rolle sozialdemokratischer Wahlerfolge sehr geändert. Festzuhalten gilt aber die Erkenntnis, dass der Übergang zu (welt-) gemeinschaftlich bestimmten Interaktionsbedingungen nicht gelingen kann, wenn er nicht von einem Großteil der Bevölkerung weltweit getragen würde, und diese nicht nur dessen Notwendigkeit erkennen und ansonsten auf die Weisheit einer vorwärts preschenden Avantgarde vertrauen, sondern selbst sehr schnell eine grundlegende Vorstellungen darüber entwickelt haben müssten,  wohin die Reise gehen soll, wie sie auf keinen Fall enden darf und wie das zu bewerkstelligen wäre.

Die zu setzenden Wegmarkierungen müssten nicht nur helfen, beim notwendigen Einlassen auf realpolitische Kompromisse wenn es gilt, die Chance, Spielräume für Mitmenschlichkeit und ökologische Vernunft zu gestalten und auszubauen, nicht den Blick auf`s Notwendige bzw. zunächst nur aus der Ferne winkende Möglichkeiten zu vergessen, sondern auch inmitten eines in die Gänge gekommenen Vorwärtsdrangs zu zeigen, dass  trotz der Notwendigkeit zur Aufnahme spontaner Bewegungsenergie insbesondere bei der Ebnung neuer Pfade  das Thema Sicherheit nicht außer Acht zu lassen und immer wieder zum vorausschauendem, bedachten Handeln zurück gefunden werden  sollte. Ein wesentlicher Punkt dabei dürfte die richtige Einschätzung der Voraussetzungen sein. Die  …

… vorgefundenen Lebensbedingungen der verschiedenen Generationen entscheiden auch, ob die periodisch in der Geschichte wiederkehrende revolutionäre Erschütterung stark genug sein wird oder nicht, die Basis alles Bestehenden umzuwerfen, und wenn diese materiellen Elemente einer totalen Umwälzung, nämlich einerseits die vorhandnen Produktivkräfte, andrerseits die Bildung einer revolutionären Masse, die nicht nur gegen einzelne Bedingungen der bisherigen Gesellschaft, sondern gegen die bisherige »Lebensproduktion« selbst, die »Gesamttätigkeit«, worauf sie basierte, revolutioniert – nicht vorhanden sind, so ist es ganz gleichgültig für die praktische Entwicklung, ob die Idee dieser Umwälzung schon hundertmal ausgesprochen ist.

Engels: Einleitung zu »Die Klassenkämpfe in Frankreich«, MEW Bd. 22, S. 519-521

Marx / Engels

In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte (Maschinerie und Geld) – und was damit zusammenhängt, daß eine Klasse hervorgerufen wird, welche alle Lasten der Gesellschaft zu tragen hat, ohne ihre Vorteile zu genießen, welche aus der Gesellschaft herausgedrängt, in den entschiedensten Gegensatz zu allen andern Klassen forciert wird; eine Klasse, die die Majorität aller Gesellschaftsmitglieder bildet und von der das Bewußtsein über die Notwendigkeit einer gründlichen Revolution, das kommunistische Bewußtsein, ausgeht, das sich natürlich auch unter den andern Klassen vermöge der Anschauung der Stellung dieser Klasse bilden kann;

Wer denkt da nicht an das Wahlverhalten eines nicht geringen Teils der vom sozialen Fortschritt vergessenen Globalisierungsverlierer im us-amerikanischen Rostgürtel? Würde von ihnen tatsächlich so etwas wie ein kommunistisches Bewusstsein ausgehen, wäre also ihr Abgehängtsein ein kommunistisch bewusstes (= um die Hintergründe wissendes und um gemeinsame Auswege ringendes) „Sein“, hätte es sie erkennen lassen, dass gerade auch zur Besserung der eigenen Lage strukturelle Veränderungen in den Welthandelsregeln durchgesetzt werden müssten. Mit einem solcherart „kommunistischen“ Bewusstsein hätten sie die um ihre Gunst buhlenden Parteien mit entsprechenden Forderungen konfrontiert. Stattdessen wählten sie Donald Trump. Nicht ausgeschlossen, dass dabei auch so etwas wie eine Ahnung der Notwendigkeit gründlicher Umwälzungen mitspielte, was sich bei gutem Willen etwa aus der Verführungskraft von Trumps Anti-Establishment-Rhetorik schlussfolgern ließe. Augenscheinlich gab es aber bisher nichts, was ihren ungelenkten Zorn in Mittel der Befreiung aus der erniedrigenden Abhängigkeit von den zerstörerischen Existenzbedingungen der Brown Economy verwandeln können. Ein solches Mittel wären etwa Konzepte zur Schaffung von Handelsbedingungen (und damit auch Produktionsbedingungen), die es  weltweit allen ermöglichte, von Prozessen der Globalisierung, Modernisierung und Ökologisierung des Wirtschaftens zu profitieren, ohne dass dies zugleich die ökologischen Grundlagen einer nachhaltigen Wohlstandsentwicklung zerstört.

Aber woher soll das kommen? Vielleicht mangelt es gerade auch den liberal politisierenden bis (öko-) sozialistisch visionierenden Linken am Bewusstsein der existenziellen Notwendigkeit, sich um Konzepte zu bemühen, die tatsächlich „niemanden zurücklassen“ wie es die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) proklamieren – und sei es zum eigenen Schutz. Vielleicht fehlt ihnen die notwendige Fantasie, die sie erkennen ließe, dass sie allein um des eigenen Überlebens Willen zu Mitakteuren der Arbeiteremanzipation werden müssten! In eine solche Richtung könnte auch Timothy Snyders  Empfehlung betrachtet werden, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass die Zeiten der vom der kapitalistischen Konkurrenz und Effizienz scheinbar unaufhaltsam voran getriebenen Zivilisationsfortschritte ein jähes Ende finden könnten.

Ein Schritt in diese Richtung wäre vielleicht getan, wenn Liberale es schafften, sich von Freiheitsillusionen zu befreien, die auf Isolation der gesellschaftlichen Akteure voneinander und deshalb auch soziale bzw. ökologische Verantwortungslosigkeit beruhen, (die auch die Besserverdienenden sozial schwach machen), ohne dabei allerdings ins andere Extrem zu verfallen und die Stärken des mit der kapitalistischen Ära ausgebildeten Individualismus (an die ein moderner Kommunismus anzuknüpfen hätte) zu negieren.

Wer im Gegensatz zu den vom Fortschritt verschmähten Modernisierungsverlierern Globalisierung und ökologische Modernisierung als Jahr für Jahr garantierten Gewinn an – auch eigener – Mitmenschlichkeit und ökologischer Verantwortlichkeit erfahren hat, unterschätzt oft die strukturellen Grenzen der Möglichkeit, gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch vernünftig denken und handeln zu können. Es scheint dann ein Naturgesetz der menschlichen Entwicklung, dass trotz der bekannten Kehrseiten kapitalistischer Fortschrittmacherei und ihrer oft nicht wenig schrecklichen Abnormalitäten und Rückschritte am Ende doch immer mehr Menschen rund um den Globus an Freiheit, Gleichheit, Wohlstand und damit auch an weltbürgerlicher Kompetenz gewonnen haben – werden. So fügt sich selbst die sozialliberale Opposition gegen die neoliberale Phrase von der Alternativlosigkeit von Privatisierung und Deregulierung als Mittel der Ausbeutungsverbesserung in die Vorstellung von der Alternativlosigkeit eines steten Wettbewerbs um den Titel „flotteste Bedienung der kapitalistischen Fortschrittsmaschinerie“ ein.

Konzepte für eine Periode des sozialistischen Übergangs zu (öko-) kommunistisch bestimmten Interaktionsbedingungen zu erarbeiten, die darauf angelegt wären, dem Fortschreiten im Rahmen des kapitalistisch Möglichen eine weiter gehende Perspektive zu eröffnen, die auf die Schaffung der Möglichkeit zielte,  (welt-) gemeinschaftlich darüber befinden zu können, was, wo, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen fortschreiten oder zurück gebaut werden soll, damit am Ende alle gut leben können, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller zerstört, scheint kaum jemandem in den Sinn zu kommen. Warum also noch über die Notwendigkeit einer kritische Aufarbeitung des weltgeschichtlich ersten Sozialismusversuches nachdenken? Warum sich der Mühe eines wahrscheinlich anstrengenden, verwirrenden, womöglich in die Verzweiflung treibenden Prozess der Aufarbeitung des „realsozialistischen“ Spuks unterziehen, wenn sowieso niemand mehr an eine sozialistische Alternative zum Wettlauf um die Fähigkeit glaubt, die kapitalistischen Fortschrittsmaschinerie besser als die anderen zu bedienen?  Heutige Linke mögen sich fragen, was sie mit diesem komischen Sozialismus-Dingsbums zu tun haben? Schließlich ist man längst nicht mehr sozialistisch. Man ist heute linksdemokratisch, linksgrün, linkskonservativ oder auch radikal links. Und haben Linksradikale (Anarchisten usw.) nicht schon immer gegen JEGLICHE Obrigkeit opponiert und unter deren „realsozialistische“ Variante besonders gelitten?  Eine polit- ideologische Konsequenz: Wer davon überzeugt ist, mit den Verbrechen des  Sozialismusversuchs „sowjetischen Typs“ nicht nur nichts zu schaffen zu haben sondern auch noch eine tragende Opferrolle als Erbteil beanspruchen kann, wird das schöne Gefühl der daraus abgeleiteten Unschuld nicht durch möglicherweise  einsichtge, gar erfolgversprechene Bemühungen um Konzepte, Bündnisse, Aktivitäten usw in Richtung eines neuen Versuchs aufs Spiel setzen. Darin sind sich „linksradikale“ Kapitalismuskritiker*innen  mit den sozialdemokratischen Kapitalismusfans womöglich ähnlicher, als sie es wahrhaben mögen. Wer die Notwendigkeit spürt, innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die – zunehmend bewusste – Herbeiführng (welt-) kommunistisch bestimmter Interaktionsbedingungen zum weltgesellschaftlich vorherrschenden sozialen Entwicklungstrend wird, wird finden, dass sich die „linksradikalen“ Horizonte hinsichtlich einer solchen Perspektive überwiegend noch unterhalb der sozialdemokratischen bewegen. Denn was sind deren Zukunkunftsvisionen? Da kommt selten mehr als „Freiräume erkämpfen und verteidigen“, Orte von denen aus es sich laut und herrlich aus dem Fenster heraus brüllen lässt.  Dabei wird tunlichst alles getan, um die „autonomen“ Nischen vor Anschlussfähigkeit an gesellschaftlich relevante Bewegungen, Institutionen, Ziele usw. zu schützen, die zumindest die Voraussetzungen einer sozialistischen Perspektive schaffen könnten. Das bannt natürlich die Gefahr, über den anti-kapitalistischen Budenzauber hinaus zu wachsen, und sich hinsichtlich einer Postkapitalistmus-Perspektive gesellschaftlich relevante Fragen zu stellen bzw. stellen zu lassen, zu der eben zentral auch die Frage gehört, wie verhindert werden kann, dass aus einem visionären Gutgemeint erneut ein realexistierendes Schlechtgelaufen wird.

Unbekümmerter Fortschrittsoptimismus in Kombination mit Desinteresse an Fragen einer möglichen Aufhebung all der guten Gründe für den verbreiteten Komunismuspessimismus,  ob offen wie in seinen sozialliberal-demokratisch-grün-linken Varianten oder negativistisch verbrämt, wie im „linksradikalen Kampf“ um Freiräume für Radikalitätssymbolismus, scheint auch ein Zeichen dafür zu sein, die Gefahren zu unterschätzen, die in dem proto-faschistischen Sozialdarwinismus, wie sie in der Trump-Bannon Administration zum Ausdruck kommt.  Wer die vergangenen Modernisierungs- bzw. Globaisierungsprozesse über Jahrzehnte als – auch persönlichen – Gewinn an Mitmenschlichkeit und ökologische Kompetenz (bzw. an Freiräumen für linksradikales Revolutionstheater) erlebt hat, fällt es offensichtlich schwer,  in dem grassierendem Rechtspopulismus mehr zu sehen, als eine aus der Zeit gefallene, eigentlich längst überholte und deshalb einfach nur lächerliche und vom unaufhörlichen Fortschreiten liberaler bzw. sozialdemokratischer Werte und Regeln voraussichtlich bald wieder zur Vernunft gebrachte Variante des liberalen Mythos von  den unbegrenzten Möglichkeiten individueller Selbstverantwortlichkeit. Den sich als „Autonome“ formierenden Akteure eines „linken“ Anti-Reformismus scheint es nicht wirklich anders zu ergehen.  Ein mehr oder weniger glückliches Weiter-so-Kapitalismus ist schließlich die materielle Grundlage auch „anti-kapitalistischer“ Nische und erlaubt beispielsweise den Luxus, nicht zwischen liberalen Grundsätzen und neoliberalen Formen der Ausbeutungsverbesserung in Zeiten gewaltiger Produktikraftentwicklungen unterscheiden zu müssen.

Womöglich muss aber damit gerechnet werden, dass etwa die regierende Trump-Bannon Bande allen Ernstes eine terroristische Diktatur der Brown Economy vorbereitet, gestützt auf die Potenzen der Koch-Brothers und anderer Magnaten der Bown Economy (wie der saudischen Königsfamilie oder Russlands regierende Mafia), einer Internationale autoritärer Regime und einer Armee verhetzter Anhänger. Hier ist natürlich Aufklärungsarbeit auf empirischer Grundlage vonnöten. Darüber hinaus stellt sich aber auch die Frage nach strukturellen Grundlagen der erklärungsbedürftigen Tatsache, dass sich proletarische Wut keineswegs wie selbstverständlich als Sehnsucht nach einer (welt-) kommunistischen Alternative äußert.

Noch einmal grundsätzlich über kapitalistische Formen der Vergesellschaftung:  ohne Geld ist alles nichts.

Die Vermittlung von Produktion, Aneignung und Pflege, Aufrechterhaltung der Produktionsbedingungen, Zivilisierung der dabei notwendig auftretenden Interessengegensätze, Einhegung unerwünschter Nebenwirkungen usw. geschieht wesentlich vermittels einer spezifischen Ware (Gebrauchswertträger mit Tauschwert) , deren Gebrauchswert es ist, Tauschwerte aller anderen Waren darstellen zu können. Geldbesitz erlaubt die legale Aneignung bzw. Veräußerung (Eintausch) eines Großteils der zur Existenzsicherung bzw. Bereicherung benötigten oder für nötig gehaltenen Mittel. Aneignung, ob für den Tauschwert vernichtenden „Endverbrauch“, für den tauschwertproduktiven Konsum von Rohprodukten, Arbeitsmitteln, Arbeitsvermögen usw. im kapitalistischen Produktionsprozess, oder zur Finanzierung staatlicher Aufgaben, Geld vermittelt nicht alles, aber ohne Geld stünde alles still.

Die Tauschrelationen der Geldwarenkörper haben heute zwar nichts mehr mit der Arbeitszeit zu tun, die für deren her- und Bereitstellung notwendigerweise zu verausgaben ist. Auf Seiten des Tauschwertträgers Geld wird die Menge des für sie eintauschbaren Gebrauchswerts (Nutzpotenzials) durch staatliche Maßnahmen reguliert wie etwa durch die Verunmöglichung seiner freien Reproduzierbarkeit. Veränderungen der Tauschrelationen ergeben sich deshalb – in der Regel – einseitig aus Veränderungen des Arbeitsaufwands, der  für die Her- und Bereitstellung der fürs Geld eingetauschten Gebrauchswerte notwendig aufzubringen ist (Unterschiede nationaler Währungen oder in den Lebenshaltungkosten, der Produktivität usw. von Nationen mit gleicher Währung einmal unberücksichtigt gelassen). Produktivitätssteigerungen, also Senkung des gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwands für den gegen das Geld eingetauschten Gebrauchswertträger lassen in der Regel dessen Preise purzeln, oder sie machen es möglich, für den gleichen Preis qualitativ hochwertigeres anzubieten.

Das funktioniert solange, wie (außerhalb der „Geldproduktion“) freie Konkurrenz garantiert ist und also konkurrierende Anbieter relativ schnell in der Lage sind, den gleichen oder besseren bzw. begehrteren Gebrauchswert mit gleichem oder weniger Arbeitsaufwand  her- und bereit zu stellen. Sind die Aufholjäger dazu technologisch,  von den Arbeitskräften her oder aus anderen Gründen nicht in der Lage, behindern etwa Patentrechte das Gleichziehen, sind genug Kunden gerne bereit, für den Imagegewinn, den sie sich vom Besitz bestimmter Gebrauchsgegenstände einer bestimmten Firma versprechen, eine beträchtliche Summe Geldes mehr zu zahlen als für ein ansonsten gleichwertiges Konkurrenzprodukt, u.a.m. können Angebot und Nachfrage die Preise auch nicht in Richtung eines gesellschaftlich  Tauschwertes bewegen, der dem  – hier allerdings nicht von allen – erreichten Effizienzvorschritt entsprechen. Es ist deshalb nicht nur das Bestreben eines jeden Unternehmens, das eigene Produkt konkurrenzlos billig sondern auch, es  qualitativ einmalig erscheinen zu lassen.

Aber wo es funktioniert, sorgen die dadurch zwangsmäßig purzelnden Preise (oder die Verallgemeinerung der Möglichkeit, zum gleichen Preis bzw. dem gleichen Arbeitsaufwand höhere Ansprüche befriedigen zu können) dafür, dass für den gleichen Geschäftserfolg, gemessen in Zugewinn an Bereicherungsvermögen in der Form von Kaufkraft (die die Fortsetzung von Bereicherung ermöglicht), trotz aller Erfolge in Richtung Ressourcenproduktivität stets größere Stoffmengen umgesetzt werden müssen.

Auf eben dieser strukturellen Grundlage gedeihen alle Blütenträume des kapitalistischen Zeitalters. Der nie nachlassende Wettlauf privater Akteure um die Fähigkeit, mit weniger Arbeitsaufwand mehr und bessere Mittel der menschlichen Existenzsicherung und Bereicherung her- und bereitzustellen als die Konkurrenz es vermag, ist zwar – wie bereits ausgeführt – Grundlage für das Aufblühen von technologischem Fortschritt, Konsumgüterüberfluss und damit Wachstum an Bildung, Wissenschaft,  Kultur&Kunst, kritischer Weltbürgerlichkeit usw. Zugleich drückt er aber auch auf soziale bzw. ökologische Standards, Errungenschaften, Reichtümer und kettet die zur Mehrung ihres privateigentümlich bestimmtem Reichtums verdammten Wettbewerber mitsamt den in ihrem Dienst stehenden Arbeitsvermögenden aller Länder an  deren Geschäftserfolg – selbst wenn diese sozio-ökologisch betrachtet durchaus unvernünftig, schädlich oder gar Existenz bedrohend sind. Mit dem Ausmaß und der Dynamik der augeblicklich zu beobachtenden und in nächster Zeit zu erwartenden  „Produktivkraftentwicklung“ zunehmend zum Weltproblem wird: die Handlungsspielrume der Nationalstaaten als Institutionen, die dafür zu sorgen haben, dass das kapitalistische Für- und Voneinander nicht als selbstzerstörerisches Hauen und Stechen geschieht und den ansonsten grenzenlosen Bereicherungstrieb so weit wie möglich zur Vernunft zu bringen haben, sind ebenso vom Geschäftserfolg gesamtgesellschaftlich bzw. ökologisch möglicherweise äußerst unvernünftiger Wirtschaftserfolge „ihrer“ Steuerzahler und Arbeitsplatzlieferanten abhängig.

 

 

Fortsetzung bis spätestens Ende des Monats

 

 

 

 

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