Bemerkungen zu Armin Grunwalds „Ende einer Illusion Warum ökologisch korrekter Konsum uns nicht retten wird“ (1)

Ein E-Book zu konsumieren verbraucht weniger Papier und was dessen Produktion und Entsorgung an Wald, Wasser, Arbeit oder mit der Energieumwandlung verbundenen Problemen kostet. Ich musste zwar eine ordentliche Portion Geduld und Nerven investieren, bis die nötigen Downloads von Reader und E-Book mitsamt den dazu nötigen Passwörtern geglückt waren und nach langem Karusselfahren endlich mehr zu sehen war als die Gebrauchsanleitung des E-Readers. Aber zu guter Letzt ist das Konsumentenglück vollkommen. Jedenfalls kann ich hier jetzt also bequem und öffentlich produktiv meine Gedanken rund um das jeweils gerade Aufgelesene ranken lassen.

Ich beginne gleich mit dem ersten Abschnitt der ersten Seite:

Für die meisten Menschen in den reichen Ländern ist der Konsum von Gütern und Dienstleistungen selbstverständlicher Teil des Alltagslebens. Geld für individuelle Zwecke wie Kleidung, Essen, Unterhaltung, Kultur, Mobilität oder Urlaub ausgeben zu können, ist eine wesentliche Voraussetzung für Zufriedenheit und Lebensqualität. Der in die deutsche Sprache eingebürgerte Begriff vom »shoppen gehen« verdeutlicht: Beim Konsumieren geht es nicht einfach darum, elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Es geht um ein Lebensgefühl. Durch Konsum werden sozialer Status und wirtschaftlicher Erfolg dokumentiert, vor sich selbst und vor anderen.

Mit Konsum scheint hier also NICHT allgemein das Naturereingnis des Aneignens gemeint, sondern die der kapitalistischen Gesellschaft eigenen Form,  die voraussetzt, das Begehrte im Tausch gegen Bargeld oder einem Zahlungsversprechen zu erwerben. Das gilt zwar auch für die basalen Mittel der Existenzsichherung, aber es scheint hier speziell die Aneignung von Reichtümern gemeint zu sein, die über das zur Existenzsicherung unbedingt Notwendige hinaus gehen. Das wirf allerdings die Frage auf, ob ein bestimmtes Lebensgefühl etwa KEIN elementares Bedürfnis ist. Zeigen sich nicht selbst Tiere oder sogar Pflanzen über Lebensbedingungen beglückt, die über das absolute Existenzminuimum hinaus gehen?

Gemeint ist außerdem der Konsum privater Haushalte, also der so genannte Endverbrauch, der, so Grundwald 50 bis 60 Prozent allen Konsums ausmacht. Den Konsum von Unternehmen (Produktionsmittel, Vorprodukte oder Arbeitskraft) ist davon nurin so fern berührt, als dass die Erlahmung des Endverbrauchs schlecht fürs Geschäft wäre – insbesondere für’s Weihnachtsgeschäft. Bin gespannt, wie es weiter geht.

FORTSETZUNG FOLGT

Auf Seite 8 heißt es.

 Wirtschaftswachstum und Konsumsteigerung sind zentrale Ziele in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Daran hat auch die wachstumskritische Debatte der letzten Jahre (…) nichts Grundsätzliches geändert. Wahlentscheidend ist nach wie vor, ob und inwieweit Regierungen und Parteien zur Belebung des Konsums.

Oh. Hoffentlich wirds später etwas differenzierter. Denn hier fehlt, dass im Kapitalbedürfnis stets zwei Geschäftsinteressen miteinander wetteifern. Arbeitskräfte und Transfersgeldbezieher mögen sich einerseits bitteschön bescheiden damit sie deren Aneignern bzw. Alimenteuren nicht zu teuer kommen (Hartzer dürfen deshalb auch gern in alte Röherenfernsehen gucken). Andererseits sollen Endverbraucher konsumieren bis es kracht. Als Lösungen des Dilemmas bieten sich bekanntlich die Teilnahme an Exportweltmeisterschaften,  mehr Luxuskonsum oder die Investitution in Finanzprodukte an. Bin gespannt, wie es weiter geht.

FORTSETZUNG FOLGT

Auf Seite 12 taucht das Lebensgefühl wieder auf bzw. die ihm zugrunde liegende Lebensqualität. Radikale Kritik am Wechselspiel zwischen Wirtschaftswachstum und Konsum, das der Autor ein wenig sehr phänomenologisch als ein „Motor für Nachhaltigkeitsprobleme“ sieht, mag er nicht so sehr, denn:

Diese Denkweise ignoriert die positiven Seiten des Konsums im Wirtschaftskreislauf und für die Lebensqualität. Konsum ermöglicht die Befriedigung von Bedürfnissen, ist Ausdruck von Lebensqualität und Medium der Teilhabe am  gesellschaftlichen Leben. Gesamtgesellschaftlich führt er zu Wertschöpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Es gibt sowohl positive als auch negative Seiten des Konsums.

Puh. Wer gewohnt ist, nach Ansätzen der Aufhebung des von Marx/Engels konstatierten Grundwiderspruchs kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu suchen, einerseits gesellschaftliche Produktion, andererseits aber durch die privateigentümlichen Formen der Aneigung, also eben nicht sozial bestimmt zu sein,  dem verursachen solche Sätze schon ein leichtes Schaudern. Immerhin ist das Bemühen zu erkennen, das Problem mangelnder Nachhaltigkeit NICHT auf eine moralistische Art zu erledigen.  Allerdings um den Preis einer wirklich schauderhaften Unbekümmertheit in der Anerkennung des Faktischen. Im Sine einer nachhaltigen Entwickelung menschlichen Wohlstands sind doch Wertschöpfung, Arbeitsplätze, auch Teilhabe und Lebensqualität nicht schon für sich wünschenswert. Es gilt ja gerade, Formen ihres Gestaltens zu finden, die es erlauben, ihnen die Inhalte zu verpassen, die es möglich machen, dass am Ende weltweit alle entsprechend ihrer Bedürfnisse leben können, ohne dass dies die Grundlagen des guten Lebens aller untergräbt.  Mal sehen, wie es weiter geht.

FORTSETZUNG FOLGT

Auf Seite 14 und  15 wirds dann doch interessant.

Wir könnten uns nachhaltigkeitsengagierte Konsumenten wie Hamster im Laufrad vorstellen: Emsig sind sie damit beschäftigt, nachhaltige Entwicklung zu befördern und ihre gesamte Lebenswelt und vor allem ihren Konsum  darauf abzustellen. Dennoch sind die Bemühungen in Bezug auf reale Beiträge zur Bewältigung der Nachhaltigkeitsprobleme randständig und marginal. Könnte es nicht sein, dass alle diese Laufräder, metaphorisch gesprochen, auf einem riesigen Tanker stehen, der weiter seine Bahn in Richtung Kollaps zieht, völlig unbeeindruckt davon, was in den Laufrädern geschieht?  (…)

Es ist eine gefährliche Illusion und bloßer Selbstbetrug, die Wende zur Nachhaltigkeit allein oder auch nur hauptsächlich von den Konsumenten und vom privaten Umwelthandeln zu erwarten. Ziel dieses Buches ist, diese Illusion zu entlarven und ihr ein Gegenmodell gegenüberzustellen: individuelle Verantwortung ja, vor allem aber als Bürgerin und Bürger im politischen Rahmen.

Bin gespannt, wie es weiter geht.

FORTSETZUNG FOLGT

Als ausgesprochen hilfreich und Maßstäbe setzend empfinde ich den positiven Bezug zum UN-Prozess der nachhaltigen Entwicklung und sich daraus ergebene Initiativen wie etwa den Rat für nachhaltge Entwicklung und den nationalen Nachhaltigkeitsstrategien in Deutschland und anderswo ab S. 18. Sehr verdienstvoll sein Hinweis auf das Kapitel 4 der in Rio 92 beschlossenen Agenda 21, das die Verantwortung nicht an das konsumistische Individuum abwälzte sondern sich an die die unterzeichnenden Staaten wandte. (Auf Seite 28)

 

Siehe http://www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/ag21dok/kap04.htm

Wobei  grundsätzlich anzumerken bleibt, dass die öffentliche Reflexion eines sozial bzw. ökologisch verantwortbaren Konsumierens zwar implizit die Frage einer sozialen Steuerung der Produktionsbedingungen  aufwirf, aber deren Heiligkeit immer noch unantastbar scheint.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: